Satire

An unsere Völker!

China und Russland wollen eine neue Weltordnung-mit ihnen selbst an der Spitze. Die Charmeoffensive läuft schon.

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Werte Europäer, liebe Langnasen! Wir, die Vertreter der Neuen Weltordnung, möchten Sie auf diesem Weg als zukünftige Mitglieder unserer großen Familie schon jetzt herzlich willkommen heißen. Wir, also, das bin im Wesentlichen ich, der liebe Xi Jinping aus China. Sie können mich gerne Onkel Xi nennen, wenn Sie wollen, denn bei allem, das ich durch unsere StaatssicherheitsApp, die bei Ihnen unter dem Namen TikTok bekannt ist, über Sie weiß, fühle ich mich ja fast schon wie ein Mitglied Ihrer Familie. Und bald wird das hoffentlich auch umgekehrt funktionieren!

Es mag Ihnen in der berechtigten Aufregung um wichtige Probleme wie die empörende Existenz von Winnetou oder von Terfs möglicherweise entgangen sein, aber dieser Tage hat sich die "Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit" in Usbekistan getroffen. Das waren bisher acht Staaten, die 40 Prozent der Weltbevölkerung umfassen, die der Westen aufgrund seiner verqueren politischen und moralischen Maßstäbe als Autokratien verunglimpft. Jetzt kommt auch noch der Iran dazu, dann sind wir neun. Und andere sympathische Regime wie Saudi-Arabien oder Ägypten warten schon.

Jedenfalls habe ich dort mit meinem neuen besten Freund, dem kleinen Großrussen Wladimir-nur ich darf ihn im Scherz Mussolini nennen!-und all den anderen Menschenfreunden beschlossen, dass es höchste Zeit ist, die unselige westliche Vorherrschaft über die Welt endlich zu beenden. Und nicht nur das: Über Jahrzehnte hat der Westen versucht, das Krebsgeschwür seiner schwachen und entarteten Demokratie in unsere sauberen Diktaturen zu tragen. Und jetzt-machen wir es umgekehrt! Wir expandieren und exportieren. Und vor allem unsere sich aufgrund der mittlerweile unbegrenzten technologischen Möglichkeiten langsam in einen dystopischen Totalüberwachungsstaat voller ferngesteuerter Maschinenmenschen verwandelnde Volksrepublik China soll zum Erfolgsmodell für die ganze Welt werden! Das ist Globalisierung. Was für Peking passt, ist auch in Nenzing nett!

Welche Leistungen haben eure Demokratien denn vorzuweisen? Mikrowellen-Cordonbleu. Frühstücksfernsehen. Hundepsychiater."

Ich meine, seien wir uns ehrlich. Sehen wir uns einmal mit wirklich unvoreingenommenem Blick an, welche Leistungen Ihre Demokratien denn vorzuweisen haben. Mikrowellen-Cordon-bleu. Nagellack bei Männern. Frühstücksfernsehen. Hundepsychiater. Das ist so ziemlich alles. Und die gute Nachricht ist: Auch wenn Sie und alle anderen Westmenschen dann erst einmal alle entwurmt und gechippt sind und glücklich in unsere neue Weltordnung eingebettet-auch dann dürfen Sie das alles selbstverständlich behalten! Bis auf den Nagellack bei Männern natürlich, der ist ekelhaft. Aber: Sie werden auch sofort feststellen, um wie viel leichter Ihr Leben dadurch geworden ist, dass wir Ihnen wirklich lästige Alltagsentscheidungen wie: "Hmm, wen könnte ich denn bloß am nächsten Sonntag wählen?"oder aber auch nur "Könnte dieser Film meiner patriotischen Gesinnung abträglich sein?"freundlich, aber bestimmt abgenommen haben.

Nachdem China ja doch ein Stück von Europa weit weg ist, können wir Sie darüber hinaus auch so weit beruhigen: Wir werden nur unser überlegenes Staats-und Gesellschaftsmodell exportieren-aber keine territorialen Ansprüche stellen. Bis auf ein paar Häfen vielleicht. Oder kleinere Länder wie Montenegro. In Wien aber zum Beispiel nichts, was über die bisherigen illegalen Teigtascherl-Manufakturen hinausgeht. Wir haben schon die Seidenstraße. Was brauchen wir da noch eine Seidengasse dazu? Und da wir Hallstatt auch schon haben, gilt also jetzt wirklich: Taiwan statt Timelkam.

Bei Wladimir ist das allerdings anders. Der braucht das irgendwie. Die neue russische Nationaldoktrin sagt ja im Wesentlichen, dass sich überall dort, wo jemals eine Flasche Stolichnaya im Altglas gefunden worden ist, ab sofort neurussisches Gebiet befindet. Das mögen Sie jetzt nicht ganz zu Unrecht lustig finden. Aber wiederum auch nur so lange, bis Trump wieder Präsident ist und beschließt, dass die Verteidigung Europas nicht mehr sein Bier ist. Ich werde allerdings auf Wladimir einwirken, dass er es mit seiner dann folgenden gerechtfertigten Selbstverteidigung nicht übertreibt. Schließlich müssen wir für unseren neuesten Nachbau in Wuhan den Eiffelturm noch einmal wirklich genau vermessen. Wenn er einmal geschmolzen ist, ist es zu spät.

Wir verstehen natürlich, dass es für Sie jetzt noch ein wenig schwierig sein mag, die kommende Neue Weltordnung zu akzeptieren. Dass Sie sich nicht vorstellen können, jemals von Demokratie oder Liberalismus lassen zu können. Aber wenn man sich zum Beispiel das Rauchen abgewöhnen kann-warum nicht auch alle anderen schlechten Gewohnheiten? Gemeinsam werden wir das schon schaffen, wir haben mittlerweile bei der Entwöhnung ja auch eine gewisse Routine. Also dann: Auf bald, Ihr Onkel Xi!

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort