Mutmaßliche Spendenbetrügerin aus Graz: Nun auch Ermittlungen wegen Pflegekindern
Im Fall Sanela G. tun sich neue Ermittlungen auf. profil und das Monatsmagazin „Datum“ hatten im September herausgefunden, dass sich die 33-Jährige nach dem Amoklauf in Graz unter anderem als Angehörige der Opfer ausgab, weil sie Spendengelder in Höhe von rund 37.000 Euro lukriert haben soll. Zudem soll sie Sozialleistungen von rund 23.000 Euro erschlichen haben, indem sie gefälschte Aufnahmebestätigungen für eine Pflegeausbildung beim AMS vorlegte. Sie wurde Ende September festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Graz-Jakomini. Nun kommen weitere Details über die mutmaßliche Betrügerin ans Licht: profil liegen Chats vor, die darauf hindeuten, dass Sanela G. möglicherweise zwei Pflegekinder in ihrer Obhut hatte. Unklar bleibt, ob die 33-Jährige auch im Zusammenhang mit den Pflegekindern finanziell profitiert haben könnte. Ein möglicher weiterer Betrugsfall wird jetzt geprüft.
„Ich habe mir eigentlich immer ein Mädchen gewünscht“
„Die Kinder sind enorm verwahrlost“, schreibt Sanela G. am 20. Juni 2024 via WhatsApp. Es wirkt wie ein beiläufiger Satz in einem Chatverlauf, der die Dimension des Falls nur andeutet. Vier Tage später soll sie die beiden Kinder kennenlernen: einen fünfjährigen Buben und ein kleines Mädchen, das offenbar gerade erst beginnt, einzelne Wörter zu formen. „Ich habe mir eigentlich immer ein Mädchen gewünscht“, schreibt sie in einer anderen Nachricht. „Erdbeer, Mama, Papa, Nein, Leer, diese Wörter kann sie sagen.“
Zu diesem Zeitpunkt dürfte Sanela G. bereits als Pflegemutter der beiden vorgesehen gewesen sein. Das lässt zumindest ein Gutachten erahnen, woraus sie immer wieder Auszüge in den Chat schickt. Denn im selben Chatverlauf tauchen Bilder eines psychologischen Gutachtens auf, ausgestellt von einer Sachverständigen aus Graz. Darin hält die Psychologin fest, dass bei den Kindern eine akute Gefährdung des Kindeswohls vorliege; beide Kinder würden „deutliche Entwicklungsrückstände und Entwicklungsauffälligkeiten“ zeigen. Weiters steht im Gutachten, dass die leiblichen Eltern „in ihrer Erziehungsfähigkeit eingeschränkt“ seien und dass durch eine „Hauptbetreuung“ ausschließlich durch die leiblichen Eltern das „Wohl der Kinder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet ist“. Die Psychologin empfiehlt daher die Übertragung der Obsorge an den zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT). In weiterer Folge kann der KJHT die Pflegeeltern mit der Pflege und Erziehung der Kinder beauftragen. Recherchen von profil bestätigen, dass die Sachverständige als Psychologin im Kinder- und Jugendtherapiezentrum in Graz tätig ist. Weitere Auskünfte zum Fall wollte man auf Nachfrage nicht geben.
„Sie wurde zu Hause geschlagen“
Am 24. Juni 2024 soll Sanela G. die Kinder in Obhut genommen haben. Kurz darauf schildert sie im Chat weitere Vorkommnisse, diesmal Verletzungen, die sie bei einem der Kinder bemerkt hatte. Wieder schickt sie Fotos: Das Mädchen sitzt dabei in einem Kindersitz auf der Rückbank eines Autos, an seinem Bein sind mehrere Kratzer erkennbar. „Die Kleine hat überall Verletzungen“, schreibt Sanela G. „Sie wurde zu Hause geschlagen.“ Was danach mit den beiden Kindern geschah, geht weder aus dem Chat noch aus dem Gutachten hervor.
Dass die Verdächtige immer wieder die Nähe zu Minderjährigen suchte, zieht sich durch ihre Biografie. Bereits ein Bericht des Onlinemagazins „Vice“ aus dem Jahr 2016, der erstmals über die mutmaßliche Betrügerin berichtet hatte, nährte den Verdacht, dass sie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bei sich aufgenommen hatte. Mehrere Personen, die im Sommer 2015 im Verein „Start Now“ in Traiskirchen als Flüchtlingshelferinnen und -helfer tätig waren, bestätigen gegenüber profil, dass Sanela G. damals geflüchtete Jugendliche bei sich einquartierte. Zu diesem Zeitpunkt war sie in Wien wohnhaft. Doch auch hier verliert sich die Spur: Was aus den jungen Menschen später wurde, ist nicht nachvollziehbar.
Unklar bleibt, was genau hinter dem Fall der Pflegekinder steckt. Hat Sanela G. die beiden tatsächlich aufgenommen, oder soll sie Gutachten und Dokumente gefälscht haben, um Pflegekindergeld zu erschleichen – und wie soll sie das gemacht haben? Die Polizei bestätigt lediglich, dass entsprechende Ermittlungen laufen. Am Donnerstag wurde die Untersuchungshaft der 33-Jährigen erneut verlängert wegen Tatbegehungsgefahr, heißt aus der Staatsanwaltschaft Graz.
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