zu sehen sind Flugzeuge der Airlines Ryanair und Laudamotion am Flughafen Wien
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Ryanair und die Bundesländer kämpfen gegen die Flugabgabe – Zurecht?

ÖVP-Landesrat Markus Achleitner behauptet, Österreichs Flugabgabe sei so hoch wie sonst kaum irgendwo. Österreich liegt zwar im oberen Mittelfeld, wenn es um die Höhe der Steuer geht – Schuld an den Problemen des Flughafens Linz ist sie aber nicht.

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Die Flugabgabe ist in Österreich so hoch wie sonst kaum irgendwo.

Markus Achleitner (ÖVP), Wirtschaftslandesrat Oberösterreich

news.orf.at, 28.11.205

Irreführend

Für 30 Euro von Wien nach Venedig, um 44 Euro nach Barcelona oder um knapp 50 Euro nach Kopenhagen: Schnäppchenjäger wissen, wie man mit der Billigfluglinie Ryanair von Wien aus Kurztrips durch halb Europa organisiert. Dieses Angebot könnte sich aber schon bald reduzieren. Ryanair hat bereits fünf Flugzeuge aus Österreich abgezogen. Schuld daran seien laut dem Chef der irischen Fluglinie Michael O'Leary „Sleepy Stocker“ und „Hopeless Hanke“ – gemeint sind Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ). Denn sie seien nicht bereit, die Flugabgabe abzuschaffen. Diese beträgt in Österreich zwölf Euro pro Passagier und fällt bei Flügen über 350 Kilometer an. Ryanair sei bereit, eine Milliarde Dollar zu investieren, vorausgesetzt, die österreichische Regierung schafft ihre Flugsteuer ab.

Die Regierung gerät aber nicht nur durch die Billigairline unter Druck – mittlerweile haben sich auch alle neun Tourismuslandesrätinnen und -räte für die Abschaffung der Flugabgabe ausgesprochen. Laut dem oberösterreichischen Landesrat Markus Achleitner (ÖVP) ist sie „in Österreich so hoch wie sonst kaum irgendwo“. Und „diese Tatsache schwäche damit Flughäfen wie etwa Linz, Salzburg, Klagenfurt und auch Innsbruck.“ Aber stimmt das?

Laudamotion-Managing-Director Andreas Gruber und Ryanair Konzernchef Michael O'Leary, im Rahmen einer Pressekonferenz von Ryanair am Dienstag
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Ryanair kämpft gegen Luftverkehrssteuer

Michael O'Leary (re.), Chef der irischen Fluglinie, läuft gegen die zwölf Euro hohe Flugabgabe in Österreich Sturm. Ryanair sei bereit, eine Milliarde Dollar zu investieren, vorausgesetzt, die österreichische Regierung schafft diese Steuer ab. Dies steht derzeit aber nicht zur Debatte, heißt es aus dem Büro des Verkehrsministers Peter Hanke (SPÖ).

Die Misere in Linz

Es ist nicht der erste Vorstoß aus Oberösterreich. Bereits Ende September hat Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) gefordert, dass die Flugabgabe künftig nicht mehr vom Bund, sondern von den Ländern eingehoben werden soll. Dann könnten die Länder auch selbst über deren Höhe oder Abschaffung entscheiden. Hintergrund für den Wunsch aus Oberösterreich sind die Turbulenzen am Flughafen Linz Hörsching. Die Flughafen Linz GmbH steckt seit Jahren in den roten Zahlen. Das Unternehmen gehört je zur Hälfte dem Land und der Stadt Linz und betreibt den zivilen Teil des Flughafens. Zuletzt positiv bilanziert wurde 2019, auch die Rücklagen – eigentlich für die anstehende Pistensanierung zur Seite gelegt – sind so gut wie aufgebraucht.

Um über die Gewinnschwelle zu kommen, müssten rund 500.000 Passagiere jährlich in Linz Hörsching abgefertigt werden. Von diesen Zahlen ist man in Oberösterreich aber weit entfernt. Waren es 2008 noch 800.000 Passagiere, halbierte sich die Zahl der Reisenden bis 2019 fast auf rund 436.000. Im Vorjahr waren es nur noch etwa 180.700.

Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist laut dem oberösterreichischen Landesrechnungshof vor allem die Lage zwischen den Großflughäfen München und Wien. Dazu kommt die verschärfte Konkurrenz durch den Bahnausbau. Auch der Wegfall der wichtigen Verbindung nach Frankfurt spielte eine Rolle, ebenso wie etwa die Auswirkungen geopolitischer Krisen seit dem Jahr 2020, wie etwa die Coronapandemie. All das führte laut Landesrechnungshof zu einem kumulierten Verlust von 36,8 Millionen Euro bis 2024. Die Zwölf-Euro-Flugticketabgabe wird im Papier der Prüfstelle als eine der externen Marktbelastung diskutiert, zu den Hauptgründen gehört sie aber nicht.

