Eine literarische Bescherung – 15 Empfehlungen
Inhalt Inhaltsverzeichnis
- 1. Lea Ypi: Aufrecht
- 2. Jonathan Coe: Der Beweis meiner Unschuld
- 3. Nelio Biedermann: Lázár
- 4. Peter Waterhouse: Z Ypsilon X
- 5. Verena Keßler: Gym
- 6. David Szalay: Was nicht gesagt werden kann
- 7. Manon Garcia: Mit Männern leben
- 8. Thomas Pynchon: Schattennummer
- 9. Maria Aljochina: Political Girl. Pussy Riot
- 10. Arlie Russell Hochschild: Geraubter Stolz
- 11. Marina Abramović: Durch Mauern gehen
- 12. Saša Stanišić: Mein Unglück beginnt damit, dass der Stromkreis als Rechteck abgebildet wird
- 13. Florian Rainer: Tagada
- 14. Ozan Zakariya Keskinkılıç: Hundesohn
- 15. Jehona Kicaj: ë
1. Lea Ypi: Aufrecht
Alles beginnt damit, dass die Philosophin Lea Ypi ein Foto ihrer Großeltern beim Aprés Ski im Italien der Vierzigerjahre findet. Was darauf folgt, ist eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ihrer Großmutter und den gesellschaftlichen und politischen Ereignissen, die deren Biographie prägten – von deutschen Nazisoldaten bis zum albanischen Enver-Hoxha-Regime. Dass Ypi die wahrscheinlich klügste Denkerin der Gegenwart ist, beweist sie in ihrem neuen Buch.
Lea Ypi: Aufrecht.
Suhrkamp.
389 S., 29,50 EUR
2. Jonathan Coe: Der Beweis meiner Unschuld
Sanft perlende Sätze, genüssliche zelebrierte Klischees, ein Figurenreigen wie aus dem Creative-Writing-Setzkasten – und trotzdem gelingt Coe, dem Meister des mittelenglischen, mittelständischen Milieuromans, mit diesem herrlich versponnenen Whodunit ein Meisterstück politischer Gesellschaftssatire. Agatha Christie meets Liz Truss, und alle fragen sich: Kann das denn wirklich wahr sein?
Jonathan Coe: Der Beweis meiner Unschuld.
Folio Verlag.
409 S., 29 EUR
3. Nelio Biedermann: Lázár
Um Nelio Biedermann kommt man derzeit nicht herum. Der 22-Jährige erzählt vom Ende der Habsburgerdynastie im 20. Jahrhundert und der grundsätzlicheren Frage, wie man denn nun leben soll. Die „Berliner Zeitung“ fasste seinen Schreibstil so zusammen: „Nelio Biedermanns Sätze sind so schön gebaut, dass sie leuchten.“
Nelio Biedermann: Lázár.
Rowohlt.
336 S., 25,50 EUR
4. Peter Waterhouse: Z Ypsilon X
Was sagt das, was wir konsumieren, über uns aus? Bin ich mein Bücherregal? Peter Waterhouse geht in seinem 2025 erschienen Magnum Opus abstrakt der Frage nach, wie sein Großvater trotz kriegskritischer Lektüre (Karl Kraus, Peter Altenberg und Co.) zentraler Akteur der österreichischen NS-Propaganda wurde.
Peter Waterhouse: Z Ypsilon X.
Matthes und Seitz Berlin.
1568 S., 60,50 EUR
5. Verena Keßler: Gym
Verena Keßler erobert in ihrem Roman das Fitnessstudio – zumindest literarisch. Es geht um eine Lüge, die die Protagonistin des Buchs auf absurde, aber durchaus auch witzige Weise in den Abgrund steuert.
Verena Keßler: Gym.
Hanser Berlin.
192 S., 24,50 EUR
6. David Szalay: Was nicht gesagt werden kann
Die europäische Odyssee seines Helden Istvan, der aus kleinen Verhältnissen in Ungarn stammt und sich in London die Karriereleiter hinaufmanövriert (oder eher: manövriert wird), erzählt der in Wien lebende britisch-ungarische Autor David Szalay, der für den Roman mit dem diesjährigen Booker Prize ausgezeichnet wurde, mit einer wundersam präzisen, unerbittlichen Klarheit. Zwischen klirrender Gefühlskälte und schierer Körperlichkeit steckt ein Trauma, über das sich nicht reden lässt. Oder doch?
David Szalay: Was nicht gesagt werden kann.
Verlag Claassen.
384 S., 26,50 EUR
7. Manon Garcia: Mit Männern leben
Kein Prozess hat die Welt 2024 so erschüttert wie der im Missbrauchsfall von Giséle Pelicot. Als Frau stellt man sich seitdem umso öfter die existenzielle Frage: Wie kann ich mit Männern noch leben? Garcia hat mit ihrer berührenden Gerichtsreportage versucht, Antworten zu finden.
