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Blessuren in Blau: FPÖ-internes Drama wegen Sparpaket

Querelen in der FPÖ Niederösterreich und kein Ende in Sicht. Weil eine Gemeinderatsfraktion ein Sparpaket mittragen wollte, fliegen seit Wochen die Fetzen. Hunderte Funktionäre sollen nun parteikritische Post bekommen haben. Ein Anzeichen für größere Bruchlinien?

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FPÖ-Vizelandeshauptfrau Marlene Svazek tut es. Der einzige blaue Landeshauptmann, Mario Kunasek aus der Steiermark, tut es. Und auch Niederösterreichs FPÖ-Team in der Landesregierung muss es tun: Ein Sparpaket ausverhandeln und mittragen. So ist das, wenn Blaue in Verantwortung kommen und mit der Budgetrealität konfrontiert werden. Umso erstaunlicher, dass Vizebürgermeister Marcus Berlosnig und sechs weitere FPÖ-Mandatare aus der niederösterreichischen Kleinstadt Neunkirchen genau dafür aus der Partei geschmissen wurden: Sie wollten – als Juniorpartner der Stadtkoalition mit der ÖVP – ein Sparpaket mittragen. Sehr zum Missfallen der Landespartei. 

Die Frage: Zeigt der Fall einen größeren Riss innerhalb der Freiheitlichen oder werden hier alte Rechnungen beglichen? Fest steht: Wenn die blaue Landespartei dachte, dass nach den öffentlichen Scharmützeln der vergangenen Woche bald Ruhe einkehren würde, hat sie sich getäuscht: Denn der verstoßene Vizebürgermeister Berlosnig erweist sich als äußerst streitlustig und scheint sich nicht am öffentlichen Zwist mit seiner Ex-Partei zu stören. 

Wer mitstimmt, fliegt

Eineinviertel Stunden braucht man von der FPÖ-Landesgeschäftsstelle in St. Pölten zum Neunkirchner Rathaus. Doch die vergangenen Wochen war die niederösterreichische Landes-FPÖ ganz nah dran an der Kommunalpolitik der 13.000 Einwohner-Stadt. Kurz vor der Gemeinderatssitzung Anfang Oktober begann sich die blaue Spitze des größten Bundeslandes plötzlich für die Budgetpolitik in Neunkirchen zu interessieren, die die FPÖ-Mandatare dort federführend mitgestalten. Sie wollten ein Sparpaket mitbeschließen. Samstag vor der montäglichen Sitzung meldete sich Landesparteisekretär Alexander Murlasits telefonisch bei Berlosnig und verlangte, dass die Blauen dem Sparpaket nicht zustimmen. Sieben von neun Mandataren wollten der Anweisung aber keine Folge leisten. Wenige Stunden vor der Gemeinderatssitzung eskalierte die Situation. Die Landes-FP mit Landesgeschäftsführer Helmut Fiedler ließ verlautbaren, dass jeder FPÖ-Mandatar, der dem Budgetkonzept zustimme, aus der Partei fliegen würde. Der Ton war hart, das Timing setzte die Neunkirchner ordentlich unter Druck. 

Berlosnig und sechs der FP-Mandatare stimmten trotzdem fürs Budget. Und erhielten die folgenden Tage das Schreiben zu ihrem Parteiausschluss. Berlosnig holte zum Gegenschlag aus, schrieb an die Landes-, und Bundespartei und forderte dort seinerseits den Ausschluss von sieben FP-Granden, unter anderem Fiedler. Bisher ohne Reaktion. Im Bund verweist man auf das Land Niederösterreich als Auskunftsstelle und dort wolle man nicht mehr sagen, als schon kolportiert wurde. Murlasits ergänzt nur: Der Fall spiele für sie keine Rolle mehr. 

Aber das Drama ist noch lange nicht zu Ende. Bei einer Sondersitzung stellte sich die ehemalige FP-Fraktion in Neunkirchen vergangene Woche neu auf, Berlosnig bleibt Vizebürgermeister. Die beiden Parteitreuen Wilhelm Haberbichler und Bernd Trenk, der als parlamentarischer Mitarbeiter des Generalsekretärs Michael Schnedlitz arbeitet, verloren ihre Funktionen als Stadtrat sowie Bildungsgemeinderat.

