Die Verhandlungen zwischen dem Land und den zwei Banken begannen vor einem Jahr – und stehen profil-Informationen zufolge unmittelbar vor der Vertragsunterzeichnung. Hoch verschulden muss sich das Land Burgenland dafür nicht. Der Verkauf einer gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft darf nur zum Wert des Stammkapitals erfolgen, nicht auf Basis des Vermögens. Dieses ist enorm. Laut der jüngsten Bilanz (Stichtag: 31. Dezember 2023) verfügt die „Neue Eisenstädter“ über ein Sachanlagevermögen im Wert von 556 Millionen Euro, darunter Wohngebäude (im Wert von 133 Millionen Euro), unbebaute Grundstücke (49 Millionen Euro), unternehmenseigenes Miteigentum (160 Millionen Euro) und nicht abgerechnete Bauten (195 Millionen Euro). Mit dem Kauf wird das Land Burgenland also über Nacht ein Vermögen von einer halben Milliarde Euro erhalten – muss dafür aber nur zehn Millionen Euro bezahlen. So viel macht das Stammkapital der „Neue Eisenstädter“ aus. Raiffeisen und UBG leisteten Einlagen in Höhe von jeweils 4,998 Millionen Euro, die Stadt Eisenstadt in Höhe von 4000 Euro.
Druck vom Landeshauptmann
Doch warum verscherbeln die Banken ihr Vermögen um einen vergleichsweisen Bettel? Auf Anfrage von profil erklären Raiffeisen Burgenland und Erste Bank, zu möglichen Geschäftsvorhaben keine Auskunft geben zu können. Johannes Zink, Rechtsanwalt des Landes, teilt nur mit, dass man keinen Kommentar dazu abgeben werde.
Eine plausible Erklärung für den Verkauf: Aufgrund der Gemeinnützigkeit der „Neue Eisenstädter“ können die Banken aus ihrer Beteiligung keine Gewinne erzielen. Warum sie also halten, wenn sich mit anderen Geschäften weit höhere Renditen erzielen lassen – etwa mit Krediten an die burgenländischen Wohnbaugesellschaften und deren Kunden?
In burgenländischen Wirtschafts- und Politkreisen wird gemunkelt, Genosse Doskozil habe massiven Druck auf die Bosse von Raiffeisen Burgenland und Erste Bank ausgeübt, dem Land die „Neue Eisenstädter“ zu überlassen. Seit Jahren hat Doskozil die vier Bauträger im Visier, die seiner Ansicht nach mit Gemeinnützigkeit wenig zu tun haben. Sein Vorwurf: Statt die Mieten zu senken, würden die Unternehmen Kapital anhäufen. Mieter, die ihre Wohnungen erwerben möchten, müssen dafür den vollen Verkehrswert bezahlen – und nicht bloß die Errichtungskosten, wie es Doskozil fordert. Zwar ist diese Vorgabe gesetzlich gedeckt, doch treibt sie die Kaufpreise deutlich in die Höhe. Für den Landeshauptmann ein Unding: Seit seinem Amtsantritt im Februar 2019 ist leistbares Wohnen das zentrale politische Versprechen Doskozils.
So groß war sein Groll auf die Wohnbauvereinigungen, dass er vor zwei Jahren beschloss, ihnen auf dem Immobilienmarkt Konkurrenz zu machen. Das Land gründete dafür eine eigene Wohnbaugesellschaft: die „So Wohnt Burgenland GmbH“ (SOWO). Zwar fällt sie nicht unter das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, will aber dennoch sozialen Wohnbau ohne Gewinnabsicht anbieten. Doch die Bilanz ist mager: Bislang stehen gerade einmal sechs Reihenhäuser in Pinkafeld. Erfolgversprechender als ein Wohnbau-Start-up scheint da die Übernahme einer etablierten Gesellschaft mit Erfahrung im Immobiliengeschäft.
