Klimapolitik: Die heiße Kartoffel in Totschnigs Händen
Norbert Totschnig ist ein Glückspilz. Am Bauernhof aufgewachsen, widmete er seine Karriere der Landwirtschaftspolitik und schaffte es dabei an die Spitze. Dort wird er als Landwirtschaftsminister planmäßig vier weitere Jahre bleiben. Bei der Regierungsbildung bekam er aber eine unliebsame heiße Kartoffel zugeworfen: das Klimaressort, das bisher geringere Priorität für ihn hatte, aber mit großer Verantwortung verbunden ist.
In den vergangenen drei Jahren sind die Emissionen in Österreich gesunken, mit 2,6 Prozent im Jahr 2024 aber geringer als in den Vorjahren. Die Reduktion lässt sich auf aktive Klimapolitik zurückführen. Aber leider nicht nur: Ohne den milden Winter, die schwache Konjunktur und die hohen Energiepreise wäre der Rückgang schwächer ausgefallen. Die gute Nachricht lautet also: Klimapolitik wirkt, wenn sie ambitioniert ist. Die schlechte Nachricht: Die Klimapolitik ist nicht ambitioniert genug.
An klimapolitischer Ambition unterbietet die aktuelle Regierung bisher leider ihre Vorgängerin. Im Doppelbudget 2025/26 entfällt rund ein Drittel der gesamten Sparlast auf den Klimabereich. Klimafreundliches Verhalten (Heizungstausch, E-Mobilität etc.) wurde verteuert, während klimaschädliche Förderungen mit der Verdreifachung des Pendlereuros und der NoVA-Befreiung für Verbrenner-Nutzfahrzeuge sogar noch erweitert wurden. Mit diesen Maßnahmen könnten die Emissionen demnächst wieder steigen – ein Rückschlag, der mit dem Namen des verantwortlichen Klimaministers verbunden wäre.
„Wenn sich die Politik ein Ziel setzt, muss sie auch sicherstellen, dass sie es erreicht.“
Die Kartoffel in Totschnigs Händen droht also noch heißer zu werden. Dabei ist er hier in einer unglücklichen Position. Emissionsintensive Ressorts wie Energie und Verkehr liegen nicht in seiner Zuständigkeit. Dazu kommt der Föderalismus als maßgebliches Hindernis, etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energie.
Klimaneutralität bis 2040
Abhilfe könnte nun aber ausgerechnet ein Gesetz schaffen, das der Vorgängerregierung nicht gelang: das Klimagesetz. Ein wirkungsvolles Klimagesetz kann regeln, wer bis wann wie viele Emissionen reduzieren muss und was passiert, wenn das nicht geschieht. Totschnig legte dafür im Juli einen Entwurf vor. Was er beinhaltet, wird sich zeigen, wenn sich die Regierungsparteien darauf geeinigt haben. Fest steht aber: Damit das Gesetz wirksam sein kann, braucht es Klarheit und rechtliche Verbindlichkeit. Das beginnt mit den Zielen. Neben der Klimaneutralität bis 2040, die bereits im Regierungsprogramm vereinbart wurde, müssen jährliche Reduktionsziele für Energie, Verkehr, Industrie und Gebäude verbindlich festgehalten werden. Maßnahmenpläne müssen regelmäßig beschlossen und unabhängig und transparent evaluiert werden. Ebenso verbindlich müssen Sofortmaßnahmen gesetzt werden, wenn die Ziele zu scheitern drohen.
Eigentlich sollte das selbstverständlich sein: Wenn sich die Politik ein Ziel setzt, muss sie auch sicherstellen, dass sie es erreicht. Das ist nicht nur die Aufgabe eines Ministers. Mit dem Klimagesetz würden alle verantwortlichen Akteur:innen in die Pflicht genommen. Nur so können Emissionen systematisch reduziert und Österreich innerhalb von 15 Jahren klimaneutral werden.
Das brächte Mehrwert für alle: Klare Ziele schaffen Planungssicherheit. Als Basis der künftigen Industriestrategie könnte es neue Chancen für Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Andersherum hätte das Verfehlen der Ziele nicht nur ökologische, sondern auch kostspielige Konsequenzen. Die hohen Strafzahlungen wären wohl schwierig zu rechtfertigen – gerade in der angespannten Budgetsituation.
Obwohl ein ambitioniertes Klimagesetz dem gesamten Land und ihm selbst politisch nützt, blieb Totschnig bisher zögerlich. Die Klimaneutralität 2040 bezeichnete er zwischenzeitlich nur als „Kür“. Mit Zögerlichkeit wird er die immer heißer werdende Kartoffel der Klimapolitik aber nicht los. Nur mit einem starken Klimagesetz kann er die Verantwortung auf mehrere Hände verteilen, sich weiter der Landwirtschaft widmen und damit der Glückspilz bleiben, der er ist.