Ein Arbeiter des Strassendienstes
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Bildungskarenz neu: Wer profitieren soll und wer draufzahlt

Die neue Bildungskarenz soll Weiterbildungsbeihilfe heißen. Das deklarierte Ziel: weniger Missbrauch und mehr Fokus auf Niedrigqualifizierte, um sie am Arbeitsmarkt voranzubringen. Für Besserqualifizierte und Eltern gibt es starke Einschränkungen.

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„Nicht im Sinne der ursprünglichen Intention genutzt.“ Mit diesem vernichtenden Befund läutete der Rechnungshof 2023 das Ende der Bildungskarenz ein. Das Programm war vor allem bei Höherqualifizierten beliebt: als berufliche Auszeit mit großzügigem Gestaltungsspielraum und kaum Auflagen. Mehr als 22.000 Anträge genehmigte das Arbeitsmarktservice zuletzt jährlich. Von Sprach- über Energetik- bis zu Fitnesskursen wurde alles genehmigt – auch weil nie gesetzlich festgelegt wurde, welches Ziel die Bildungskarenz eigentlich verfolgte. Ökonominnen und Ökonomen kritisierten die Maßnahme als teuer und wenig treffsicher.

Nach der Abschaffung im April 2025 liegt nun der Vorschlag für ein Nachfolgemodell am Tisch: die Weiterbildungsbeihilfe. Der neue Gesetzesentwurf macht deutlich, dass der Staat zwar Weiterbildung fördern will – aber unter deutlich strengeren Bedingungen. Die Kosten sollen von zuletzt rund 500 Millionen Euro jährlich auf 150 Millionen gedrückt werden. Mit den neuen Regeln ändert sich einiges für Arbeitnehmer und Firmen.

Strengerer Zugang für Arbeitnehmer

Höherqualifizierte (Masterabschluss oder höher) sollen künftig erst nach vier Jahren durchgehender Beschäftigung antragsberechtigt sein, alle anderen nach mindestens zwölf Versicherungsmonaten beim selben Arbeitgeber. Neu ist auch ein verpflichtendes Gespräch beim Arbeitsmarktservice (AMS), das prüft, ob eine geplante Weiterbildung arbeitsmarktpolitisch sinnvoll und erfolgversprechend ist. Außerdem muss sie mindestens 20 Wochenstunden (oder 16 bei Betreuungspflichten) umfassen.

Hintergrund: Rund um die Bildungskarenz war zuletzt eine eigene Fortbildungsbranche entstanden, die fragwürdige Online-Selbstlernkurse mit minimalem Seminaranteil für die Bildungskarenz zugeschnitten hatte. Auch der direkte Anschluss an eine Elternkarenz wird künftig nicht mehr möglich sein.

Bislang wurde das Weiterbildungsgeld anhand des Einkommens berechnet (55 Prozent) – für Menschen mit niedrigen Löhnen war eine Bildungskarenz damit oft unattraktiv. Künftig ist ein Mindestsatz von 1212 Euro vorgesehen. Man könne mit der neuen Weiterbildungszeit „jene Personen, die formal geringe Qualifikationen haben oder ein geringes Einkommen, nun leichter in eine Höherqualifizierung bei aufrechtem Dienstverhältnis bringen“, erklärte Sozialministerin Korinna Schumann im ORF-Radio.

„Ein glaubwürdiger Versuch“, nennt AMS-Chef Johannes Kopf das neue Modell. Ob damit tatsächlich genug Anreize für Niedrigqualifizierte geschaffen werden, müsse sich erst zeigen, sagt Holger Bonin, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), zu profil. Bisher sei die Bereitschaft zur Weiterbildung gerade bei Menschen mit geringer Formalbildung niedrig. „Natürlich ist es hilfreich, wenn es nicht am Finanziellen scheitert. Aber entscheidend ist, überhaupt erst ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Weiterbildung notwendig ist“, so Bonin, denn „gerade bei den geringeren Qualifikationen braucht es Orientierung. Und gerade diejenigen, die etwas bildungsferner sind, gehen dabei verloren.“

Unternehmen sollen zahlen

Übersteigt das Gehalt einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters 3225 Euro, soll künftig der Betrieb einen Kostenanteil von 15 Prozent für die Weiterbildungsbeihilfe übernehmen. Aus Sicht des IHS-Chefs sinnvoll: „Der Betrieb profitiert schließlich davon, wenn seine Leute durch öffentliche Mittel weitergebildet werden.“

Die alte Bildungskarenz war auch deshalb umstritten, weil Unternehmen sie als Benefit für scheidende Mitarbeiter vermarkten konnten – entweder als sanften Abschiedsbonus oder um während Auftragsflauten Teile der Belegschaft „zwischenzuparken“.

Ob mit dem neuen Modell, Arbeitgeber ihre Mitarbeiter tatsächlich in eine Weiterbildung schicken, sieht der IHS-Chef kritisch. Höhere Qualifikation könne nämlich auch bedeuten, dass Beschäftigte den Betrieb verlassen – ein Risiko für Betriebe. „Die Weitergebildeten werden mit größerer Wahrscheinlichkeit nicht im Unternehmen bleiben – dann fehlt der Anreiz für Betriebe, mitzuzahlen“, so Bonin.

Wann die neue Weiterbildungsbeihilfe tatsächlich startet, ist offen – das AMS rechnet mit der Umsetzung frühestens im April 2026. Bis zum 29. September können Sie noch hier Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf abgeben. 

Kevin Yang

Kevin Yang

seit November 2024 im Digitalteam von profil. Davor bei Wiener Zeitung und ORF.