Sollte jemand aus der niederösterreichischen FPÖ bis dahin die Aufregungen in Neunkirchen noch nicht mitbekommen haben, änderte sich das spätestens am Tag nach der Sondersitzung. Denn da landeten bei Hunderten niederösterreichischen FPÖ-Gemeinderäten blaue Flugblätter in der Post. Dort zu sehen sind Ausschnitte von Medienberichte der letzten Wochen und die Frage „Rollt dein Kopf als nächster, wenn du nicht blind gehorchst?“ Die Zettel wurden aus Neunkirchen abgeschickt. Berlosnig behauptet er weiß nicht, von wem. 

Kaum war die Tinte der Flugblätter trocken, folgt der nächste Streit. Das Freiheitliche Bildungsinstitut entschloss sich nach dem Rauswurf der sieben Mandatare kurzfristig einen Corona-Stammtisch mit Martin Rutter in Neunkirchen zu veranstalten. profil berichtete über den bekannten Verschwörungstheoretiker und seine Stammtische. Berlosnig distanzierte sich von der Veranstaltung. Der Stammtisch wurde schließlich nach Widerstand des Lokalbesitzers abgesagt.

Leb wohl FPÖ, Widerstand aus der Parteibasis 

Geht es hier um persönliches Hickhack oder sind das Brüche in der blauen Parteilinie, die sichtbar werden? Die handelnden Personen haben durchaus Bezug zur Region: Landespartei-Geschäftsführer Helmut Fiedler und Bundespartei-Generalsekretär Michael Schnedlitz wohnen beide in der Gegend. 

Und Fiedler und Berlosnig eint mehr, als nur der Wohnort Neunkirchen. Auch Fiedler war schon einmal Mitglied des Gemeinderats, bevor es ihn beruflich ins Ausland verschlug. Er und Berlosnig haben beide Berufserfahrung beim österreichischen Bundesheer gesammelt. Und promovierten sogar beide zu militärischen Rechtsthemen. Ist Neunkirchen einfach nicht groß genug für sie beide?

Aber der Konflikt schlägt auch über etwaige persönliche Befindlichkeiten hinaus Wellen. Auf Facebook meldet sich eine FPÖ-Gemeinderätin aus dem betroffenen Bezirk mit vernichtenden Worten, es ginge der FPÖ nur noch um „Macht, Intrigen und Selbstbedienung“. Und sie würde nicht schweigen, selbst wenn das ihren Rauswurf bedeute. Die Ehefrau eines FPÖ-Bezirkschefs sagte in einem Brief sogar Adieu zu den Blauen: „Diese Unwahrheiten und auch wie mit loyalen Parteifreunden umgegangen wird, sind für mich nicht mehr vertretbar. Deshalb: Leb wohl FPÖ!“.

Die ÖVP muss als Koalitionspartner einen Umgang mit dem internen FPÖ-Streit finden. Für Landesgeschäftsführer Matthias Zauner seien die Vorkommnisse bezeichnend für das Politik-Verständnis der Kickl-FP: „Statt Meinungen in den eigenen Reihen zuzulassen, werden Funktionäre eingeschüchtert, bedrängt und ausgeschlossen.“ Der blaue Landeshauptfrau-Stellvertretreter Udo Landbauer meldete sich übrigens gar nicht zur Causa.

Und wie rechtfertigen sich die beiden Gemeinderäte, die weiter für die FPÖ im Neunkirchner Gemeinderat sitzen? Wilhelm Haberbichler wollte nur eines dazu sagen: „Blöd gelaufen.“ So lässt es sich auch zusammenfassen.

Maria Prchal

Maria Prchal

ist seit 2025 Redakteurin im Digitalteam. Sie ist seit über zehn Jahren im Journalismus engagiert und hat Empirische Kulturwissenschaften sowie Moderne Südasienkunde studiert.