Die Alternative für Deutschland (AfD) ist mittlerweile fast so etwas wie die Schwesterpartei der FPÖ. Parteichefin Alice Weidel und Herbert Kickl begegnen einander mit Wertschätzung. Allerdings ist die AfD selbst den „Patrioten“ zu extrem und daher nicht Mitglied der Fraktion. Zur Veranstaltung nach Wien ist dennoch ein Vertreter gereist, der Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier, ein gebürtiger Darmstädter, der sogar über persönliche Erfahrungen mit NGOs verfügt: Als Zivildiener war er beim Mobilen Sozialen Hilfsdienst.
Blauer Anzeiger
Für die Freiheitlichen sprechen Generalsekretär Michael Schnedlitz („Die Regierung fördert die NGOs und nimmt gleichzeitig Oma und Opa das Essen weg“) und die FPÖ-EU-Mandatarin Petra Steger: „Die EU hat an NGOs Milliarden Euro ausgezahlt, während die Wirtschaft vor die Hunde geht.“ Härtester blauer Kämpfer gegen die NGOs ist Roman Haider, ebenfalls EU-Abgeordneter. Voller Begeisterung schildert er, wie viele Doppelseiten die „Kronen Zeitung“ bereits mit seinen Informationen über die Umtriebe von NGOs füllte. Im Juni brachte Haider bei der Europäischen Staatsanwaltschaft eine Anzeige ein. Es gäbe „schwerwiegende Verdachtsmomente, dass NGOs EU-Steuergeld erhalten haben, um gezielt Lobbyarbeit im parteipolitischen Interesse zu betreiben“. In seiner Sachverhaltsdarstellung bezieht sich Haider auf einen aktuellen Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs zur „Transparenz der EU-Finanzierung für nichtstaatliche Organisationen“. Darin kritisieren die Prüfer zwar, dass die an NGOs „vergebenen EU-Mittel nicht ausreichend transparent offengelegt wurden“ und eine „zuverlässige Übersicht“ fehle. „Schwerwiegende Verdachtsmomente“ für verdeckte parteipolitische Machenschaften, wie sie Haider vermutet, lassen sich daraus aber nicht ableiten.
Das journalistische Unterpfand für die praktische Politik liefern neue Internet-Portale wie „Nius“. Dessen Redakteur Björn Harms, Autor von „Der NGO-Komplex: Wie die Politik unser Steuergeld verprasst“, erklärt bei der „Patrioten“-Veranstaltung in Wien stolz, wie man „Mainstream-Medien vor sich hertreiben kann“. So hätte mittlerweile auch die „Welt“ die NGOs als „Deep State“ beschrieben.
NGOs auf schwarzen Listen
Wo Rechtspopulisten an der Macht sind, geraten NGOs rasch ins Visier der Gesetzgeber. In Ungarn beschloss die Nationalversammlung bereits 2017 ein Gesetz gegen NGOs, die mehr als 24.000 Euro pro Jahr aus dem Ausland erhielten. Diese mussten sich als „ausländisch finanzierte Organisation“ deklarieren. Nachdem der Europäische Gerichtshof das Gesetz als EU-rechtswidrig erklärt hatte, wurde es zurückgezogen. Derzeit plant die Regierung ein Gesetz, das es ermöglicht, aus dem Ausland geförderte NGOs auf eine schwarze Liste
zu setzen, so sie auch nur theoretisch die öffentliche Meinung beeinflussen könnten. Einwände der EU-Kommission werden ignoriert. Die Linie gibt Premier Orbán vor, der im heurigen Februar erklärte, NGOs müssten „aus dem Land gefegt“ werden. Orbáns Angriff richtet sich vor allem gegen das „Soros-Netzwerk“, das NGOs finanzieren und angeblich die ungarische Regierung stürzen wolle. Der US-Philanthrop George Soros gilt bei der ungarischen Regierung als Staatsfeind Nummer 1.
In der Slowakei macht es der linkspopulistische Regierungschef Robert Fico seinem ungarischen Amtskollegen nach. In Bratislava wurde bereits ein Gesetz erlassen, das aus dem Ausland finanzierten NGOs eine Registrierungspflicht auferlegt.
Maßnahmen der italienischen Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni richten sich vor allem gegen NGOs im Bereich der Seenotrettung von Flüchtlingen, deren Schiffe regelmäßig festgesetzt werden.
