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Rapid: Die Wahl als Qual

Drei Fans beratschlagen seit Wochen gemeinsam mit drei Funktionären, wer zur Rapid-Präsidentenwahl antreten darf – und wer nicht. Gesprochen darf darüber nicht werden. Einblick in eine Groteske.

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„Ich mache mir Sorgen um meine Rapid“, betont ein ehemaliger Rapid-Spieler gegenüber profil, „wir werden geführt wie ein Kleingartenverein.“ Der populärste Klub des Landes steckt derzeit im Vorspiel zur Wahl eines neuen Präsidenten fest, das seit Monaten andauert. Dabei hätte das 45 Millionen Euro-Unternehmen Rapid (nach dem Europacup-Aus und dem aktuell neunten Platz in der Liga) dringend Handlungsbedarf. Doch die Mühlen des Vereins – der von Satzungen und Bürokratie, von zahlreichen Gremien, verfeindeten Lagern und Machtkämpfen dominiert wird – mahlen langsam.

Seit wenigen Tagen muss Sportdirektor Zoran Barisic neben seinem Manager-Job zusätzlich als Trainer einspringen – denn: einen neuen Coach will und kann derzeit niemand mit ruhigem Gewissen verpflichten. Der Hintergrund: Ende August haben Fans nach der Europacup-Pleite gegen den FC Vaduz die VIP-Tribüne gestürmt und Präsident Martin Bruckner zum Rücktritt bewogen – die Entscheidungsgewalt des Rapid-Oberhauptes ist seitdem auf ein Absitzen seiner Amtsperiode geschrumpft. Erst am 26. November wird sein Nachfolger gewählt. Drei Monate also, die vom taumelnden SK Rapid eines verlangen: abwarten.

Hinter den Kulissen werden derweil Kandidaten für die Präsidentenwahl gesichtet und deren Zulassung beratschlagt. Schon das Auswahlprozedere zeigt, warum der Traditionsverein auf der Stelle tritt – sportlich, und viel mehr noch: strukturell. Drei Fans sondieren seit knapp zwei Monaten gemeinsam mit drei Funktionären, wer antreten darf – und wer nicht. Die Wahl wird zunehmend zur Qual.

Hinter verschlossenen Türen wird sondiert, gefeilscht und „gepackelt“, wie ein Kandidat gegenüber profil formuliert. An die Öffentlichkeit soll davon nichts dringen – das wurde vom Wahlkomitee so festgelegt. In einer Aussendung wurde den Kandidaten „dringend“ empfohlen, von „Veröffentlichungen im Zusammenhang mit einer Bewerbung Abstand zu nehmen“. Ein „Zuwiderhandeln“, so wurde gemahnt, müsste das Wahlkomitee „in seiner Beurteilung entsprechend würdigen“. Sprich: Wer sich den Maulkorb herunterreißt, muss mit einem Ausschluss rechnen.

Um die Vorgehensweise verstehen zu können, muss man eines wissen: Rapid ist ein zerstrittener Haufen. Funktionäre, Fangruppen und Angestellte misstrauen einander. Die Gräben verlaufen quer durch den Klub. Und davon ist auch die Wahlvorbereitung geprägt.

Da wäre einerseits Fußballgott Steffen Hofmann, der im Verein als Sportkoordinator angestellt ist, im Hintergrund aber an einer eigenen Präsidentschafts-Liste gebastelt hat – gegen seine Förderer aus der amtierenden Führungsriege. Um ihn herum zieht Milliardär Michael Tojner die Fäden, der als Sponsor des Rapid-Trainingszentrums im Verein ebenso gut vernetzt ist.

Bei der Vorausscheidung zur Präsidentenwahl treffen nun zwei verfeindete Lager aufeinander. Auf der einen Seite: die Revolutionsführer Hofmann und Tojner, die mit Ex-ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz als Spitzenkandidaten ins Rennen gehen. Auf der anderen Seite: das aktuelle Präsidiumsmitglied Stefan Singer, Teil der amtierenden Führungsetage. Brisanz kommt dabei dem Wahlkomitee zu, das zu Neutralität und Objektivität verpflichtet ist, aber eigentlich mittendrin steckt – im Kampf um Hütteldorf.

