Morgenpost

Warum die WKStA nie begonnene Ermittlungen einstellt

Die WKStA wollte nie gegen Rainer Nowak ermitteln – und stellte nun doch Ermittlungen ein. Auch wegen Sophie Karmasin.

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Fast eineinhalb Jahre lang wurde gegen den früheren „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak ermittelt – oder auch nicht: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte 2022 eine anonyme Anzeige gegen Nowak geprüft. Das Ergebnis: Chats zwischen Nowak und dem früheren Öbag-Chef Thomas Schmid waren strafrechtlich nicht relevant. Man werde keine Ermittlungen einleiten und die Anzeige zurücklegen, meldete die Staatsanwaltschaft ihren Oberbehörden. Ende 2022 gelangte die 166-seitige Auswertung der WKStA an den ÖVP-U-Ausschuss und wenig später an die Öffentlichkeit.

Vergangene Woche, eineinhalb Jahre später, kam die Meldung: Die Ermittlungen gegen Nowak und Co. sind eingestellt. Aber die WKStA wollte doch gar nicht ermitteln? Und wieso dauern Nicht-Ermittlungen zwei Jahre lang? Zur Lösung führen Sophie Karmasin – und Marsmenschen.

Mehr als ein Bauchgefühl

Bei einer Anzeige prüft die Staatsanwaltschaft zunächst, ob ein Anfangsverdacht besteht oder der Vorwurf zu unwahrscheinlich klingt. Denn anzeigen kann man schnell. Laut Strafprozessordnung (StPO) liegt ein Anfangsverdacht dann vor, „wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist“. „Bloße Vermutungen bzw ein Bauchgefühl“ begründen noch keinen Anfangsverdacht, ergänzt der Gesetzgeber. Kurzzeit-Justizminister Eckart Ratz wird ein bildhafter Vergleich zugeschrieben: Steht in einer Anzeige, dass Marsmenschen den Bundespräsidenten entführt haben, könne man dieser getrost den Anfangsverdacht absprechen.

Aus der Wortfolge „bestimmte Anhaltspunkte“ ergibt sich, dass bloße Vermutungen bzw. ein „Bauchgefühl“ jedenfalls nicht zur Begründung eines Anfangsverdachts ausreichen.

Strafprozessordnung (StPO)

Andererseits sollten die Staatsanwaltschaften nicht ewig lange prüfen, ob ein Anfangsverdacht besteht. Irgendwann müssen sie die Entscheidung treffen, ob dieser besteht und tatsächlich Ermittlungen einleiten. Denn dann müssen Verdächtigte oder Beschuldigte auch als solche geführt werden. Damit bekommen sie gewisse Rechte und können etwa Akten eingesehen und Einsprüche erheben. Wird nur der Anfangsverdacht geprüft, müssen die Betroffenen hingegen nicht einmal informiert werden. Sie können sich folglich auch nicht auf die Vorwürfe vorbereiten. 

Wie Staatsanwaltschaften den Anfangsverdacht genau prüfen dürfen, ist aber eine offene Rechtsfrage: Wie lange dürfen die Staatsanwälte prüfen? Und welche Maßnahmen dürfen sie dafür setzen? Immer wieder kommt es zu auffällig langen Nicht-Ermittlungen, profil berichtete etwa über eine fast einjährige Anfangsverdachtsprüfung gegen die OMV. Grundsätzlich dürfen Staatsanwaltschaften zur Prüfung eines Anfangsverdachts neben öffentlichen Quellen wie Grund- oder Firmenbuch auch „behördeninterne Informationsquellen“ heranziehen. Anders gesagt: Was den Ermittlern schon vorliegt, dürfen sie anschauen. Aber gilt das zum Beispiel auch für das beschlagnahmte Handy eines früheren Cofag-Vorstands

Nun gibt es zumindest in Teilen eine Antwort – womöglich auch dank Sophie Karmasin. Im Zuge ihrer Ermittlungen in der türkisen Inseraten-Affäre prüfte die WKStA auch, ob die frühere Familienministerin womöglich bereits für das rote Kanzleramt unter Werner Faymann parteipolitische Umfragen auf Staatskosten durchgeführt hatte. Die Staatsanwaltschaft konnte nicht klären, ob die SPÖ oder das Kanzleramt gezahlt hatten, und stellte die Ermittlungen ein, profil berichtete

Wer Chats liest, ermittelt

Eigentlich hatte die WKStA nur einen Anfangsverdacht prüfen wollen. Dafür hatten die Ermittler elektronische Datenträger wie Karmasins Handy durchsucht – und damit offenbar unbewusst ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das entschied das Oberlandesgericht Wien im September letzten Jahres. Das Landesgericht Wien hatte das zuvor noch anders gesehen. 

Um die offene Rechtsfrage zu klären, schaltete sich nun die höchste Staatsanwaltschaft der Republik, die Generalprokuratur, ein. Kurz gesagt gibt sie den Staatsanwaltschaften fortan vor: Werden beschlagnahmte Datenträger gesichtet, ist die Anfangsverdachtsprüfung vorbei und es muss ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden.

Was hat das mit Rainer Nowak zu tun? Die WKStA prüfte die Vorwürfe gegen den früheren „Presse“-Chefredakteur und heutigen Wirtschaftschef der „Kronen Zeitung“ ausführlich und auf Basis von Chats auf dem Handy von Thomas Schmid. Wie bei Karmasin gilt aber: Liest die Staatsanwaltschaft Chats nach, ermittelt sie. Die Entscheidung scheint etwas länger gedauert zu haben.

Auch Ermittlungen gegen FMA-Vorstand Eduard Müller wurden aufgrund dieser Entscheidung eingestellt. Auch bei ihm wollte die WKStA eigentlich nur einen Anfangsverdacht prüfen. Also wundern Sie sich nicht, wenn Sie in den nächsten Wochen und Monaten von eingestellten Ermittlungsverfahren lesen, die nie geführt wurden. 

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Hat ein Faible für visuelle Kommunikation, schaut aufs große Ganze und kritzelt gerne. Zuvor war er bei der "Kleinen Zeitung".