FPÖ-Chef Herbert Kickl im Parlament

Warum parlamentarische Untersuchungsausschüsse nichts mehr taugen

Der VfGH verweigert der FPÖ einen Anti-ÖVP-U-Ausschuss. Gut so: Aus dem Kontrollmittel ist ohnehin ein parteipolitisches Tool geworden.

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Am 21. Mai brachte die FPÖ im Nationalrat das Verlangen auf Einsetzung eines „ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschusses“ ein. Untersuchungsgegenstand sollten einerseits die Ermittlungen in Zusammenhang mit dem Tod von Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek sein, zum anderen die Corona-Politik der türkis-grünen Bundesregierung.

Doch was hat der Tod des Sektionschefs mit den türkis-grünen Pandemie-Maßnahmen zu tun? Von einem „Wirr-Warr-Ausschuss“ sprach die ÖVP, von „Kraut und Rüben“ die SPÖ. Im Juli lehnten ÖVP, SPÖ und Neos im Geschäftsordnungsausschuss den U-Ausschuss-Antrag der freiheitlichen Abgeordneten ab. Diese wandten sich an den Verfassungsgerichtshof, um den Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses anzufechten.

Nun hat das Höchstgericht entschieden – und zwar gegen die FPÖ. Die Anfechtung wird als „unbegründet“ abgewiesen. Die Beweisthemen der FPÖ würden „in keinem inhaltlichen Zusammenhang zueinander“ stehen, die freiheitlichen Abgeordneten „die verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Untersuchungsgegenstand verkennen“. Laut Artikel 53 der Bundesverfassung kann nur ein „bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes“ Untersuchungsgegenstand sein.

Papa Schlumpf

Das Verlangen der FPÖ auf den U-Ausschuss ist ein rein parteipolitisches Manöver, um sich an der ÖVP für die im Februar gescheiterten Regierungsverhandlungen zu rächen. Denn das Wirken der Volkspartei wurde bereits in einem so genannten „ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss“ von 2021 bis 2023 durchleuchtet. 

Dass auch die ÖVP den Missbrauch dieses wichtigen Kontrollmittels beherrscht, bewies sie 2023 mit der Einsetzung des „rot-blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses“, der bei manchen Beobachtern unter „Papa-Schlumpf-Ausschuss“ firmierte und ebenso ein „Kraut und Rüben“-Ausschuss war wie der gescheiterte freiheitliche.

Der Untersuchungsausschuss ist als parlamentarisches Mittel unbrauchbar geworden. Statt Kontrolle und Aufklärung bringt er Parteienzank und Propagandaschlachten. Die Fraktionen überziehen einander mit strafrechtlichen Klagen wegen falscher Zeugenaussagen vor dem U-Ausschuss, statt sich im Plenum politisch auseinander zu setzen. 

VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter und Vizepräsidentin Verena Madner

Reformnot

Eine Reform ist notwendig. Ein erster Schritt wäre die vieldiskutierte Live-Übertragung der U-Ausschuss-Sitzungen im Fernsehen. Öffentlichkeit diszipliniert Mandatare, allerdings stellt sich das Problem, wie die Persönlichkeitsrechte von Auskunftspersonen gewahrt werden können.

Auch über schärfere Regelungen zum Einsetzen eines U-Ausschusses muss debattiert werden. Derzeit kann ein solcher auf Verlangen eines Viertels der Abgeordneten, also einer Minderheit, eingesetzt werden, was zu einer Inflation an U-Ausschüssen führt. Es sollte zumindest auch das Recht einer Minderheit sein, die Verfassungsmäßigkeit eines U-Ausschusses vom VfGH prüfen zu lassen. Derzeit ist dafür (siehe oben) eine Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats notwendig.

Für eine weitere Komplikation sorgte ausgerechnet der VfGH, indem er 2021 festlegte, dass Ministerien einem U-Ausschuss auch „abstrakt relevante“ Akten übermitteln müssen. Die Folge war ein Akten-Tsunami, der sowohl die Ministerien als auch den U-Ausschuss überforderte. Zusätzlich wurden in den vergangenen Jahren die Wechselwirkungen zwischen der Arbeit der U-Ausschüsse und zeitgleich laufenden strafrechtlichen Ermittlungen zum Problem.

Höchstgerichte werden in parteipolitische Auseinandersetzungen normalerweise nicht hineingezogen. Doch die FPÖ attackierte den VfGH gestern in bisher unbekannter Aggressivität. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker meinte in Richtung der Verfassungsrichter: „Das System schützt die ÖVP, und die ÖVP schützt ihre Netzwerke.“ Laut profil-Informationen war das Abstimmungsergebnis im VfGH einstimmig. Auch jene Höchstrichter, die einst von der Regierungspartei FPÖ ins Amt geschickt wurden, lehnten den blauen U-Ausschuss aus rechtlichen Gründen ab.

Gernot Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.