Choreografin Florentina Holzinger
Interview

Florentina Holzinger: "Trixie, wie möchtest du den Tod tanzen?"

Florentina Holzinger über Holzhacken, Sexszenen und ihre Abneigung gegen Bildungsbürgertheater.

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profil: Das Fegefeuer sieht bei Ihnen wie eine Sportveranstaltung aus. Warum? 

Holzinger: Ich bin über den Stabhochsprung, den ich in meine Show einbauen wollte, zu Dantes "Göttlicher Komödie" gekommen. Auf Abbildungen vom Höllentor scheinen die Menschen zu springen und zu fallen. Im Fegefeuer ist es wie im Trainingszirkel: Man weiß nie, ob man gerade stagniert oder ob doch schon etwas weitergeht. Im Theater probt man Dinge ja auch unendlich oft, bis man sie beherrscht.

profil: Sie und Ihre Performerinnen hacken in einem aberwitzigen Tempo auf Holz ein. Wie kam das? 

Holzinger: Es gibt im Internet Videos von Männern in Holzfällerhemden, die in Rekordzeit Bäume fällen oder verrückte Sachen mit Motorsägen machen. Wir haben mit einem Timbersports-Champion aus dem Waldviertel trainiert. Wir machen etwas relativ Unspektakuläres, weil man für den Rest riesige Bäume braucht, die wir nicht auf die Bühne bekommen hätten.

profil: Ihre Shows werden trotzdem immer gigantischer. Wo soll das enden? 

Holzinger: Morgen haben wir unseren ersten Besuch auf dem Flugfeld in Berlin-Tegel. Was mich definitiv noch interessiert, das sind Luft und Wasser. Ich hätte auch gern etwas im Ferry-Dusika-Hallenstadion in Wien inszeniert, eine Radrennbahn, die bald abgerissen wird. Da waren die Gymnastinnen in der Mitte, am Rand standen die Turnenden, und die Radrennathletinnen fuhren um sie herum.

profil: In "A Divine Comedy" ist auch die 81-jährige Ballerina Trixie Cordua wieder dabei. 

Holzinger: Mich haben mittelalterliche Totentänze interessiert und die Vergänglichkeit durch Trixies Lupe. Sie ist dem Tod am nächsten, aber die Robusteste von uns allen. Die Sexszene auf dem Sarg war übrigens nicht meine Idee. Sie brachte das Thema ständig auf. Wenn ich fragte: "Trixie, wie möchtest du den Tod tanzen?",kam sie sofort mit Masturbation an.

profil: Jeder glaubt, Sie wären eine provokante Choreografin, aber eigentlich sind Ihre Tänzerinnen viel extremer? 

Holzinger: Ja, ich wollte ihr das sogar ausreden. Die Verbindung von Thanatos und Eros ist auch ein Klischee, aber wie Trixie das macht, hat es eine enorme Kraft.

profil: Muss man Dante gelesen haben, um Ihre Show zu verstehen? 

Holzinger: Ich wollte auf keinen Fall Bildungsbürgertheater machen. Deshalb tue ich immer so, als ob ich das Buch nicht gelesen hätte, aber durch Corona hatte ich doch Zeit, zentrale Stellen zu studieren. Daraus verwende ich Versatzstücke, die man aus der Populärkultur kennt. Dantes Beschreibungen der Hölle wirken für mich ohnehin wie Darstellungen von zeitgenössischem Tanz, wo sich alle in Blut und Körperflüssigkeiten wälzen.

profil: Zu Beginn gibt es eine Hypnoseszene. Ist die echt? 

Holzinger: Ich mag ja gern, dass man nie sicher sein kann. Aber es ist tatsächlich eine richtige Old-School-Hypnose mit Zuschauerinnen und Zuschauern, die vorher ausgewählt wurden. Das ist eine Passion, die ich immer schon hatte: Das Publikum sollte die Show selbst performen.

Lesen Sie im neuen profil 41/2021: Florentina Holzinger ist Österreichs radikalste Choreografin: In ihrer Version von Dantes "Göttlicher Komödie",demnächst im Wiener Tanzquartier zu sehen (22. und 23. Oktober), lässt sie nun spektakulär die Fantasie spielen und die Körpersäfte fließen.

Karin   Cerny

Karin Cerny