Ein Maulwurf in der DSN
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Was hat der Maulwurf im Verfassungsschutz angerichtet?

Ein Staatspolizist soll Terrorverdächtigen Informationen über laufende Ermittlungen gesteckt haben. Groß geplante Aktionen gegen die islamistische Szene könnten torpediert worden sein. Für die Behörde, die gerade ihren Ruf saniert hat, ist das ein schwerer Schlag.

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Es ist schon wieder was passiert. In der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) wurde ein Maulwurf enttarnt, wie profil exklusiv erfuhr. Ein Mitarbeiter soll Verdächtige im Bereich islamistischer Terror über laufende Ermittlungen informiert haben. Am geschichtsträchtigen 7. Oktober, dem Tag, an dem die Hamas ein Massaker in Israel verübte, gab es bei dem in Verdacht stehenden Staatspolizisten eine Razzia. Er wurde kurzzeitig verhaftet und vorläufig vom Dienst suspendiert.

Das Innenministerium bestätigt die profil-Recherchen: „Die Person wurde identifiziert, da es zu Auffälligkeiten im Zusammenhang mit der Verbindung zu einer verfassungsfeindlichen Gruppierung kam. Nach intensiver Beobachtung dieser Auffälligkeiten ergaben sich Erkenntnisse, die eine Suspendierung notwendig machten. Zum aktuellen Zeitpunkt werden die Hinweise weiterhin umfassend untersucht und der Staatsanwaltschaft berichtet“.

Hinter den nüchternen Worten steckt eine brisante Geschichte: Der Mann ist Mitte 30, hat Migrationshintergrund und arbeitet erst seit etwa einem Jahr bei der DSN – dorthin wurde er auf eigenen Wunsch von der Polizeidirektion Wien versetzt. Nach internen Leaks in der jüngeren Vergangenheit hatte die DSN die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt und überprüft neue Mitarbeiter besonders genau. Der neue Kollege fiel auf, er verhielt sich ungewöhnlich, schließlich zeigt die Überwachung: Er hatte offenbar Verbindungen zu  Vertretern der Muslimbruderschaft. Das ist eine der größten muslimischen Strömungen, die ihren Ursprung in Ägypten hat und heute in der gesamten arabischen Welt verbreitet und zu einem wichtigen politischen Player geworden ist. 

Ihr Ziel: eine Islamisierung der Gesellschaft, die Grundprinzipien einer Demokratie und einer liberal-pluralistischen Lebensweise doch entgegensteht. Die Muslimbruderschaft zählt zum legalistischen Islamismus, der normalerweise gewaltfrei und im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung agiert. Aus der Muslimbruderschaft gehen immer wieder terrorähnliche oder terroristische Gruppen hervor. Die wohl berühmteste: die Hamas.

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Die Ermittler begannen, sein Verhalten, seine Abfragen und seine Interessen genau zu prüfen – und entdeckten, dass er auch systematisch versucht hatte, seine wahren Absichten zu verschleiern und die Sicherheitsüberprüfung zu bestehen. Als ausreichend Beweise vorlagen, meldete die DSN den Vorfall der Staatsanwaltschaft und entfernte den mutmaßlichen „faulen Apfel“ sofort aus dem Dienst. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Steigende Gefahr durch Islamismus

Die DSN hat schnell reagiert – man kann ihr da wenig vorwerfen. Doch der Fall ist brisant. Die Gefahr durch islamistischen Terror ist in Europa seit der großen Flüchtlingswelle 2015 erheblich gestiegen, verschärft durch den Krieg in Gaza. Viele der syrischen Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren nach Europa kamen, sind eigentlich Palästinenser, die zuvor in syrischen Flüchtlingscamps gelebt haben. In Teilen der Bevölkerung ist die Emotionalität in Bezug auf den Nahostkonflikt entsprechend hoch – und das spiegelt sich auch in den Statistiken zu islamistisch motivierten Vorfällen wider.

Allein im Jahr 2024 stiegen die Tathandlungen laut Verfassungsschutzbericht um 40 Prozent. Seit 2023 liegt die Terrorwarnstufe konstant auf „hoch“. Für Jüdinnen und Juden ist die Gefahr massiv gewachsen – Antisemitismus-Vorfälle nehmen in ganz Europa zu. Die Eskalationsstufen reichen von Anfeindungen über Gewalt bis hin zu Terror. Der Verfassungsschutzbericht bringt es auf den Punkt: „Der terroristische Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist ein zentraler Faktor für die seit Ende 2023 beobachtete Zunahme konkreter Bedrohungen. Die darauffolgende Serie von Anschlagsplanungen und Terroranschlägen in Europa setzte sich 2024 fort.“

Allein im Jahr 2024 stiegen die islamistisch motivierten Tathandlungen laut Verfassungsschutzbericht um 40 Prozent.

Verfassungsschutzbericht

Einige der jüngsten Vorfälle: Am 2. Oktober 2025 kommt es während des jüdischen Feiertages Jom Kippur in Manchester, Großbritannien, zu einem Anschlag. Ein Mann fuhr mit seinem Auto in eine Menschenmenge, bevor er vor einer Synagoge Menschen niederstach. Drei Personen kamen ums Leben. Der Mann, ein islamistischer Terrorist, wird um 9:38 Uhr von der Polizei getötet.

Berlin, 1. Oktober. Drei mutmaßliche Hamas-Mitglieder werden verhaftet. Es handelt sich dabei um einen 36-jährigen Deutschen libanesischer Herkunft, einen 43-jährigen gebürtigen Libanesen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit, sowie einen 44 Jahre alten Deutschen, der aus Syrien stammt. Sie sollen von der Hamas beauftragt worden sein, Waffen und Munition zu beschaffen. Bei der Festnahme finden die Ermittler mehrere funktionsfähige Waffen, darunter eine Pistole der Marke Glock, ein Sturmgewehr des Typs AK 47, sowie einen Berg an Munition. Sie sollten Anschlägen auf jüdische und israelische Einrichtungen dienen, wie Ermittlungen zeigen. Es ist wohl das erste Mal, dass die Hamas tatsächlich Terroranschläge auf europäischem Grund und Boden geplant hat. Bisher wurde in Europa vor allem Geld gesammelt – und gewaschen. Die in Berlin Festgenommenen standen jedenfalls schon seit Längerem im Fokus der Ermittlungen, an denen Österreich ebenso beteiligt war wie der israelische Geheimdienst Mossad.

Immer wieder Österreich

Warum Österreich? Die DSN fand heraus, dass die Waffen von Schweden aus organisiert und über Routen beschafft und transportiert wurden, die auch über Österreich gingen. Das ist nicht sonderlich verwunderlich. Österreich gilt schon länger als ein Hub der Hamas. Die USA gehen noch einen Schritt weiter. Wie profil exklusiv vor einem Jahr berichtete, hat das US-Finanzministerium am 7. Oktober 2024 Sanktionen über einen in Wien lebenden Palästinenser verhängt. Er wird von den US-Behörden und den Israelis als Führer der Hamas in Europa bezeichnet. Adel D. lebt in Wien und war Gründer der „Palästinensischen Vereinigung Österreich“ (PVÖ).

Anna Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.