Dennoch ist das Ziel aller neun Bundesländer klar: Diese Steuer muss weg. Regionalflughäfen seien eine wichtige Verkehrsinfrastruktur und für Wissenschaft und Tourismus eine unverzichtbare Anbindung an die großen Drehkreuze der Welt, sind die Verantwortlichen in den Bundesländern überzeugt.

Österreich im oberen Mittelfeld

„Dass diese Abgabe in Österreich so hoch ist, wie in kaum einem anderen Land, stimmt aber sicher nicht“, sagt Oliver Fritz, Tourismusökonom vom österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Laut der gemeinsamen Task Force der Staaten Barbados, Frankreich und Kenia, die sich anlässlich der Weltklimakonferenz im Jahr 2023 gegründet hat, gibt es in insgesamt 52 Ländern weltweit Flugabgaben. Expertinnen und Experten sehen derzeit einen Trend: einige Länder sind dabei, diese abzuschaffen oder zu reduzieren – um die Wirtschaft im eigenen Land anzukurbeln.

So hat etwa Schweden seine Steuer mit 1. Juli 2025 abgeschafft. Zuvor wurden je nach Flugdistanz zwischen sieben und 45 Euro pro Person fällig. Auch Deutschland hat angekündigt, die Abgabe Mitte 2026 zu reduzieren – derzeit beträgt sie 15,53 Euro. Anders in Frankreich: Dort stieg die Steuer von zuvor 2,63 auf 7,40 Euro. Höher als in Österreich ist die Flugabgabe derzeit in den Niederlanden (29,30 Euro), im Vereinigten Königreich (circa 15 Euro) und auch (noch) in Deutschland.

Generell sei ein Vergleich zwischen den Ländern gar nicht so einfach, sagt Wifo-Experte Fritz: „Oft spielt die Entfernung eine Rolle. In Österreich ist die Kurzstrecke höher besteuert, in manchen anderen Ländern wird die Langstrecke höher besteuert.“ Hinzukommen Unterschiede zwischen Business und Economy sowie verschiedene Abgabemodelle, die einfache Vergleiche erschweren. Stellt man diesen dennoch an, liegt Österreich weder an der Spitze noch am unteren Ende, sagt Wifo-Experte Fritz, der mit Deutschland und Großbritannien auf Staaten verweist, in denen die Steuer knapp höher ausfällt. Und auf die Niederlande, wo diese mit fast 30 Euro mehr als doppelt so hoch ist als in Österreich. „Wir reihen uns hier im oberen Mittelfeld ein“, so der Wirtschaftsforscher.

Was bringt die Flugabgabe?

Das Problem besteht im Zielkonflikt zwischen Tourismus und Klimaschutz. Am Urlaubsort selbst kann klimaschädliches CO2 durch Maßnahmen wie Gebäudesanierungen eingespart werden. Aber der größte Teil der Emissionen entsteht nach wie vor bei der An- und Abreise. Und dabei schneidet das Flugzeug im Vergleich mit allen anderen Verkehrsmitteln am schlechtesten ab.

Eine Studie aus Spanien, veröffentlicht im November 2023, hat erforscht, welche Einflüsse eine Flugticketabgabe in Europa auf Flüge von Fluggesellschaften hat und wie es um die daraus resultierenden CO2-Emissionen steht. Die Ergebnisse: Solche Abgaben reduzieren vor allem das Angebot und die Emissionen von Low-Cost-Fluggesellschaften wie Ryanair. Bereits Steuersätze zwischen fünf und 15 Euro zeigen eine signifikante Wirkung. Eine Erhöhung um jeweils einen Euro könne demnach zu einem Rückgang der Flüge um etwa ein Prozent führen. Wie wirksam die Maßnahme wirklich ist, hängt jedoch sehr stark davon ab, ob die Abgaben an die Reisenden weitergegeben werden – und wie preissensibel die Passagiere sind.

Und aus der Studie erklärt sich auch, warum Billigflugairlines wie Ryanair so laut dagegen protestieren: Je günstiger ein Ticket bereits ist, desto höher ist der Einfluss der Steuern auf den Preis. Bei Low-Cost-Carriern, die mit billigsten Tickets ihre Flieger füllen, liegt der Einfluss der Steuer auf den Ticketpreis zwischen 30 und 66 Prozent. Bei höheren Ticketpreisen sind es nur vier bis 41 Prozent.

