Künstliche Aufregung

Die Angst vor künstlicher Intelligenz ist völlig unbegründet. Denn es zeigt sich ja schon jetzt, um wie viel besser sie unser aller Leben machen wird.

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Wir brauchen dringend mehr künstliche Intelligenz, jeder voll dynamische Zukunftsmensch wird nicht müde, das zu betonen. So groß die Skepsis beim von der Rasanz der technischen Entwicklungen immer platter gewalzten Normalbürger auch sein mag, der Hochgeschwindigkeitszug ist nicht aufzuhalten. Und das ist auch gut so. Vor allem deshalb, weil ja natürlich vorkommende Intelligenz immer seltener wird. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, wie vernünftig und koordiniert die Menschheit gerade die Entwicklung künstlicher Intelligenz betreibt. Denn angetrieben wird dieser gigantische gesellschaftliche Umbruch, der uns allen blüht, einzig vom nobelsten aller menschlichen Beweggründe: Geldgier.

Eine Armee von fiebrigen Goldgräbern ist da am Werk, die mehr oder minder unkontrolliert tut, was sie will, die unsanktioniert alles zusammenrafft, was sich einfach stehlen lässt, um mit den Daten und geistigen Leistungen von Abermillionen von Menschen Supermaschinen zu konstruieren, die uns in Bälde wegen unserer Unbedarftheit völlig zu Recht verlachen werden. Und die dafür sorgen werden, dass menschliche Arbeitskraft in ganz großem Stil nicht mehr gebraucht werden wird, was die Tech-Götter noch viel aberwitziger reich machen wird – und den Rest natürlich total glücklich. Die menschliche Natur und auch den bisherigen Verlauf der bis dato vollkommen friktionsfrei verlaufenen Geschichte menschlichen Zusammenlebens in Betracht ziehend, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass es ziemlich genau darauf hinauslaufen wird: „Wow, jetzt haben wir ja auf einmal so unendlich viel Freizeit! Und die KI erwirtschaftet für uns alle endlich ein bedingungsloses Grundeinkommen! Schlaraffenland!“

Ein absolut begrüßenswerter KI-Trend, der gerade richtig Fahrt aufnimmt, ist in der Unterhaltungsindustrie zu beobachten. Nachdem der schreibenden Zunft ohnehin schon mehr oder minder die Existenzgrundlage wegerodiert ist, kommt jetzt die Musikbranche dran. Auf Spotify und anderen Streaming-Portalen, die bisher doch extrem unter den existenzgefährdenden Tantiemen von bis zu 0,005 Euro gelitten haben, die sie menschlichen Musikern pro abgerufenem Song bezahlen müssen, haben KI-Bands, denen solche abstoßenden Künstler-Starallüren natürlich völlig fremd sind, schon Tausende Fans gefunden. Natürlich entsprechend beworben und gepusht von den Portalen, die angesichts dieses neuen, ökonomisch wesentlich gesünderen Geschäftsmodells wohl ihre interne Partyfrequenz bereits ein wenig hochgeschraubt haben.

Ich persönlich verstehe auch diesen Trend als Kunde total, denn mir war zum Beispiel die Schlagerszene mit ihren Bontempi-Harmonien und in echtem Playback dargebrachten noch echteren Gefühlen immer schon ein wenig zu naturalistisch. Allerdings zeigt sich, dass auch schon KI-Musiker aus dem Bereich „Alternative Easy Listening“ Erfolg haben, also vom eher anderen Ende des Spektrums. Mittelfristig bedeutet das also, dass es eher nicht mehr so viele Musiker in Studios oder auf Bühnen geben wird. Eigentlich gar keine. Dafür aber mehr auf der Straße. Und davon haben wiederum alle was, denn bei dem, was dem wie immer völlig zu Recht nicht zahlenden Publikum hier zugemutet wird, ist ja in puncto Niveau durchaus noch Luft nach oben!

Als Nächstes ist dann die Filmbranche dran, bald wird ein Blockbuster im Wochentakt den nächsten jagen, geschrieben, gedreht und gespielt von der KI – und das alles innerhalb von einer halben Stunde. Wir werden gar nicht mehr ein und aus wissen vor lauter herrlichen Erzeugnissen, die uns die neue überbordende und überhaupt nicht austauschbare Techno-Kreativität beschert, und wir werden ohne Frage so anhaltend und gut unterhalten werden wie nie zuvor! Wir werden da ja kaum noch Zeit für etwas anderes haben. Zum Beispiel für Teilhabe an demokratischen Prozessen oder an politischer Willensbildung.

Aber das wird wiederum auf der anderen Seite völlig egal sein, denn in der KI-Endausbaustufe müssen ja auch die Politiker ersetzt werden. Denn im Moment stellt sich Politik ja – und das beileibe nicht nur in Österreich – im Wesentlichen so dar: Es gibt zwei Probleme. Das eine sind die Rechten. Und das andere die Linken. Das harrt also wirklich einer Lösung – und die KI drängt sich hier geradezu auf, als alles vereinende Kraft quasi. Von der es dann natürlich auch keinerlei Abweichung mehr braucht.

Und das wiederum werden sicherlich und zuvorderst vor allem jene so sehen, die sie programmiert haben. Zu unser aller Wohl.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz