vlnr: Isabel Frey, Emanuel Salvarani, Milli Li Rabinovici, Boris Kandov
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Was der 7. Oktober mit uns gemacht hat

Zwei Jahre nach dem Überfall der Hamas erzählen vier junge Wiener Jüdinnen und Juden, wie sie der Gaza-Krieg verändert hat.

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„Vielleicht ist die Zeit gekommen, unsere Zelte abzubrechen“

Boris Kandov, 35, Jurist

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Meine Familie war nie besonders fromm, unser Essen war nicht immer koscher und wir haben auch am Schabbat manchmal den Fernseher aufgedreht, was man ja eigentlich nicht darf. Ab und zu gehe ich samstags in der Früh in die Synagoge und als nicht besonders religiöser Mensch schaue ich auch am Schabbat auf mein Handy. So auch am 7. Oktober 2023. Viele Orthodoxe haben erst am Abend erfahren, was in den Morgenstunden passiert ist.

Eine entfernte Verwandte von mir wurde am 7. Oktober getötet. Als die Hamas einfiel, patrouillierte sie als Soldatin an der Grenze zu Gaza. Sie war erst 18 Jahre alt. Ich weine selten, aber da habe ich geweint und selbst jetzt, wenn ich darüber rede, kommen mir die Tränen. Ich war erschüttert, wie viele Menschen, vor allem auch online, die Taten der Hamas als Befreiungsschlag verherrlicht haben. Einige meiner Kontakte habe ich seither abgebrochen.

Was in den vergangenen zwei Jahren in Gaza passiert ist, ist schlimm, aber es als Genozid zu bezeichnen ist ein schwerer und meist absolut unreflektierter Vorwurf. Und abgesehen davon kenne ich keinen Juden, der einen Genozid möchte. Warum sollten wir das wollen? Wir als Juden haben ihn selbst erlebt.

Nina Brnada

Nina Brnada

Redakteurin im Österreich-Ressort. Davor Falter Wochenzeitung.