Auf der Mauer auf der Lauer
In der Flut an deprimierenden Nachrichten, die der Rechtsruck im Allgemeinen und sein weltweiter Anführer im Besonderen permanent produzieren, wäre eine ausgesprochen ermutigende Nachricht beinahe untergegangen. Denn egal wie ungebremst der Wahnsinn in und aus den USA auch gerade toben mag – sein Ablaufdatum könnte durchaus schon feststehen. Es ist jenes der nächsten Präsidentenwahl, daran bestehen schon jetzt zum Glück kaum noch Zweifel. Die Republikaner versuchen zwar im Moment, das Unvermeidliche mit einer wie üblich völlig schambefreiten Diskussion über eine irgendwie mögliche dritte Amtszeit von Donald Trump aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen – aber das wird sie auch nicht mehr retten. Denn es besteht die mehr als nur große Hoffnung, dass die Maga-Sekte 2028 wieder aus dem Weißen Haus geworfen wird. Und sie trägt einen sehr bekannten Namen: Kamala Harris!
Na, wenn das keine gute Nachricht ist!
Die gegen Donald Trump natürlich nur aufgrund unglücklicher Umstände – die, wenn man sie fragt, keinesfalls in ihrem Bereich lagen - krachend Unterlegene verkündete in einem Interview mit der BBC, sie könne sich möglicherweise vorstellen, 2028 erneut zu kandidieren. Als Begründung für ihre Bereitschaft, es denen nach ihrem letzten unverdienten Ausrutscher diesmal aber wirklich so richtig zu zeigen, führte Harris an, sie sei „noch nicht fertig“. Darin unterscheidet sie sich dem Vernehmen nach durchaus von einigen anderen Menschen weltweit. Die waren nämlich schon am Wahlabend fertig. Und werden seither immer fertiger.
Harris hat aber offenbar – ganz im Gegensatz zum letzten Mal – diesmal ein wirklich zugkräftiges Argument entdeckt, das für sie spricht: Ihre Großnichten würden es nämlich definitiv noch erleben, dass einmal eine Frau im Weißen Haus das Sagen hat. Nun, das wäre sicherlich wünschenswert. Dass Harris aber mit der erstaunlich selbstbewussten Beharrlichkeit einer Fußballerin, die nach einer Reihe kläglich vergebener Elfmeter dem Team mit dem Gestus der Großzügigkeit anbietet, den nächsten wieder zu schießen, davon überzeugt scheint, dass diese Frau von Rechts wegen eigentlich sie selbst sein sollte, spricht vielleicht für ihre Qualitäten als Großtante. Aber durchaus auch ein wenig für die These, dass der Lerneffekt als solcher bei den Spitzen der Demokratischen Partei schon einmal bessere Zeiten gesehen hat. Und das sollte zu unser aller von jeglichen Alpträumen ungetrübter Nachtruhe beitragen, denn wenn es diese Partei in drei Jahren nicht schafft, die Demokratie in den USA zu retten – dann können wir hier in Europa auch schon einmal die Gläser für deren endgültige Einrexung bereitstellen.
Wobei: Ganz so schwarz muss man natürlich auch wieder nicht sehen, es ist ja nicht so, dass wir in Europa nicht selber auch etwas tun können. Und da gibt es auch durchaus allenthalben ermutigende Entwicklungen, nicht zuletzt in Deutschland, also immerhin im wichtigsten Land der EU. Die legendäre deutsche Ingenieurskunst macht auch vor der dortigen Politik nicht Halt, also wurde eine Brandmauer gegen rechts errichtet. Und die funktioniert hervorragend. Hinter der Brandmauer kann das Feuer weitgehend ungestört tun, was Feuer halt so tun, also zum Beispiel verbrannte Erde hinterlassen oder … wachsen – während man sich in der glücklich geschützten politischen Werkstatt davor mit Inbrunst den wirklich wichtigen Debatten widmen kann. Zum Beispiel darüber, ob man das Feuer nicht einfach verbieten sollte. Oder wie jetzt gerade ausführlich darüber, dass der deutsche Bundeskanzler das S-Wort benutzt hat. Also: „Stadtbild“. Alle Oppositionsparteien auf der guten Seite der Brandmauer – einschließlich jener innerhalb der Regierung – arbeiten sich jetzt seit Wochen an Friedrich Merz ab, von einer bemerkenswerten Bereitschaft getrieben, ihn so gut wie möglich misszuverstehen. Und die Bevölkerung ist geradezu gefesselt von der hemdsärmeligen Zupackerqualität, mit der sich die Politik dem widmet, was die Leute am allermeisten interessiert: Worte über Worte. Diesmal sogar buchstäblich.
Unnötig zu erwähnen, dass dieses beeindruckende Schauspiel auch wieder einmal eine kalte Dusche für das Feuer auf der anderen Seite ist, das sehr darunter leiden wird. Und falls doch nicht, ist es auch wurscht. Man sieht es durch die Mauer eh nicht.
Und für den Harris-Wiedergang hätte ich auch schon den absoluten Killer-Slogan, den jeder in ihrer Partei lieben muss, ob er will oder nicht: „Because it’s 2028!“ Damit kann garantiert nichts mehr schiefgehen.