
Die Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Russland sind zutiefst angespannt.
Die Beziehungen erreichten im Juni einen Tiefpunkt: Willkürliche Verhaftungen folgten und Konzerte wurden abgesagt, während die Propagandamedien beider Staaten ausrückten.
Warum sich Russland und Aserbaidschan zoffen – kurz erklärt
Es hätte ein unaufgeregtes Interview mit dem Sender „Al-Arabiya“ für den Diktator Aserbaidschans, Ilham Aliyev, werden sollen. Doch ein Satz ließ einen bereits monatelang andauernden Konflikt neu aufflammen. „Wir haben unseren eigenen Staat geschaffen, den uns aber die Bolschewiki weggenommen haben“, klagte Aliyev im Gespräch mit dem saudischen TV-Kanal.
Truppen der Roten Armee stürzten 1920 eine bürgerliche Republik in Aserbaidschan. Aserbaidschan war jahrzehntelang Teil der Sowjetunion.
Eine Aussage, die eine Medienkampagne Russlands nach sich zog und nicht einer gewissen Ironie entbehrt: Aliyevs Familie stammt aus der „Nomenklatura“, der elitären Schicht aus Parteifunktionären der Sowjetunion. Kreml-nahe Medien wie „Tsargrad TV“ spotteten besonders über Heydar Aliyev, Vater des aktuell amtierenden Ilham Aliyev und früher Chef des KGB-Geheimdienstes in Aserbaidschan: Russische Accounts verbreiteten ein Foto von einem KGB-Ausweis – darauf der grimmig blickende Heydar Aliyev – in den Sozialen Medien.
Das Parlament des Kaukasusstaates, das hauptsächlich mit Aliyev-treuen Loyalisten besetzt ist, sprach am Dienstag von einer „abstoßenden“ Medienkampagne.
Doch der Konflikt köchelte bereits seit Wochen. Der Auslöser: Letztes Jahr stürzte ein Flugzeug der Azerbaijan Airlines (AZAL), auf dem Weg von Baku ins tschetschenische Grosny ab. 38 Personen starben. Womöglich hatte die russische Luftabwehr den AZAL-Flug abgeschossen. Aserbaidschanische Medien sprachen von einem „bitteren Nachgeschmack“ und warfen Russland vor den Fall zu vertuschen.
Tschetscheniens autoritär-regierender Präsident und Putin-Vertrauter Ramsan Kadyrow versuchte noch im Februar die Wogen zu glätten: Eine Gedenktafel in Grosny soll enthüllt werden, zwei AZAL-Flugbegleiter bekamen Medaillen. In Aserbaidschan empfand man Kadyrows Gesten als zynisch.
Wenn der abgeschossene AZAL-Flug die Zündschnur ist, ist eine Razzia im im russischen Jekaterinburg im Juni der Zünder. Die Beziehungen erreichten einen Tiefpunkt, nachdem zwei ethnische Aserbaidschaner, denen Russland vorwarf Teil von Mafia-Strukturen zu sein, in Polizeigewahrsam sterben: Willkürliche Verhaftungen folgten und Konzerte wurden abgesagt, während staatsnahe Medien zur Propagandaschlacht ausrückten. Leidtragende waren hauptsächlich die rund 70.000 in Aserbaidschan ansässigen Russen und die rund zwei Millionen ethnischen Aserbaidschaner, die in Russland leben.
Es ist eins von vielen Auf und Abs der Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Russland: Lange galt Moskau als Verbündeter Armeniens, mit dem Aserbaidschan jahrzehntelang um die in Vergangenheit hauptsächlich von Armeniern bevölkerte Region Bergkarabach konkurrierte. Doch mit Armeniens pro-westlichen Staatschef Nikol Paschinjan, der mittlerweile aus dem russischen NATO-Äquivalent OVKS auszutreten plant, zerstritt sich Russlands Präsident Vladimir Putin zunehmend.
Kurz bevor Russland die Ukraine 2022 überfiel, unterzeichneten Putin und Aliyev noch einen „Verbündetenvertrag“. Doch Aserbaidschan, dessen Bevölkerung großteils als pro-ukrainisch gilt, lieferte mehr als 40 Millionen Dollar an humanitärer Hilfe an die Ukraine, während aber ein Waffenembargo besteht. „Humanitäre Hilfe – ja, Waffen – nein, das ist meine Antwort“, beteuerte Aliyev noch 2024. Etwas, was sich womöglich ändern könnte: Die regierungsnahe Nachrichtenseite „Caliber“ berichtete im August, Aserbaidschan würde darüber nachdenken das Embargo abzuschaffen.