In Österreich kann die FPÖ ihre Anti-NGO-Linie auf Bundesebene nicht durchsetzen, weil Parteichef Herbert Kickl die Regierungsverhandlungen mit der ÖVP im Februar in den Sand setzte – und die FPÖ damit gewissermaßen selbst eine NGO blieb. In die blau-schwarzen Gespräche waren die Freiheitlichen mit der Forderung gegangen, Klima- und Umweltschutzorganisationen die Förderungen zu streichen. Dazu wollten sie ein eigenes Register für staatlich geförderte NGOs einführen und – wie in Ungarn und der Slowakei – deren Auslandsförderungen offenlegen lassen.
Als Oppositionspartei führt die FPÖ ihren Kampf gegen die NGOs aus dem Parlament heraus. Im Juni brachten blaue Abgeordnete Anfragen an alle Ministerien ein, mit jeweils 2100 Fragen auf über 200 Seiten. Darin forderten sie Auskunft über Förderungen der Ressorts an NGOS, aber auch über Mitgliedschaften von Politikern und deren Mitarbeitern in Organisationen. Die „NGO-Industrie“, so die EU-Abgeordnete Steger, würde Förderungen missbräuchlich einsetzen, um ihre politische Agenda zu betreiben.
Böser Alpenverein?
Die Anfrage war alles andere als professionell gestaltet. Die Liste der mehr als 700 abgefragten NGOs enthielt auch die Wirtschaftsuniversität Wien, die Universität für Bodenkultur und die Technische Universität Wien, die allesamt definitiv keine NGOs sind. Sogar über Zahlungen an den Alpenverein durch die Ministerien begehrten die Freiheitlichen Auskunft, obwohl sie diesen wie die Freiwilligen Feuerwehren und Sportvereine im Allgemeinen zu den – aus ihrer Sicht – guten NGOs zählen. Böse NGOs sind dagegen jene, die im Bereich von Migration und Menschenrechte tätig sind wie Amnesty International, ZARA oder die Asylkoordination Österreich.
Ende September folgte die nächste Aktion. Die FPÖ ließ einen sogenannten kleinen U-Ausschuss (im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses) einsetzen, der sämtliche Zahlungen an Vereine, gemeinnützige GmbHs und Stiftungen durch Ministerien, Unternehmen und Einrichtungen des Bundes durchleuchten soll. Vergangenen Donnerstag tagte der „kleine U-Ausschuss“ das erste Mal.
Allerdings sitzen die Freiheitlichen einem Irrtum auf. Der Großteil der öffentlichen Zuwendungen für NGOs läuft nicht über den Bund, sondern über Länder und Gemeinden. Größte Empfänger sind soziale Einrichtungen wie Caritas und Rotes Kreuz, die nicht pauschal gefördert werden, sondern mit den Kommunen und Ländern Leistungsverträge – etwa über Krankentransporte oder Pflegeleistungen – abschließen. Pauschalförderungen fließen vor allem in Kunst, Kultur und Sport. „Der Generalangriff der FPÖ auf alle NGOs ist nicht nachvollziehbar. Dass die Freiheitlichen von der Caritas bis zur Blasmusikkapelle jede NGO abfragen, zeigt, dass sie sich gar nicht für die konkrete Arbeit oder die genauen Förderungen von NGOs interessieren. Sie wollen aus politisch-strategischen Gründen ein Feindbild schaffen“, sagt Michael Meyer, Leiter des Instituts für Nonprofit Management und Governance an der Wirtschaftsuniversität Wien.
In der Steiermark geht der freiheitliche Landeshauptmann Mario Kunasek robust gegen NGOs vor. Man wolle „ein deutliches Zeichen gegen linke Klientelpolitik setzen“, sagt FPÖ-Soziallandesrat Hannes Amesbauer. Betroffen sind Projekte von NGOs, die sich mit Gewaltprävention, Integration und Frauenrechten befassen. Am Mittwoch warnte der Menschenrechtsbeirat der Stadt Graz, dass die Antidiskriminierungsstelle Steiermark vor dem Aus stünde, nachdem die Landesregierung „die finanzielle Unterstützung für den laufenden Betrieb vollständig eingestellt“ habe.
Der steirische Anti-NGO-Brauch dürfte den Teilnehmern der „Patrioten“-Veranstaltung im Parlament Dienstagabend gefallen. Zum Abschluss sollten die Diskutanten erläutern, wie der Einfluss linker NGOs reduziert werden könnte. Eher defensiv fällt das Rezept von Petra Steger aus: „Transparenz“. Die aus Sicht des Publikums richtige Antwort findet FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz: „Das Zauberwort heißt Kickl.“