Warum Ryanair Druck macht

Die stärksten Auswirkungen haben solche Flugabgaben also auf jene Passagiere, die nur dann fliegen, wenn ein Flug zu billigsten Preisen angeboten wird. In der Wissenschaft wird hier von „vermeidbaren Flügen“ gesprochen – gemeint sind Reisen, die nur stattfinden, weil Fliegen sehr günstig und bequem ist, obwohl es gleichwertige Alternativen gibt. Ganz anders sehen das naturgemäß die Airlines, die diese Tarife anbieten. Sie würden gerne mehr solcher „avoidable flights“ durchführen. Und mittlerweile auch die österreichischen Landespolitikerinnen und -politiker: Sie erhoffen sich positive Einflüsse auf Nächtigungen und Konsumausgaben in ihren Bundesländern.

Umsetzen müsste eine solche Streichung der Flugabgabe Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) – freilich unter Abstimmung mit seinem Parteikollegen und Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ). Hankes Sprecher verweist gegenüber profil zwar auf ein Übereinkommen im Regierungsprogramm, in dem sich ÖVP, SPÖ und Neos auf die „Anbindung Österreichs an den internationalen Luftverkehr“ verständigt haben. Eine mögliche Evaluierung der staatlichen Flugabgabe könne aber nur in Hinblick auf die budgetäre Situation geschehen. Und weil diese nach wie vor äußerst angespannt ist, „ist eine gänzliche Streichung der Flugabgabe, wie seitens der Tourismuslandesrät:innen gefordert, ausgeschlossen“, heißt es aus Hankes Büro auf profil-Nachfrage.

In den ersten neun Monaten dieses Jahres machten die Einnahmen aus der Flugabgabe laut Finanzministerium 126,5 Millionen Euro aus. Im Jahr 2024 waren es laut Statistik Austria rund 168 Millionen Euro. Einnahmen, auf die der Staat derzeit nicht verzichten möchte.

Dass der Verkehrsminister selbst aber nicht allzu viel von der Steuer hält, lässt sein Sprecher in der Antwort an profil ebenfalls anklingen. „Für die Senkung der CO2-Emissionen und die Dekarbonisierung der Luftfahrt spielen die Sustainable Aviation Fuels (synthetisch hergestellte Kraftstoffe; Anm.) eine wichtige Rolle“, heißt es aus dem Büro des Verkehrsministers. Wunschdenken, meint der Wirtschaftsforscher Fritz: „Das große Problem ist, dass klimaneutraler Flugverkehr noch Lichtjahre entfernt ist. Dass wir in zehn oder fünfzehn Jahren alle klimaneutral fliegen, ist eine Annahme der eFuel Alliance (der Branchenvertretung; Anm.), die Forschung gibt dieses Szenario derzeit nicht her“, so Fritz.

Aber wie kam es aber nun zur Aussage des oberösterreichischen Wirtschaftslandesrats? Achleitners Pressesprecher selbst verweist auf eine Presseaussendung, die im Rahmen der Landestourismusreferentinnen und -referenten in Sölden vergangene Woche an Medienvertreterinnen und -vertreter übermittelt wurde. Darin zählt Achleitner auch – mit Ausnahme vom Vereinigten Königreich – die Länder auf, in denen die Abgabe höher ist als in Österreich. Nur: bei der Pressekonferenz selbst hat er seine Aussage mit Zahlen nicht untermauert, bestätigt der anwesende Redakteur der Austria Presse Agentur (APA), dessen Meldung später auf news.orf.at erschienen ist. „Womöglich war es auch nur eine etwas flapsige Nebenbemerkung“, so der Redakteur, „dennoch: Sie ist im Rahmen der Pressekonferenz genau so gefallen“, bestätigt der anwesende Journalist. An der Forderung, die Abgabe abzuschaffen, hält Achleitner fest. Dies sei eine zentrale Maßnahme, den Flughafen Linz zu stärken. Denn: künftig soll auch in Linz intensiver mit Low-Cost-Carriern zusammengearbeitet werden.

Fazit

Die Aussage des oberösterreichischen Wirtschafts- und Tourismuslandesrats Markus Achleitner im ORF-Artikel ist irreführend. Es handelt sich dabei um eine stark zugespitzte Aussage, die suggeriert, dass Österreich zu den absoluten Spitzenreitern gehört, wenn es um die Höhe der Flugabgabe geht. Das ist unrichtig, mit zwölf Euro liegt Österreich im oberen Mittelfeld europäischer Flugabgaben – Länder, in denen die Abgabe höher und teils auch sehr viel höher ausfällt, gibt es aber sehr wohl. Für die wirtschaftlichen Probleme des Flughafens Linz Hörsching ist die Steuer jedoch nur ein Aspekt von vielen. Vor allem die gut angebundene Drehkreuze Wien und München setzen Regionalflughäfen im Osten und Westen Österreichs mitunter stark unter Druck.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.