Anzeigen gegen Supermärkte: Um diese möglichen Fake-Rabatte geht es
Wenn sie einen Supermarkt betreten, bricht Nervosität bei der Filialleitung aus: die Kontrolleure des Wiener Marktamts. Ihr Besuch ist unangekündigt, aber mit einem Plan: falsche oder missverständliche Preisauszeichnungen aufzudecken. Das wurde ihnen heuer von der Regierung als Schwerpunkt aufgetragen. Schon vor Wochen ist dem Marktamt zum Beispiel aufgefallen, dass bei beliebten Gummibären die Mengenangabe am Preisschild nicht mit jener am Sackerl übereinstimmt. Die Kundschaft glaubt, sie kaufe 200 Gramm laut Auszeichnung, aber eigentlich sind es nur 175 – eine Irreführung der Konsumenten. Und trotzdem, obwohl vor den Kontrollen gewarnt wurde, stimmen in jedem zweiten Geschäft die Angaben immer noch nicht. Von Seiten des Marktamts gibt es daher keine Kulanz mehr – es folgen Anzeigen.
Das Marktamt Wien und das SPÖ-geführte Sozialministerium sehen in der „Aktion scharf” einen großen Schlag gegen falsche Preisauszeichnungen. Die betroffenen Handelsketten hingegen eine unfaire Vorverurteilung einer ganzen Branche. Die Bilanz des Marktamts bis zum Herbst: auf 2242 Kontrollen folgten 304 Anzeigen. Allein im September folgten dann 198 Anzeigen auf 272 Kontrollen. Marktamts-Sprecher Alexander Hengl erklärt gegenüber profil, die Behörde gehe nun strenger vor. Keine Vorwarnungen mehr, sondern gleich Anzeigen. In wie vielen dieser Fälle sich eine Täuschung der Konsumenten tatsächlich belegen lässt und es zu Strafen gegen Supermärkte kommt, ist völlig offen.
Aber was hat das Marktamt bei seinen Kontrollen konkret entdeckt und angezeigt? „Nimm zwei und spare 80 Cent!“, versprach beispielhaft ein auffälliges Schild in einem Supermarkt. Doch direkt unter dem neuen Preisschild hing noch das alte. Die Kontrolleure mussten es nur hochklappen – und sahen: Ausgehend vom Ursprungspreis soll die tatsächliche Ersparnis gerade einmal 10 Cent betragen haben. Der Rabatt wurde laut Marktamt ums achtfache zu hoch dargestellt.
Weitere Anzeigen des Marktamts betrafen Fälle wie diese: Wühlboxen mit großen Aktionsschildern, obwohl die Produkte darin gar nicht reduziert waren. Angeblich reduziertes Mineralwasser, bei dem zwar der Vergleichspreis der Konkurrenz angegeben ist, nicht aber die Preishistorie des eigentlichen Produkts. Die Beispiele sind zahlreich. „Preisauszeichnung ist kein Wunschkonzert, sondern gesetzlich geregelt“, sagt Marktamtsleiter Andreas Kutheil. „Wenn sich der Inhalt ändert oder ein Rabatt beworben wird, muss das klar und nachvollziehbar im Regal stehen. Alles andere ist Täuschung.“
Handel gibt Fehler zu, bestreitet Absicht
Empört über die Vorwürfe zeigen sich die Lebensmittelketten und der Handelsverband. Branchensprecher Rainer Will ging in der Vorwoche im Ö1-Interview in die Gegenoffensive, nachdem die Schwerpunkt-Kontrollen bekannt geworden waren. Er polarisierte mit Bemerkungen wie: „Es ist ein Blödsinn, dass die Lebensmittelpreise hoch sind im Vergleich zu dem Hochlohnland, das wir haben.“
Rewe, Spar, Lidl und Hofer betonen auf profil-Anfrage, dass sie der Verantwortung für die korrekte Preisauszeichnung gewissenhaft nachkommen würden. Spar-Sprecherin Nicole Berkmann kann die Verdächtigungen aus der Politik nicht nachvollziehen: „Wir finden es höchst bedenklich, wenn ein Ministerium einen ganzen Wirtschaftszweig, der noch dazu zur Daseinsvorsorge gehört, pauschal und öffentlich der Unredlichkeit und Täuschung bezichtigt.“
Durch die großen Produktmengen und die vielen Preisänderungen würden natürlich Fehler passieren, aber es seien eben genau das: unbeabsichtigte Fehler. Rewe meint kryptisch: „Wenn wir auf Preisunterschiede aufmerksam gemacht werden, zeigen wir uns natürlich kulant.“ Gegenüber wem sich Rewe wohl kulant zeigen will?
Die Kontrollen und die Anzeigen des Marktamts haben eher symbolischen Charakter – denn die drohende Strafe ist nicht besonders hoch, sie liegt bei maximal 1450 Euro pro Fall. Gegen die Anzeigen legen die Händler außerdem immer Berufung ein, sagt der Marktamts-Sprecher.
Deswegen unterstützt das Marktamt auch die Klage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) gegen die Supermärkte. Denn eigentlich müssten bei Rabatten der günstigste Wert der letzten 30 Tage gekennzeichnet werden. Das passiere aber so gut wie nie, meint der VKI. Gerichte werden entscheiden.
Inflation verändert das Einkaufsverhalten
Fest steht: Österreicherinnen und Österreicher lassen sich aufgrund der Teuerung aktuell besonders stark von Schnäppchen bei ihrer Kaufentscheidung beeinflussen. Das zeigt eine repräsentative Online-Umfrage der Plattform Shopfully unter mehr als 1000 Befragten. Für 82 Prozent ist die Kategorie „Lebensmittel und Getränke” am stärksten von den Preissteigerungen betroffen. Fast 60 Prozent greifen häufiger zu Rabatten und Sonderangeboten, 75 Prozent sind regelmäßig auf aktiver Rabattsuche. Beinahe die Hälfte überprüft vor jedem Einkauf aktuelle Aktionen. Die Sparmaßnahmen der Haushalte wirken sich auch auf konkrete Produkte aus – am häufigsten wird auf Süßes verzichtet. Und wenn man sich dann doch einmal Schokolade oder Gummibären gönnt, muss man genau hinschauen, um nicht in die Rabattfalle zu tappen.