Gestrichene Förderungen
Eine Maßnahme des Landeshauptmanns aus 2023 verstehen die vier Wohnbauvereinigungen als weiteren unfreundlichen Akt: Über eine Richtlinie für Neubauten strich ihnen Doskozil de facto die Wohnbauförderung des Landes. Seitdem sind die Gesellschaften gezwungen, ihre Projekte über den Kapitalmarkt zu finanzieren – und das zu deutlich höheren Kosten. Nach der Übernahme der „Neue Eisenstädter“ wird es wohl wieder Förderungen geben, schließlich würde dann auch eine landeseigene Wohnbaugesellschaft davon profitieren. Als neuer Eigentümer der „Neue Eisenstädter“ muss Doskozil nun unter Beweis stellen, dass seine Wohnbaugesellschaft sozialen Wohnraum deutlich günstiger schaffen kann als die von ihm zuvor scharf kritisierten Gemeinnützigen im Burgenland.
Auch abseits des sozialen Wohnbaus befindet sich Hans Peter Doskozil in Shoppinglaune am Immobilienmarkt. Am vergangenen Mittwoch wurde bekannt, dass das Land die Zentrale der Raiffeisenlandesbank Burgenland in Eisenstadt um 11,4 Millionen Euro erworben hat. Die Bank verlegt ihren Standort an den Rand der Landeshauptstadt, wo im Jahr 2030 neue Büros bezogen werden. Ein Teil des dafür erworbenen Grundstücks gehörte ausgerechnet der „Neue Eisenstädter“ – quasi ein Deal der Mutter mit der Tochter. Der Kaufpreis sei „marktüblich“ gewesen, heißt es auf Anfrage von Raiffeisen.
„Doskonomics“ und Planwirtschaft
Dem ursprünglichen Zweck entsprach das Geschäft nicht. Schließlich wollte die „Neue Eisenstädter“ auf dem Grundstück sozialen Wohnraum schaffen. Aufsichtsbehörde der gemeinnützigen Bauvereinigungen im Burgenland ist die Landesregierung, die gegen den Verkauf des Grundstücks an Raiffeisen offenbar keinen Einwand hatte – auch wenn damit wertvolle Fläche für leistbares Wohnen verloren ging.
Norbert Hofer – früherer Dritter Nationalratspräsident, Ex-FPÖ-Chef und nun Klubobmann der FPÖ im burgenländischen Landtag – kritisiert Doskozil scharf: „Es geht hier um Projekte im Millionenbereich – und die Bevölkerung hat keinerlei Klarheit über Kosten, Risiken und Nutzen.“ Ein „sofortiger Stopp der Einkaufstour auf Kosten der Steuerzahler“ sei notwendig. Schon wird spekuliert, der Landeshauptmann wolle auch die Oberwarter gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft in den Einflussbereich des Landes ziehen.
Die politische Idee hinter der „Einkaufstour“ sind die „Doskonomics“. Im Wirtschaftsverständnis des Landeshauptmanns soll die öffentliche Hand – koste es, was es wolle – Aufgaben übernehmen, die in anderen Bundesländern von Privatunternehmen erfüllt werden. So gründete Doskozil auf seinem „Mehr Staat, weniger privat“-Kreuzzug ein landeseigenes Busunternehmen. Vehikel für seine Planwirtschaft ist die Landesholding Burgenland mit 78 Gesellschaften, 7300 Mitarbeitern und 1,6 Milliarden Euro Umsatz. Das Land betreibt Hochschulmensen und Schulbuffets, eine Ausbildungsstätte für Berufs- und Linienpiloten (Aviation Academy Austria), Thermen und ein Golfresort, die Neusiedler Seebahn sowie ein Kompetenz-Zentrum für Fliesen, Keramik und Ofenbau. Eine der umstrittensten Maßnahmen im Rahmen der „Doskonomics“ ist der vom Landeshauptmann verordnete Mindestlohn im öffentlichen Dienst in Höhe von 2000 Euro netto. Betriebe und private Sozialeinrichtungen klagen, kein Personal mehr zu bekommen, da der Landesdienst, vor allem bei niedriger Qualifikation, lukrativer ist.
Nicht immer funktionieren die „Doskonomics“. Im Jahr 2023 hatte das Land 195.000 Flaschen Rohsekt der A-Nobis Sektkellerei angekauft. Trotz der Rettungsmaßnahme schlitterte das Unternehmen in die Pleite. Bis heute werden die Flaschen in Parndorf gelagert. Sollte das Land den Sekt nicht verwerten können, hat ein Kreditinstitut vertraglich zugesichert, einen Teil der Ausfälle abzudecken: die Raiffeisen Landesbank Burgenland.