WKStA-Sprecher Ortner: Wenn Strategie auch einfach nur Gesetz sein kann

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft führt clamorose Verfahren – unter dem Auge der Öffentlichkeit. Wie sie das tut, sieht man oft nicht. Mediensprecher Martin Ortner gibt einen Einblick hinter die Kulissen.

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Wer zuletzt eine Zeitung zur Hand genommen hat, kam kaum vorbei an den prominenten Strafverfahren rund um Politik und Wirtschaft. Immer wieder stehen solche Ermittlungen im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Das ist nur allzu verständlich – und die Erläuterung der Tätigkeit der Justiz durch die Medien ist für den Rechtsstaat wichtig und wertvoll.

Einige dieser Verfahren wurden beziehungsweise werden von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geführt – so zum Beispiel die Causa Buwog oder die Causa Signa. Auch profil berichtete stets ausführlich.

Und natürlich versucht man, aus der aktuellen Berichterstattung auch Muster abzuleiten. Betrachtet man etwa nur diese beiden Fälle, kann man sehr schnell zu einem klaren Schluss kommen: Während in Verfahren wie der Causa Buwog nach entsprechender Ermittlungsdauer sämtliche Vorwürfe in einer einzigen Anklage mit entsprechend langem Prozess mündeten, wurden in der Causa Signa schon nach relativ kurzer Ermittlungsdauer zwei Anklagen eingebracht.

Mit dieser „Salami-Taktik“, wie es profil in einem Kommentar nannte, scheint die Justiz wohl „aus früheren Verfahren gelernt zu haben“, wie auch andere Medien kommentierten. Damit setze man wohl auf eine veränderte Strategie, so das Narrativ, das sich in der öffentlichen Debatte zuletzt ein wenig bildete.

Klingt logisch, ist aber nicht so. Denn Worte wie „Taktik“ oder „Strategie“ suggerieren einen Spielraum, den die Staatsanwaltschaft in dieser Form nicht hat. Wer die Rechtslage nüchtern betrachtet, wird feststellen, dass dieses Bild zentrale strafprozessuale Prinzipien außer Acht lässt – an die die Staatsanwaltschaft gebunden ist.

Mehr Archäologe als Wurstverkäufer

Es mag überraschen, wenn der Sprecher einer Staatsanwaltschaft Wertschätzung zurückweist, aber es ist wichtig, eine solche nicht aus den falschen Gründen einzuheimsen.

Die Arbeit eines ermittelnden Staatsanwalts gleicht mehr der eines Archäologen als der eines Wurstverkäufers. Auch der Archäologe muss der Realität des Fundplatzes folgen: Manche Stätten lassen sich in klar abgegrenzten Bereichen nacheinander freilegen und haben eine Bedeutung für sich allein. Andere erfordern ein gleichzeitiges Öffnen oder gemeinsames Freilegen, da die einzelnen Teile nur in ihrem Zusammenhang Sinn ergeben.

Ebenso ist die Staatsanwaltschaft gezwungen, sich nach den vorhandenen Spuren und Beweisen zu richten – manchmal in Abschnitten, manchmal im Ganzen. Erkenntnis entsteht nicht durch willkürliches Zerschneiden der Wirklichkeit, sondern durch sorgfältiges Freilegen: Schritt für Schritt oder, wenn erforderlich, in der gesamten Breite.

Teilbarkeit als entscheidendes Kriterium

Das entscheidende Kriterium ist die Teilbarkeit. Wo Ermittlungen einen allumfassenden Tatplan aufzeigen, dort ist eine Gesamtanklage zwingend. Sind Taten rechtlich und tatsächlich teilbar, so duldet ihre Anklage keinen Aufschub.

Diese Unterscheidung ist keine Frage des Ermessens, sondern ergibt sich aus den Vorgaben der Strafprozessordnung. Es wird damit dem sogenannten Beschleunigungsgebot entsprochen. Ob dadurch in der Öffentlichkeit eher der Eindruck entsteht, „es ginge etwas weiter“, wie das medial ebenfalls schon insinuiert wurde, darf nie ein Grund sein.

Es ist auch kein neues Phänomen, das sich hier erst durchzusetzen beginnen würde, sondern war schon immer gesetzliche Vorschrift und rechtsstaatliche Praxis. Auch bei den strafrechtlichen Anklagen im Zuge der Insolvenz der Commerzialbank Mattersburg oder den Verfahren um die damalige Hypo Alpe Adria ist dies der Fall gewesen.

Aufklärung etwaiger Straftaten, nicht gesamtgesellschaftliche Aufklärung einer Insolvenz

Wichtig ist zudem eine realistische Erwartungshaltung. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es, strafrechtlich relevante Sachverhalte aufzuklären, nicht Insolvenzen in ihrer gesamten wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Dimension zu durchleuchten. Diese Aufgabe kommt Insolvenzgerichten, Insolvenzverwaltern, Gläubigern und deren Vertretern zu. 

Von der Staatsanwaltschaft darf man sich erwarten, dort tätig zu werden, wo ein konkreter strafrechtlicher Anfangsverdacht vorliegt – und das dafür aber mit Recht. Ganz wie es das Gesetz vorsieht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

von Martin Ortner