Zwei Männer reichen einander die Hände
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Von wem stammt Trumps Friedensplan?

Vergangene Woche schlugen die USA de facto die Kapitulation der Ukraine vor. In Genf haben die Europäer jetzt einen Gegenvorschlag vorgelegt.

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Der Plan, den die USA für ein Ende des Krieges in der Ukraine auf den Tisch gelegt haben, liest sich wie eine Wunschliste Moskaus. Zentrale Punkte sind die Anerkennung der Halbinsel Krim sowie der gesamten Regionen Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine als russisch (auch jene Gebiete, die Russland nicht erobert hat), die Aufteilung der Oblaste Cherson und Saporischschja im Süden des Landes entlang der aktuellen Frontlinie, eine Reduktion der ukrainischen Armee auf 600.000 Soldaten sowie die Garantie, keine NATO-Soldaten in der Ukraine zu stationieren und das Land auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht in die Allianz aufzunehmen. Ebenfalls vorgesehen ist eine Rückkehr Russlands in die Gruppe der G-8-Staaten.

Der Entwurf klingt, als stamme er aus der Feder Moskaus, und womöglich stimmt das auch.

Geheimverhandlungen zwischen den USA und Russland

US-Außenminister Marco Rubio und der Sondergesandte der USA Steve Wirkoff hätten den Plan wochenlang ausgearbeitet, hieß es aus dem Weißen Haus. „Es ist ein guter Plan für Russland und für die Ukraine“, sagte Regierungssprecherin Karoline Leavitt am Donnerstag. Daran gibt es erhebliche Zweifel. Kyiv (Kiew) kann dem Entwurf kaum zustimmen; Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte ihn eine „unmögliche Wahl“ zwischen dem Verlust der nationalen Würde und dem Risiko, mit den USA einen wichtigen Partner zu verlieren.

Infrage gestellt wird auch die Darstellung, der Entwurf stamme aus Washington. Laut US-Medien haben Vertreter der US-Regierung den Plan gemeinsam mit Vertretern Russlands in geheimen Beratungen ausgehandelt. Ende Oktober war der Kreml-Berater Kirill Dimitrew nach Miami gereist, um ein Wochenende mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner zu verbringen. Danach tauchte der Plan für die Ukraine auf. „Wir haben den Eindruck, dass die russische Position wirklich Gehör findet“, sagte Dimitrew gegenüber dem Nachrichtenportal „Axios“.

Als „Axios“ seinen Artikel über den geleakten Friedensplan auf „X“ stellte, kommentierte Witkoff: „Er muss das von K. bekommen haben.“ Seither wird darüber spekuliert, ob Witkoff mit „K.“ den russischen Verhandler Kirill Dimitrew meinte und ob er seinen Kommentar eigentlich als Direktnachricht verschicken wollte.

Gleichzeitig stellte der britische „Guardian“ die These auf, dass der ursprüngliche Plan auf Russisch verfasst wurde. Das Dokument enthalte einige Ausdrücke, die auf Russisch geläufig seien, in der Englischen Übersetzung aber seltsam wirkten, schreibt der ehemalige Moskau-Korrespondent des „Guardian“.

Auch aus dem Senat in Washington hieß es, der Plan sei nicht von den USA ausgearbeitet worden.

Trump droht Ukraine mit Stopp der Waffenlieferungen

Sicher ist: Die EU spielte in der Entwicklung des Deals für ein Kriegsende überhaupt keine Rolle.

Im Gegenzug für die Erfüllung langjähriger Forderungen müsste Moskau lediglich die besetzten Brückenköpfe in den Regionen Charkiw und Sumy räumen und auf weitere Gebietsansprüche verzichten, heißt es in dem Entwurf. Von den vielen Milliarden an russischen Vermögen, die im Ausland eingefroren sind, sollen 100 Milliarden US-Dollar in den Wiederaufbau in der Ukraine fließen. Im Gegenzug gibt die EU das beschlagnahmte russische Vermögen (rund 140 Milliarden) wieder frei.

Zunächst gaben die USA der Ukraine bis kommenden Donnerstag Zeit für eine Entscheidung, andernfalls würden die USA ihre Waffenlieferungen sowie die für die Ukraine zentrale Weitergabe von Aufklärungsdaten und Geheimdienstinformationen stoppen. Dann ließ Trump plötzlich wissen, es handle sich doch nicht um das „finale Angebot“.

Europa stellt eigene Forderungen

Offenbar zeigten die Appelle aus Europa Wirkung. Mehrere Staats- und Regierungschefs, darunter Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz und der britische Premierminister Keir Starmer, hatten mit Trump telefoniert und Europa in die Verhandlungen hinein reklamiert. Am gestrigen Sonntag begannen Gespräche zwischen Vertretern der USA und Europas in Genf, beteiligt sind auch Witkoff und Rubio. 

In der Schweiz haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien einen Gegenvorschlag auf den Tisch gelegt. Von Gebietsabtrennungen an Russland oder einer Anerkennung bereits eroberter Gebiete ist darin nicht die Rede, sondern: "Die Ukraine verpflichtet sich, ihre besetzten souveränen Gebiete nicht durch militärische Mittel zurückzugewinnen". Verhandlungen über Territorien, so heißt es weiter, beginnen an der Kontaktlinie. Es ist die Ausgangsforderung Europas, radikal Neues gibt es nicht. 

Etwas konkreter wird es bei der Beteiligung der NATO. Diese verpflichte sich, "in Friedenszeiten nicht dauerhaft Truppen in der Ukraine zu stationieren", heißt es. 

Klargestellt wird in dem Papier auch, dass die USA nicht über die Verwendung von Geldern entscheiden können, die in der EU eingefroren sind. Diese blieben so lange eingefroren, "bis Russland den in der Ukraine entstandenen Schaden ersetzt hat".

Ablenkung von Epstein-Files

Für Donald Trump hat die Aufregung über den Friedensplan in der Ukraine einen angenehmen Nebeneffekt. Die Debatte darüber, wer den Friedensplan verfasst hat, lenkt von anderen Themen ab, zum Beispiel von Trumps Verwicklungen mit dem verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Trump hat hart gekämpft, um eine Veröffentlichung der Akten zu dem Fall zu verhindern, doch bald sollen die Dokumente freigegeben werden. Darüber sprach am Wochenende kaum jemand.

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Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort und seit 2025 stellvertretende Ressortleiterin. Schwerpunkt: Europa und USA.