Manon Garcia: Mit Männern leben.
edition suhrkamp.
195 S., 21,50 EUR
8. Thomas Pynchon: Schattennummer
Allein schon der Klappentext über die Abenteuer des deutlich pynchonesken Privatdetektivs Hicks McTaggart kann einen gewissen Metafiktionsüberschussschwindel auslösen. Ausformuliert ist da Ganze natürlich noch einmal eine ganz andere Nummer: Pynchon jagt mit dem jugendlichen Übermut des 88-Jährigen durch die Erzählebenen, und es ist wieder einmal zum Schießen.
Thomas Pynchon: Schattennummer
Rowohlt.
400 S., 27,50 EUR
9. Maria Aljochina: Political Girl. Pussy Riot
Eine beeindruckende Biografie des Pussy-Riot-Mitglieds übers Frau- und Muttersein, übers Politisch- und Aktivistischsein, und über das drakonische Putin-Regime, das Aljochina dazu zwang, samt Fußfessel und eigentlich im Hausarrest aus Russland zu flüchten.
Maria Aljochina: Political Girl. Pussy Riot.
Berlin Verlag.
528 Seiten, 26 EUR
10. Arlie Russell Hochschild: Geraubter Stolz
Nach ihrer Langzeitrecherche in den Hochburgen der amerikanischen Rechten in Louisiana („Fremd im eigenen Land“) hat die kalifornische Soziologin Arlie Russell Hochschild für ihr jüngstes Buch eine wirtschaftlich und sozial abgehängte Bergwerksregion in Kentucky bereist, mit den Menschen gesprochen, die dort leben, und deren Motive analysiert, sich von der liberalen Konsenpolitik ab- und dem radikalen Rechtspopulismus zuzuwenden. Der amerikanische Traum, zu Ende geträumt.
Arlie Russell Hochschild: Geraubter Stolz.
Hamburger Edition.
360 S., 31,50 EUR
11. Marina Abramović: Durch Mauern gehen
Für die großen Schwestern: Wer regelmäßig mit dem Kopf durch die Wand muss, kann von der serbischen Performancekünstlerin Marina Abramović lernen. Die schon 2016 erschienene Autobiographie liefert Hintergründe und kann als Vorbereitung für die noch bis März in der Wiener Albertina Modern laufende Ausstellung dienen.
Marina Abramović: Durch Mauern gehen.
Luchterhand.
480 S., 28,9 EUR
12. Saša Stanišić: Mein Unglück beginnt damit, dass der Stromkreis als Rechteck abgebildet wird
Eigentlich könnte man in der Buchhandlung unter dem Autorennamen „Stanišić“ blind ins Regal greifen und würde nicht enttäuscht werden. So auch in diesem Fall. Mit seinem neuen Buch, das aus Dankesreden besteht, wird man – im Gegensatz zur üblichen Dankesrede – auf jeden Fall gut unterhalten.
Saša Stanišić: Mein Unglück beginnt damit, dass der Stromkreis als Rechteck abgebildet wird.
Luchterhand.
160 S., 23,50 EUR
13. Florian Rainer: Tagada
Während der Covid-Monate verbrachte der Fotograf Florian Rainer viel Zeit mit einer Gruppe Jugendlicher, die während der Pandemie den Tagada im Prater für sich entdeckten, ein legendäres Fahrgeschäft, das ihnen zum Gravitationszentrum eines neuen, gewissermaßen schwerelosen Lifestyles wurde. Rainer dokumentiert diese Zeit und diese jungen Menschen in brillanten Bildern und liefert auch einen inspirierten Begleittext. Spin me right round, baby!
Florian Rainer: Tagada.
Verlag Fotohof.
160 S., 29 EUR
14. Ozan Zakariya Keskinkılıç: Hundesohn
„Hundesohn“ erzählt die Geschichte des Deutschtürken Zeko und seiner Jugendliebe Hassan. Keskinkılıç bricht mit seinem Roman gleich mehrere Tabus und schreibt auf charmante, romantische, aber revolutionäre Weise von der Liebe.
Ozan Zakariya Keskinkılıç: Hundesohn.
Suhrkamp.
219 S., 25,50 EUR
15. Jehona Kicaj: ë
Jehona Kicaj schreibt in „ë“ darüber, wie es ist, als Kind geflüchteter Kosovaren in Deutschland aufzuwachsen. Es geht um den Verlust seiner Heimat und um die Präsenz von Krieg und Tod in der Diaspora, selbst Jahrzehnte nach Kriegsende.
Jehona Kicaj: ë.
Wallstein.
176 S., 23,50 EUR