Im Wahlkomitee sitzen sechs Männer: Nikolaus Rosenauer (amtierender Vizepräsident und damit Vertreter des geschassten Lagers), Gerald Neuber und Erich Haider aus dem Vereins-Kuratorium – sowie die drei Fans Jürgen Hampel, Christopher Neundlinger und Paul Österreicher.

Die Besetzung ergibt spannende Konstellationen und schiefe Optiken: So muss Vizepräsident Rosenauer ausgerechnet jene Liste um Fußballgott Hofmann nüchtern bewerten, ohne deren Auftreten er auch künftig seinen Platz in der Führungsetage gehabt hätte. Und mit Wahlkomitee-Mitglied Gerald Neuber urteilt ein Aufsichtsrat der Casino Austria AG über Alexander Wrabetz, der als Aufsichtsrat des Casino Austria-Tochterunternehmens Österreichische Lotterien fungiert.

Großen Einfluss hat zudem der mächtige Rapid-Anhang. Der neue Präsident wird von Rapid-Mitgliedern gewählt, also von Fans, die drei Jahre lang hundert Euro Mitgliedsbeitrag einbezahlt haben. Doch dem nicht genug: Die Anzahl der Fan-Vertreter im sechsköpfigen Wahl-Komitee wurde vor einigen Jahren von zwei auf drei erhöht. Sprich: Ohne Zustimmung der Fans kann niemand zur Präsidentenwahl zugelassen werden.

Und genau dort wird gerade unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesiebt. Sechs Listen hatten sich Anfang September um die Rapid-Präsidentschaft beworben – nur zwei sind Ende Oktober noch übrig. Das ist im Sinne des Wahlkomitees. „Es muss unser Ziel sein, auf eine Liste zu fusionieren“, betont Erich Haider, 77, ehemaliger Geschäftsführer von Rapid-Hauptsponsor Wien Energie und Vorsitzender des Wahlkomitees gegenüber profil.

Rapid rühmt sich zwar, ein demokratischer Verein zu sein – doch Auswahl möchte man den Mitgliedern am Wahltag keine geben. Und das sogar legitimiert durch die eigene Vereins-Satzung. „Die Väter der Satzung“, so betont Haider, „wollten nicht, dass Streit entsteht“ – deshalb wurde festgehalten, die Wahlmänner mögen „nach Möglichkeit eine Liste zur Wahl zulassen“.

Dieses Vorhaben beeinflusst die Vor-Auswahl. Zwei Listen-Vertreter berichten profil, dass ihnen vom Wahlkomitee schnell nahegelegt worden sei, ihre Bewerbung doch besser zurückzuziehen. Das Wahlkomitee wolle keinen Wettbewerb der Ideen forcieren, heißt es, sondern bloß einen Hahnenkampf vermeiden. Manch Kandidat wähnte sich bei der Anhörung vor den Wahlmännern laut profil-Informationen „in einem Kreuzverhör“. Der Komitee-Vorsitzende Haider schüttelt den Kopf: „Wenn verschiedene Fragesteller an eine Gruppe Fragen richten, dann wird das schnell als Kreuzverhör wahrgenommen, ist aber in Wirklichkeit ein Hearing“. Ob die Kandidaten vom Wahlkomitee objektiv bewertet werden? „Soweit man das überhaupt interessenbefreit führen kann, läuft es interessenbefreit ab“, erklärt Haider.

Interessen gibt es beim SK Rapid blöderweise zuhauf – und die Giftpfeile fliegen dabei tief: Einem Bewerber wurde unterstellt, das vorgelegte Konzept in großen Teilen abgeschrieben zu haben, worauf dieser mit einer Klage wegen Verleumdung drohte. Und einige Wahlmänner sollen Milliardär Tojner aufgrund seiner anstehenden Gerichtsverfahren (es gilt die Unschuldsvermutung) nicht in einer offiziellen Vereinsfunktion sehen wollen.

