Signa und Kuverts voller Millionen
Wie war Ihr Wochenstart? Meine Arbeitswoche hat auf einem Hotelparkplatz in der verregneten Kremser Nebelsuppe begonnen. Dort huschten am Montagvormittag zahlreiche Anwältinnen und Anwälte mit Aktentaschen und Mappen unter dem Arm durch den Regen in Richtung der Hotellobby des Spa-Hotels Steigenberger. Und diese Mappen und Aktentaschen waren voller Millionen Euro schwerer Angebote, die das Ziel haben, die Gläubiger der drei großen insolventen Signa-Gesellschaften – Holding, Prime und Development – zu befriedigen. Und jahrelange, äußerst kostspielige und aufreibende Gerichtsprozesse zu verhindern, bei denen am Ende niemand etwas zu gewinnen hat.
Für René Benko geht es bald bei seinem zweiten Strafprozess am Innsbrucker Landesgericht um die Frage, ob er mit der Hilfe seiner Frau Bargeld und Wertgegenstände in einen Safe gesperrt und seine Gläubiger so um insgesamt 370.000 Euro geschädigt hat oder nicht – beide haben das bestritten. Hier in Krems geht es – ganz ohne Blitzlichtgewitter – hingegen um Hunderte Millionen Euro und um die Aufarbeitung der größten Firmenpleite der Zweiten Republik.
Unangenehme Einladung
Und so schritten die Anwältinnen und Anwälte weiter durch die Hotel-Lobby und in die Seminarräume des Hotels, die von eigens angeheuerten Securities bewacht wurden. Ohne Teilnehmerkärtchen kein Zutritt. Diese wurden sehr streng kontrolliert. An diesem Montag und Dienstag findet dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die (erste) Signa-Haftungskonferenz statt. Ende Juni ließen die Insolvenzverwalter der drei großen Signa-Gesellschaften per Aussendung wissen, dass sie eine Reihe von Aufsichtsräten, deren Versicherungen, aber auch die Vertreter der Signa-Steuerberater TPA und der -Wirtschaftsprüfer KPMG zu außergerichtlichen Verhandlungen über die Haftungsansprüche im Zuge der Signa-Pleite einladen. Keine angenehme Einladung – aber eine, der man sich auch nicht so leicht entziehen kann.
Zur Vorgeschichte: Die drei großen Signa-Gesellschaften fordern von ehemaligen Beiräten, Aufsichtsräten und Geschäftsführern, aber auch von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern insgesamt fast eine Milliarde Euro zurück. Darunter finden sich prominente Namen wie jener von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess-Hahn, Robert Peugeot aus dem Automobilclan oder Karl Sevelda, bis 2017 Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International. Sie alle hatten sich in den Dienst der Signa gestellt und waren mit gut dotierten Aufsichts- und Beiratsmandaten ausgestattet.
Dabei geht es nicht nur um Honorare, insbesondere für das Pleitejahr 2023. Bei den Forderungen handelt es sich um sogenannte Organhaftungsforderungen, um die jetzt eben in einem außergerichtlichen Verfahren gefeilscht wird. Die Verfahrensleitung übernehmen Niamh Leinwather, Generalsekretärin der Internationalen Schiedsinstitution VIAC, und der Rechtsanwalt Gernot Murko, Professor für Unternehmens- und internationales Wirtschaftsrecht an der Karl-Franzens-Universität Graz.
Sie nehmen die Kuverts mit den Zahlungsangeboten für die Gläubiger entgegen, und dann wird verhandelt.
Dem zugrunde liegt die Annahme – so zumindest die Rechtsansicht der Insolvenzverwalter –, dass die Betroffenen rechtzeitig hätten sehen und warnen müssen, dass bei Signa schon vor der Pleitewelle im November 2023 einiges im Argen lag. Die Signa Holding bezieht sich zum Beispiel auf ein Gutachten des Wirtschaftsprüfers Deloitte Finance, wonach die materielle Insolvenz schon im November 2022 vorlag. Also ein Jahr früher. Bis zum Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung am 29. November 2023 seien so noch 650 Millionen Euro an Verlust dazugekommen.
Hinzu kommen weitere Forderungen von Signa Prime und Signa Development, die insgesamt rund eine Milliarde Euro ausmachen. Nun wollen die Insolvenzverwalter Geld sehen. Und zwar eine ganze Menge Geld.
Laut einem Insider sollen am Montag und Dienstag im Kremser Spa-Hotel einige Hundert Millionen Euro an Angeboten über den Tisch gegangen sein. Zwei Tage lang verhandeln rund zwei Dutzend Involvierte über die Höhe und Angemessenheit der von Sevelda, Gusenbauer und Co. angebotenen Summen. Das Ziel: möglichst viel für die Gläubiger herauszuholen und langwierige Gerichtsprozesse und Klagen zu vermeiden.
Wie sehr alle Anwesenden einen zivilrechtlichen Gerichtsprozess vermeiden wollen, zeigt die Teilnehmerliste. Allein für die Signa Prime haben sich, wie profil aus involvierten Kreisen erfuhr, alle elf Aufsichtsräte angemeldet, die jedoch vor Ort von ihren Anwälten vertreten werden.
Wer haftet?
Anwesend sind übrigens auch ein paar Versicherungsvertreter. In Österreich haften Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte mit ihrem Privatvermögen, falls sie gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen. Weil die Forderungen – wie in diesem Fall – die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen ruinieren können, schließen sie sogenannte Directors-and-Officers-Versicherungen (D&O-Versicherungen) ab. Also eine Art Haftpflichtversicherung für Top-Manager und Aufsichtsorgane. Solche Versicherungen haben die Manager und Aufsichtsräte der Signa auch. In Krems wird wohl auch darüber diskutiert, ob und in welchem Ausmaß die Versicherung hier mitzahlen soll.
Auch wenn das gut abgeschirmte Treffen langjährige und kostspielige Gerichtsprozesse verhindern soll – die Geschichte ist hier noch lange nicht auserzählt. Nach der zweitägigen Konferenz müssen die Insolvenzverwalter der Signas die Angebote an die Gläubigerausschüsse weitergeben. Und dort müssen all jene, die bei der Signa-Pleite sehr viel Geld verloren haben, entscheiden, ob ihnen die angebotenen Millionen reichen oder eben nicht.
Erst wenn die Gläubiger und die Insolvenzrichterin zufrieden sind und Rechtssicherheit für alle Beteiligten herrscht, sind die Organhaftungsforderungen – vielleicht – vom Tisch. Bis dahin stehen aber noch ein paar Verhandlungsrunden an. Vielleicht sogar eine zweite Zusammenkunft, bei der noch ein paar Millionen mehr in Kuverts angeboten werden müssen.
profil wollte übrigens wissen, wie der erste Tag dieser Konferenz gelaufen ist und wie viele Millionen nun tatsächlich wer angeboten hat. „Kein Kommentar. Es handelt sich um ein nicht öffentliches Verfahren“, lautet die abgesprochene Antwort der Insolvenzverwalter-Sprecher. Mal sehen, ob aus dem Regen von Krems ein Geldregen wird. Oder, ob man einander doch vor Gericht wiedersieht.