Publikum beim Auftritt der Band Kneecap beim Glastonbury Festival

Kneecap abgesagt: Provozieren lohnt sich

Die irische Band Kneecap polarisiert, vorgeworfen wird ihr antisemitische Hassrede. Politische Parteien fordern Konzertabsagen und schaffen dadurch Bekanntheit und finanziellen Erfolg.

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„Free Palestine“ grölt die Menge beim diesjährigen Glastonbury Festival. Es wehen Palästina-Flaggen. Auf der Bühne steht die Band Kneecap, vor ihr 30.000 Menschen, laut Medienberichten eine der größten Menschenmengen bei der diesjährigen Ausgabe des britischen Musikfestivals. Das Logo von Kneecap zeigt eine Sturmmaske, eine Anspielung auf die IRA, die paramilitärische Irish Republican Army. Kneecap war lange primär mit der politischen Debatte rund um Nordirland verbunden. Erst mit ihrer Position zum Nahostkonflikt wurden sie einem weltweiten Publikum bekannt. 

Kneecap Rapper Mo Chara wurde im Frühjahr in England wegen des Tragens einer Hisbollah-Flagge angeklagt, der Vorwurf der Unterstützung einer Terrororganisation wurde fallen gelassen. Für seine Bekanntheit dürfte es sich ausgezahlt haben. Am Höhepunkt der Kontroverse wurde ein Wien-Termin bekannt gegeben. Seitdem fordern FPÖ, ÖVP und Neos in Aussendungen eine Absage und rühren damit die Werbetrommel für die Veranstalter. Österreich ist damit nicht allein: Das Hiphop-Trio durfte in Ungarn nicht einreisen, in Deutschland wurde es von Festivals ausgeladen und ein Berlin-Konzert abgesagt. Das angekündigte Wien-Konzert wird auch nicht stattfinden, so Insider aus dem Umfeld des Veranstalters.

Am Donnerstag schrieb meine Kollegin Natalia Anders über die „Great Jeans“ der US-Schauspielerin Sydney Sweeney. Dahinter steht ein Wortspiel des Gleichklangs von „Jeans“ und „genes“ (englisch für Gene). Für die einen ein Rassismus-Skandal, für Neos Klubobmann Yannick Shetty kein Grund zur Aufregung. Auf Instagram teilte er: „Was ich aber mittlerweile echt problematisch finde, ist, dass alles, was einem nicht gefällt, sofort als rassistisch oder politisch nicht korrekt abgestempelt wird.“ Generell gelten FPÖ und Neos als Verfechter der auch manchmal polarisierenden freien Meinungsäußerung, aber bei Kneecap scheinen die Grenzen enger gezogen zu werden. Die Band sei „terrorverherrlichend“ lässt die FPÖ in einer Aussendung am Donnerstag wissen, und auch die Wiener ÖVP richtet aus, „dass es vollkommen inakzeptabel“ sei, dass ein mit Steuergeld finanzierter Kulturverein „Terror-Verherrlichung“ und Antisemitismus eine Bühne bietet. Der Anlass: ein Kneecap-Filmscreenig in Wien-Wieden, das schlussendlich wegen Drohungen an den Veranstalter abgesagt wurde. 

Cui Bono?

Veranstalter des Wien-Konzerts ist die RACOON Live GmbH. Sie gehört mehrheitlich zur Barracuda Music GmbH, einem der größten Konzertveranstalter Österreichs. Unter anderem steht er hinter dem Frequency Festival, dem Nova Rock und den im Vorjahr abgesagten Konzerten des US-Popstars Taylor Swift. Dessen Muttergesellschaft ist die deutsche Firma CTS Eventim –  der Ticket-Gigant hinter dem Hurricane und dem Southside Festival. Dort wurden die Konzerte der irischen Band bereits im Mai abgesagt. 

Neben Kneecap promotet Racoon Live außerdem Tourtermine des umstrittenen Rammstein-Frontmanns Till Lindemann. 2023, am Höhepunkt der Missbrauchsvorwürfe gegen Rammstein, wurden auch Konzertabsagen gefordert. Heute tourt der 62-Jährige solo durch ausverkaufte Arenen weltweit.

Ist Racoon Live die Submarke für strittige Bands, mit denen Barracuda nicht unbedingt assoziiert werden möchte? Das lässt sich nicht beantworten und beide Firmen reagieren auf eine Mail-Anfrage von profil nicht. Im Entertainment-Bereich dürfte Kontroverse jedenfalls als Garant für Relevanz funktionieren.

Schon bei Rammstein zeigte sich: Auch dort, wo Labels sich öffentlich distanzieren, fließt weiter Geld. So stoppte Universal 2023 Marketing und Promotion für Rammstein – jedoch nicht die Rechteverwertung. Die liegt beim Verlag Universal Music Publishing Group. Auch Lindemanns Soloalbum erschien bei einem Subverlag von Universal.

Die politischen Rufe nach Absage des Kneecap-Konzerts dürften jedenfalls gewirkt haben. Unabhängig davon, dass der Wien-Auftritt der Band, die der Boulevard als „Hamas-Freunde“ bezeichnet, abgesagt werden wird: Nun sind Kneecap bekannt. Die Kontroverse um sie dürfte alle Mal lukrativ gewesen sein.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.