Kollage mit Haus vor Zeitungsschnipseln
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Expertin für Gemeindefinanzen: „Grundsteuer-Erhöhung ist alternativlos“

Bis 2029 müssen die Gemeinden 2,2 Milliarden Euro sparen. Eine höhere Grundsteuer könnte kurzfristig helfen. Zwischen Finanznot, Föderalismus und Verfassungsrisiko stellt sich die Frage: Wie lässt sich die Grundsteuer überhaupt reformieren?

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Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) gab sich im „ZiB 2“-Interview transparent: Er zahlt 54 Euro Grundsteuer im Jahr – für eine 100-Quadratmeter-Wohnung in Wien. Die Einnahmen sind so niedrig, dass ihre Einhebung teurer ist als der Ertrag. De facto ist die Grundsteuer heute eine Bagatellsteuer. Marterbauer sprach sich für eine Erhöhung aus – die Länder blockierten beim Stabilitätspakt.

Am Sonntag der Vorwoche trafen einander Vertreter:innen von Bund, Ländern und Gemeinden. Bereits im letzten Finanzausgleich (2017 bis 2023) war eine Arbeitsgruppe zur Grundsteuer vereinbart worden – sie endete ergebnislos

Die Bruchlinie verläuft nicht nur entlang von Parteigrenzen: Die Bundes-ÖVP und die Landesparteien stehen einer Erhöhung skeptisch gegenüber, die mehrheitlich schwarz regierten Gemeinden machen aber kräftig Druck für höhere Einnahmen. Denn bis 2029 wollen die Gemeinden 2,2 Milliarden Euro sparen.

Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) versprach den Gemeinden „andere Lösungen“. Welche das sein sollen, ließ das Kanzleramt gegenüber profil offen. Auch die Neos wollen andere Lösungen, als eine Erhöhung der Grundsteuer. Einzig die SPÖ zeigt sich offen für eine Erhöhung der Grundsteuer.

Ganz generell dreht sich die Diskussion um die Grundsteuer B. Sie besteht aus dem Hebesatz, den die Gemeinden bestimmen, dem Einheitswert, also dem Wert der zu besteuernden Einheit und der Steuermesszahl.

Föderale Bremse

Die Gemeinden fordern die Erhöhung, um überhaupt handlungsfähig zu bleiben, wie sie sagen. Die kommunalen Einnahmen bestehen im Wesentlichen aus Gebühren, Kommunalsteuer und Grundsteuer. 

Der Städtebund setzt auf höhere Hebesätze: Statt 500 Prozent sollen künftig, zeitlich begrenzt, 750 Prozent möglich sein. Das brächte, ohne Wien, rund 350 Millionen Euro zusätzlich – schnelles Geld für die Gemeinden.

„Die Mehreinnahmen aus der Grundsteuer kämen zu 100 Prozent den Gemeinden zugute. Das könnte die geringe Einnahmendynamik bei den Ertragsanteilen ausgleichen, die durch Steuerreformen der letzten Jahre und Kofinanzierung an die Länder entsteht. Gleichzeitig sind die Ausgaben stark gestiegen und da hat sich eine Lücke aufgetan“, sagt Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ). Damit sollen zentrale Leistungen wie Kinderbetreuung abgesichert werden. 

Veraltete Bemessungsgrundlage

Ein Haus, das heute gebaut wird, bewertet das Finanzamt nach Maßstäben aus dem Jahr 1973 – dem Jahr der letzten Einheitswert-Erhebung. Diese Bemessungsgrundlage gilt seit Langem als unhaltbar. Bis 2007 waren weitere Abgaben an die Einheitswerte gekoppelt, etwa die Erbschaftssteuer; 2008 hob der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sie auf, weil die historischen Werte die tatsächliche Preisentwicklung nicht widerspiegelten. Gleichartige Grundstücke wurden steuerlich unterschiedlich behandelt – ein Befund, der auch die Grundsteuer treffen könnte. Der VfGH bezeichnete die Einheitswerte bereits vor 17 Jahren als „historisch“.

