Argentinien-Wahl: Der Kettensägen-Schock von Buenos Aires

Argentiniens Präsident Milei feierte bei den Parlamentswahlen einen Sieg. Österreichs Journalismus zählt zu den Wahlverlierern.

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Der Schock in den Redaktionen der meisten österreichischen Medienhäuser sitzt tief. Javier Milei, der „ultralibertäre“ Präsident Argentiniens, hat bei den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag einen Erdrutschsieg eingefahren. Das hatten viele österreichische Journalisten nicht am Schirm. Ganz im Gegenteil: In vielen Redaktionen war längst klar: Milei, der „umstrittene Rechtspopulist“, der „marktradikale Anarcho-Kapitalist“ werde das Land ins Chaos stürzen. Seine energischen Wirtschaftsreformen? Führen unweigerlich in den Abgrund. Seine unkonventionelle Art? Ein Zeichen politischer Unreife. So gut wie jeder Bericht war eine kleine Vorlesung darüber, wie man ein Land zielsicher an die Wand befördert. Dieser Mann werde scheitern, und zwar spektakulär.

Noch am Vorabend der Wahl erreichte die freudige Erwartung auf eine krachende Wahlniederlage des Kettensägen-Reformers im gebührenfinanzierten ORF einen neuen Höhepunkt: „Vor knapp zwei Jahren ist der ultraliberale Javier Milei zum Präsidenten Argentiniens gewählt worden. Kurzzeitig zeigte sein Versprechen, den Staat und seine notorische Verschuldung mit der ,Kettensäge’ zu reduzieren, auch Wirkung. Mittlerweile blättert der Lack: Die Wirtschaft stockt, die Armut ist deutlich gestiegen, der Konsum eingebrochen“, wie in einer langen Analyse mit dem Titel „Mileis Bewegung in Argentinien am Bersten“ zu lesen war. Während auch der „Kurier“ mit einer empfindlichen Wahlschlappe rechnete, machte sich der Korrespondent der bürgerlichen „Presse“ noch über den „neoliberalen Wunderwuzzi“ und Trump-Günstling Milei lustig.

Warum dennoch mehr als 40 Prozent der Argentinier für die harten Reformen stimmten, scheint hierzulande kaum jemand zu verstehen. Möglicherweise liegt es ja doch an den Erfolgen der argentinischen Schocktherapie: Die monatliche Inflation wurde von über 25 Prozent auf unter zwei Prozent gedrückt, die Armutsrate von 53 auf knapp 32 Prozent gesenkt. Statt die Steuern immer weiter zu erhöhen, hat Milei die Staatsausgaben zusammengestutzt. Über 40.000 Staatsbedienstete verloren ihren Job, dennoch stimmten selbst in der argentinischen Hauptstadt fast die Hälfte der Bewohner für Milei. Das Budgetdefizit von über fünf Prozent wurde in einen Überschuss gedreht, es war der erste seit vierzehn Jahren. Die Risikoaufschläge für argentinische Staatsanleihen sind von dreißig auf siebeneinhalb Prozent gefallen, der IWF erwartet für Argentinien für heuer ein Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent, das ist eine der höchsten Wachstumsraten weltweit.

Die Botschaft aus Argentinien ist kristallklar: Liberale Reformen funktionieren und das auch noch schneller als gedacht – wenn man sie nur beherzt umsetzt.

All das wird hierzulande konsequent ausgeblendet. Zu erklären ist das nur mit einer offen zur Schau getragenen ideologischen Schlagseite vieler Medienschaffender. Es kann schließlich nicht sein, was nicht sein darf: Dass ausgerechnet Argentinien eine liberale Alternative zur sozialistischen Verarmungspolitik Südamerikas bekommt, passt nicht ins weltanschauliche Bild. Für eine linksliberale Medienlandschaft ist ein Präsident, der den Staat energisch zurückdrängt, eine Kampfansage. Für die Bürger Argentiniens ist es ein Akt der Befreiung.

Die Botschaft aus Argentinien ist kristallklar: Liberale Reformen funktionieren und das auch noch schneller als gedacht – wenn man sie nur beherzt umsetzt. Entbürokratisierung ist möglich, wenn man nicht davor zurückschreckt, die Kettensäge anzuwerfen. Mileis Kabinett hat in eineinhalb Jahren 60.000 von 300.000 Gesetzen gestrichen (weitere 150.000 sollen folgen), 300 Behörden geschlossen und zahlreiche Sektoren dereguliert. Die Argentinier haben genug vom aufgeblähten Staatsapparat. Sie haben bewusst für Reformen gestimmt, die schmerzhaft sind. Sie haben einen Präsidenten gestärkt, dem sie es zumindest zutrauen, den Argentiniern endlich ein besseres Leben zu bieten.

Die Enttäuschung in heimischen Redaktionen wird sich legen. Man wird neue Erklärungen finden, warum Mileis Erfolg eigentlich keiner ist. Und man wird geduldig auf das Scheitern seines liberalen Kurses warten. Das ist verständlich. Neben den Peronisten gehört schließlich der österreichische Journalismus zu den großen Wahlverlierern der argentinischen Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag.