Gerald Hauser FPÖ

FPÖ-Aussendung zu Lithium: Kann Spuren von Nonsens enthalten

Lithium ist als Nahrungsergänzungsmittel verboten, denn in falscher Dosierung kann es giftig sein. Trotzdem will die FPÖ, dass es von der EU als „essentielles Spurenelement“ anerkannt wird. Die Partei schreibt Lithium unbelegte Heileffekte zu.

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„Studien zeigen, dass Menschen, die in Gebieten mit natürlich erhöhten Lithiumwerten im Trinkwasser leben, ein deutlich geringeres Risiko aufweisen, an Demenz und vielen weiteren Zivilisationskrankheiten zu erkranken.“

Gerald Hauser

Aussendung von FPÖ und AfD,

Falsch

Gerald Hauser ist ein FPÖ-Politiker, der schon öfter mit falschen Behauptungen zu Gesundheitsthemen auffiel. profil berichtete bereits über die Anatomie seiner Radikalisierung. Seit dem Vorjahr verbreitet er auch im EU-Parlament pseudowissenschaftliche Spins. Mitte Juni luden FPÖ und die deutsche AfD zu einem „Fachsymposium“ mit dem Titel „Essentielles Lithium – Das unterdrückte Element für Denk-, Friedens- und Demokratiefähigkeit in Europa“. Ergebnis war, dass ein gemeinsamer Antrag eingebracht wurde. Mit dem Ziel, „Lithium als lebenswichtiges Spurenelement einzustufen und das derzeitige Verbot, es in Form von Nahrungsergänzungsmitteln in Umlauf zu bringen, aufzuheben“.

Ein Mangel an essenziellen Elementen führt zu Krankheiten. Lithium zählt nicht dazu. Das Element ist für den Menschen nicht lebensnotwendig, somit  wird es als Ultraspurenelement definiert.

Nicht immer macht die Dosis das Gift, sondern es hängt auch von der Art der Einnahme ab. So wie Kochsalz kann auch Lithium als Salz (genauer gesagt als Carbonat) in Wasser gelöst werden. In dieser Form kann es vom Körper metabolisiert werden. Dann sind aber bereits kleine Mengen toxisch. Lithium ist in sehr geringen Dosen ein Arzneimittel, kein Nahrungsergänzungsmittel. 

Doch was hat es mit den positiven Effekten von Lithium auf sich, von denen FPÖ-Mann Hauser berichtet? Kann das Element Demenzerkrankungen verringern und Suizide verhindern, wie er behauptet?

Ob Lithium eine positive Auswirkung zur Vorbeugung von Demenzerkrankungen oder auf die Suizidrate hat, ist Gegenstand von Studien und wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt, so die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf Anfrage von profil. Eine Studie zu Suizidraten in 1043 Schweizer Gemeinden über den Zeitraum von 1981 bis 2021 zeigte keinen signifikanten Effekt.

Tatsächliche Anwendung findet Lithiumsalz als Langzeitvorbeugung gegen manische Episoden im Rahmen von bipolaren Störungen. Dafür muss die Dosierung „dem klinischen Ansprechen individuell“ angepasst werden und darf nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden. In Österreich sind zwei lithium-haltige Arzneimittel (Wirkstoff: Lithiumcarbonat) zugelassen.

Manche Menschen reagieren auf Lithium empfindlich, sie können bereits bei üblichen therapeutischen Konzentrationen Vergiftungserscheinungen zeigen. Folgen sind Schwindel, Zittern, Krampfanfälle, Herzrhythmusstörungen oder Niereninsuffizienz.

In der Aussendung bezieht sich Hauser auf die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) und den sogenannten NOAEL, den „No Observed Adverse Effect Level“. Dabei handelt es sich per Definition um die Höchstdosis, die nicht toxisch oder schädlich ist, so die AGES. Der Wert liegt für die Langzeitbehandlung von bipolaren Störungen mit Lithium, verabreicht als Carbonat, oral eingenommen bei 1,2 mg Lithium pro Körpergewicht pro Tag. Das von FPÖ und AfD vorgeschlagene 1 mg Lithium liegt darunter. Die Datenlage sei aber unzureichend, um die Auswirkungen einer niedrigen Dosis adäquat einschätzen zu können, dafür bräuchte es klinische Studien, heißt es aus der AGES. „Das Risiko eines vorsätzlichen Missbrauchs oder einer versehentlichen Vergiftung aufgrund von Wechselwirkungen im Magen-Darm-Trakt müsse hier in Betracht gezogen werden.“

Hausers „Belege“ veraltet

Auf Nachfrage von profil legt Hauser verschiedene Artikel vor. Einer der grundlegenden Texte seiner Argumentation aus dem Jahr 2002 sei veraltet und auch keine Studie, so die Einschätzung der Ärztin Jana Meixner von der Factchecking-Plattform Medizin Transparent. In diesen Texten gehe es um Lithium bei Ratten und Ziegen, von Menschen sei kaum die Rede. Hauser verweist auch auf ein Buch, das im Shop des Verschwörungsmediums „AUF1“ verkauft wird. Auch dessen Autor bezieht sich auf den Text aus dem Jahr 2002 und Forschung aus den 1950er-Jahren. Lithium sei für den Menschen nicht irrelevant, deshalb müsse es als essenziell betrachtet werden, bis zum Beweis des Gegenteils, so der FPÖ-Politiker auf Anfrage von profil.

Das Vorhandensein von Stoffen im menschlichen Körper sage nichts über dessen Lebensnotwendigkeit aus, so die AGES abschließend. Jedes menschliche Gewebe enthalte Kontaminanten wie Blei oder Quecksilber, ohne dass die Substanz eine lebenswichtige physiologische Funktion ausüben würde. 

Unabhängig davon urteilt Meixner, dass Lithium abseits der erprobten medizinischen Anwendungen „ein Gift bleibt und das wird es hoffentlich nicht im Einzelhandel als Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen geben“.

Warum ist Lithium als Nahrungsergänzungsmittel verboten?

Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel wie Wasser müssen für die gesamte Bevölkerung, also auch für Säuglinge und Kranke, sicher sein. Würde Trinkwasser mit Lithium angereichert, dann wäre es für sensible Personengruppen wie Kinder, Schwangere, nierenkranke Personen oder Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen ungeeignet, heißt es aus der AGES.

Fazit

Lithium ist kein essenzielles Element. Die behauptete Wirkung gegen Demenz ist wissenschaftlich  nicht belegt. Bereits geringe Mengen können toxisch wirken.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.