„Die Erhöhung der Hebesätze ist zwar rasch umzusetzen und bringt auch einige hundert Millionen Euro Mehreinnahmen“, sagt Budgetexpertin Margit Schratzenstaller. „Nachhaltig ist das aber nicht.“ Dafür müssten die Einheitswerte an die realen Verkehrswerte angenähert werden. Eine jährliche Neubewertung wäre zwar sachgerecht, aber administrativ schwer umsetzbar; eine Anpassung im Mehrjahresrhythmus hält sie für realistisch.

Karoline Mitterer hält eine Aktualisierung der Einheitswerte dagegen für ungeeignet, um die Gemeindebudgets kurzfristig zu stabilisieren: Das Verfahren sei extrem komplex und kaum noch praktikabel. Aus Sicht von Schratzenstaller bräuchte es ohnehin neue Bewertungsverfahren, die erst entwickelt werden müssten.

Auch international zeigt sich das Problem veralteter Bewertungsgrundlagen. In Deutschland wurde die Grundsteuer vom Bundesverfassungsgericht gekippt, weil jahrzehntealte Werte zu Ungleichbehandlungen führten. Die Neubewertung dauerte fünf Jahre – schneller als erwartet. Auch Österreichs Städtebund verweist in seinem Vorschlag auf die Notwendigkeit einer „unbürokratischen“ und „verfassungskonformen“ Lösung.

Sparen und Reformen

Am Dienstag präsentierte das KDZ seine Studie zu den Gemeindefinanzen bis 2029 – inklusive Lösungsansätzen. Die Diagnose: ein struktureller Reformstau, der die Gemeinden finanziell schwächt. Lösungsvorschläge sind eine Kombination von strukturellen Einsparungen und Mehreinnahmen. Ohne zusätzliche Kürzungen und Reformen werde die Lage vieler Gemeinden kritisch bleiben.

Auf der Strecke bleiben laut KDZ-Prognosen Bereiche wie der Ausbau der Elementarpädagogik oder Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung: Hier droht ein weiterer Rückstau.

Das KDZ schlägt zusätzlich eine Grundsteuerreform, eine Reform der Finanzströme zwischen Länder und Gemeinden und einen Ausbau von Leerstands- und Zweitwohnsitzabgaben vor.

Eine Alternative wäre, so Schratzenstaller, eine Bodenwertsteuer: Sie besteuert nur den Grund, nicht das Gebäude, und würde gleichzeitig Flächensparen fördern. Weitere Lenkungsinstrumente wären etwa höhere Parkgebühren für SUVs oder eine City-Maut – beides würde zusätzliche Einnahmen bringen und zugleich ökologisch wirken.

Und die Mieter?

Ein relevantes Gegenargument: die Mieter. Was passiert, wenn eine erhöhte Grundsteuer über die Betriebskosten auf sie abgewälzt wird? 

Mitterer hält das Problem der Kostenweitergabe politisch für lösbar. Der Bundesgesetzgeber könne festlegen, dass die Grundsteuer von den Eigentümer:innen zu tragen ist. Alternativ ließe sich bei einer grundlegenden Reform ein ermäßigter Satz für gemeinnützigen Wohnbau einführen.

„Alternativlose“ Erhöhung

Hebt der Bund die Hebesätze unbefristet an, riskiert er, dass der Verfassungsgerichtshof eine dauerhafte Erhöhung kippt. Neue Bewertungsverfahren würden Geld und Zeit kosten – aber sie sind Voraussetzung für eine verfassungskonforme Reform. Expert:innen sowie die OECD empfehlen Österreich seit Jahren, die Grundsteuer zu reformieren und im Gegenzug Abgaben auf Arbeit zu senken.

„Die Grundsteuer-Erhöhung ist aus meiner Sicht alternativlos“, sagt Mitterer. „Unabhängig davon, ob sich jetzt das Volumen erhöht oder nicht, braucht es eine grundlegende Reform der Grundsteuer, weil sie in der jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß ist.“

Ob sich auf Bundesebene eher die SPÖ oder doch ÖVP und Neos durchsetzen, ist offen. Klar ist nur: die Lage der Gemeinden wird im trister.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.