Selbst an Rapid-Legende Michael Hatz (der für die Liste des amtierenden Präsidiumsmitglieds Singer antritt) scheiden sich die Geister. So soll sich manch SPÖ-naher Funktionär an dessen Job in der Sportabteilung der ÖVP-geführten niederösterreichischen Landesregierung stoßen. Schließlich wurde der Arbeiterverein Rapid einst von gewichtigen Sozialdemokraten wie dem Gewerkschafter Anton Benja oder Ex-Finanzminister Rudolf Edlinger geführt. Ein guter Draht zur Stadt Wien und zu Hauptsponsor Wien Energie sind auch heute noch essentiell; bei einer Million Rapid-Sympathisanten sind Partei-Interessen allgegenwärtig.

Am 4. November will man verkünden, wer zur Wahl antritt. Oder besser gesagt: antreten darf. Einige Bewerber nahmen sich praktischerweise selbst aus dem Rennen: So sollen zwei Kandidaten in pensionsreifem Alter auch an der technischen Ausrüstung für eine Konzept-Präsentation gescheitert sein.

Ob eine oder zwei Listen antreten werden, ist noch unklar: Die Favoriten um Fußballgott Hofmann sollen laut profil-Informationen kein rechtes Interesse an einer Fusionierung zeigen; Gegenkandidat Singer könnte sich eine Zusammenführung vorstellen. Ein wenig im Spiel ist noch Markus Posset, Medienmanager und Honorarkonsul von Albanien, der seine Bewerbung nach der Konzept-Präsentation etwas verärgert zurückgezogen hat. „Die Fanvertreter im Wahlkomitee waren engagiert“, betont er gegenüber profil, „aber die Funktionäre haben wie Nimbus-Äffchen agiert, wo einer nichts sieht, einer nichts hört und einer nichts spricht. Objektivität sieht anders aus.“ Posset versucht nun bei den verbliebenen Listen anzudocken. Eines seiner Argumente: Kontakte zum kroatischen Fußballstar Davor Suker, dessen Netzwerk Rapid beim Scouting nach Spielern helfen soll.

Hilfe hat der Verein generell dringend nötig. Am Wochenende hat Rapid wieder einmal verloren: 0:1 gegen Austria Klagenfurt. Auch das Unternehmen Rapid präsentiert sich schwerfällig. Warum selbst die Vorauswahl zur Präsidentenwahl so lange dauert? „Es ist gar nicht so einfach, für zehn bis fünfzehn Personen Termine für Hearings zu finden“, erklärt Wahlkomitee-Chef Haider. Auch mit der Satzung des Vereins wird argumentiert – so müssen von Termin-Bekanntgabe bis zur Abhaltung der Präsidentenwahl vier Wochen verstreichen. Ob man den Wahltermin früher hätte festlegen können? „Theoretisch ja“, sagt Haider, „aber auch hier musste ein idealer Termin gefunden werden, was nicht so einfach ist.“

Am 26. November soll sie dann tatsächlich stattfinden, jene Wahl, die drei Monate lang vorbereitet wird, „nach Möglichkeit“ keine Auswahl bietet – und über die bis jetzt nicht gesprochen werden darf. Zwar wurden Köpfe genannt, aber bis heute keine Inhalte darüber, welche Wege Rapid künftig beschreiten könnte. An den Maulkorb hält sich auch Jürgen Hampel, Fan-Vertreter im Wahlkomitee, der auf profil-Nachfrage nichts sagen möchte. Im Fan-Forum „Austrian Soccer Board“ dagegen ließ sich Hampel nach Kritik am Wahl-Prozedere doch zu einem Kommentar hinreißen: „Ich sehe weder einen Zeitverzug, noch eine Möglichkeit oder Notwendigkeit schneller zu sein“, schrieb der Rapid-Anhänger, der aktuell als Rapid-Entscheidungsträger fungiert.