Was ist eigentlich mit den Demokraten?
Um nicht gefressen zu werden, hat das Opossum eine ausgeklügelte Strategie entwickelt. Bei Bedrohung fallen die Tiere in Schockstarre, eine Art Lähmung, und geben einen unangenehmen Geruch ab. „Totstellen“ nennt man diese Taktik, und ähnlich haben es auch die Demokraten nach dem Wahlsieg Donald Trumps gemacht. Damit folgten sie dem Vorschlag ihres langjährigen Parteistrategen James Carville. Der hatte seinen Leuten in der „New York Times“ zu einem „waghalsigen politischen Manöver“ geraten: „wegdrehen und totstellen“, damit die Republikaner „unter ihrem eigenen Gewicht zermalmt werden“. In der Logik Carvilles können sich die Demokraten darauf verlassen, dass Trumps miserable Performance ihnen bei den Kongresswahlen im Herbst 2026 automatisch zum Sieg verhilft.
Es ist ein bemerkenswerter Rat angesichts dessen, dass der US-Präsident gerade im Rekordtempo den Rechtsstaat abbaut. Doch es gibt auch andere Strategien.
Mit ihrem „Kampf gegen die Oligarchie“ mobilisieren die demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez und der unabhängige Senator von Vermont (und zweifache Bewerber für die demokratische Präsidentschaftskandidatur) Bernie Sanders die Massen, Zehntausende kommen zu ihren Kundgebungen im ganzen Land. Sanders und Ocasio-Cortez vertreten eine linkspopulistische Agenda: Autokratie und Ungleichheit in der größten Wirtschaftsmacht müssen bekämpft werden, die Demokraten endlich wieder die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter vertreten.
Donald Trump hat die Wahlen auch deshalb gewonnen, weil die Wohn- und Lebenskosten gerade in demokratisch regierten Städten und Bundesstaaten explodiert sind.
Tatsächlich hat die Partei große Teile der Arbeiter- und Mittelschicht bereits vor Jahren verloren. Im Kampf mit Trump und einer radikalisierten Republikanischen Partei auf der einen und internen Streitereien über Identitätspolitik auf der anderen Seite wurde die Frage, wie das Leben der Menschen verbessert werden kann, zur Randnotiz. Donald Trump hat die Wahlen auch deshalb gewonnen, weil die Wohn- und Lebenskosten gerade in demokratisch regierten Städten und Bundesstaaten explodiert sind.
„Die Demokraten stellten Gartenschilder auf, auf denen stand, dass kein Mensch illegal ist und Achtsamkeit alles, während sie gleichzeitig die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum bekämpften und die Arbeiterklasse aus ihren Städten vertrieben“, schreibt der linksliberale US-Autor Ezra Klein in der „New York Times“. Seine Botschaft ist eigentlich banal: Wollen die Demokraten die Partei der Arbeiter- und Mittelschicht sein, müssen sie Politik machen, von der diese Gruppen profitieren.
Mit ihrem Kampf gegen Ungleichheit sprechen Sanders und Ocasio-Cortez der enttäuschten Parteibasis aus der Seele, doch das wird nicht reichen. Die Vorschläge – höherer Mindestlohn, umfassende Krankenversicherung, gerechteres Steuersystem – sind alles andere als neu, und eine Mehrheit wird es dafür wohl auch bei den nächsten Wahlen nicht geben. Für die Mehrheit sind Linke wie Sanders und Ocasio-Cortez kaum wählbar, die Partei sollte sich trotzdem ein Beispiel an ihnen nehmen. Mit Leidenschaft vorgebrachte Ideen und Strategien, wie das Leben von Millionen Menschen verbessert werden kann, sind immerhin ein Anfang.
Ein Hoffnungsschimmer für die Demokraten sind auch die landesweiten Massenproteste gegen Donald Trump. Millionen demonstrieren gegen die Regierung, allen voran gegen deren brutale Abschiebungspolitik – und die Demokraten überlegen, wie sie den Widerstand gegen den Präsidenten für sich nutzen können.
Bisher war die Partei eher mit Nabelschau beschäftigt. Um wieder mehr Rückhalt zu erlangen, starteten ranghohe Demokraten eine Kampagne mit dem Titel „Speaking with American Men: A Strategic Plan“. Der Zugang des 20 Millionen Dollar schweren Vorhabens ist geradezu anthropologisch: „Synthax, Sprache und Inhalte“ von männlich dominierten Bereichen im Netz werden analysiert, um herauszufinden, wie man Männer von den Demokraten überzeugen kann. Erreicht werden sollen sie dann etwa mittels Werbeschaltungen in Videospielen. So werden die Demokraten die Kongresswahlen kaum gewinnen.
Bei einer Umfrage wurden kürzlich 250 Wechselwähler gefragt, mit welchen Tieren sie Republikaner und Demokraten am ehesten in Verbindung bringen. Bei den Republikanern waren es Raubtiere wie Löwen und Haie, bei Demokraten Schildkröten, Nacktschnecken und Faultiere. Eher passiv kommt auch das Opossum mit seiner Totstelltaktik daher. Für eine Beutelratte mag das eine erfolgversprechende Strategie sein. Die Demokraten werden sich etwas anderes überlegen müssen.