Wieso Brigitte Macron vor Gericht beweisen will, dass sie eine Frau ist

Eine rechte US-Aktivistin behauptet, die Ehefrau des französischen Präsidenten sei in Wahrheit ein Mann. Nun haben die Macrons Klage eingereicht.

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Candace Owens hat im Laufe ihrer Karriere an der Spitze der amerikanischen Verschwörungsunterhaltungsindustrie schon so einiges behauptet. Zum Beispiel, dass das Problem mit Hitler lediglich gewesen sei, dass er „Träume außerhalb Deutschlands“ gehabt habe und diese „globalisieren“ wollte. Oder dass ein „kleiner Ring“ einflussreicher Juden in Hollywood und Washington „ziemlich böse“ Dinge planen würde.

Owens’ antisemitische Äußerungen sind so haarsträubend, dass es sogar „The Daily Wire“ zu viel wurde – und das rechte Internetportal sie kurzerhand vor die Tür setzte. Die 36-Jährige ist ein Extremfall, selbst in Amerika, wo alternative Krawallmedien mit der Verbreitung von Verschwörungsmythen und irrsinnigen Behauptungen mittlerweile einen eigenen, milliardenschweren Markt bedienen.

Wieso sollten sich vernünftige Menschen mit diesem Irrsinn auseinandersetzen – und den rechten Influencern zu noch mehr Aufmerksamkeit verhelfen?

Aktuell befasst sich etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Candace Owens. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Brigitte hat er im US-Bundesstaat Delaware Klage gegen die Aktivistin eingereicht. In einem achtteiligen Podcast hatte Owens unter anderem behauptet, Brigitte Macron wäre als Mann geboren worden. In den USA sind rechte Aktivisten geradezu besessen von Brigitte Macron, auch die Podcaster Tucker Carlson und Joe Rogan gingen bereits der Frage nach, ob die französische Präsidentengattin nicht in Wahrheit ein Mann sei. Doch Owens trieb es auf die Spitze. Allein die erste Folge ihres Podcasts „Becoming Brigitte“ hat auf YouTube mehr als fünfeinhalb Millionen Aufrufe. Darauf mussten die Macrons reagieren. Den Irrsinn zu ignorieren, käme einer Verleugnung der Realität gleich.

In der 218-seitigen Klage werfen die Macrons Owens nun „absurde, diffamierende und weit hergeholte Erfindungen“ vor. Sie habe das Aussehen, das Umfeld und die persönliche Geschichte Brigittes „seziert und alles zu einer grotesken Erzählung verdreht, die darauf abzielt, zu provozieren und zu erniedrigen“. Das Ergebnis: „unerbittliches Mobbing auf weltweiter Ebene“ und ein „erheblicher Reputationsschaden“.

In der Klage wehren sich die Macrons auch gegen Owens’ Behauptung, die beiden wären blutsverwandt und Frankreichs Präsident sei durch ein geheimes CIA-Programm zur Gedankenkontrolle ins Amt gekommen.

Das ist zwar alles absurd, doch für eine Verurteilung wegen Rufschädigung braucht es nach US-Recht den Nachweis der Böswilligkeit: Es muss festgestellt werden, dass Owens ihre eigenen Behauptungen selbst nicht wirklich glaubt, sondern in böswilliger Absicht handelte. Laut Medienberichten sind die Macrons bereit, ihr Privatleben zu entblößen, Familienfotos vorzulegen und vor Gericht auszusagen, um die irrwitzigen Lügen zu enttarnen. Gelingt das, dann kann sich Owens auch nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Diese ist im ersten Zusatz der US-Verfassung festgeschrieben und extrem weit gefasst, auch Hetze und Hassrede fallen darunter. Lug und Betrug allerdings nicht.

In den USA sind Zivilrechtsklagen die einzige Waffe gegen ultrarechte Influencer und deren Diffamierungen.

In Europa können Privatpersonen und Behörden mit verschiedenen Mitteln gegen Extremismus und Falschbehauptungen vorgehen. Seit Kurzem verpflichtet etwa der Digital Services Act soziale Medien dazu, Gesetze einzuhalten und gegen Beleidigungen und Verleumdungen vorzugehen. In den USA gibt es kein vergleichbares Gesetz, Zivilrechtsklagen sind die einzige Waffe gegen ultrarechte Influencer und deren Diffamierungen. Verurteilt wurde etwa im Jahr 2022 Alex Jones, der Gründer der Website Infowars. Der Freund von Verschwörungsmythen hatte infame Lügen über das Schulmassaker von Sandy Hook verbreitet, bei dem ein Attentäter im Jahr 2012 20 Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren sowie sechs Erwachsene erschossen hatte. Wegen der Behauptung, das Massaker sei vorgetäuscht worden und die trauernden Eltern in Wahrheit engagierte Schauspieler, wurde Jones zu einer Milliarde Dollar Schadenersatz verurteilt.

Der Streitfall zwischen Owens und den Macrons könnte vor einem Geschworenengericht landen, glaubt der Rechtsexperte Matthias Lehmann von der Uni Wien. Die Klage hält er für aussichtsreich – zumindest, wenn das Gericht der traditionellen Rechtsprechung folgt. In Donald Trumps Amerika ist das nicht mehr selbstverständlich.

Wird Owens nicht verurteilt, werden ihre Anhänger das als Wahrheitsbeweis interpretieren und es fortan als gesichert betrachten, dass Brigitte Macron ein Mann ist. Der Irrsinn hätte dann endgültig gesiegt.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort und seit 2025 stellvertretende Ressortleiterin. Schwerpunkt: Europa und USA.