Titelgeschichte

29 Fragen und Antworten zum Gendern

Wird im Kindergarten gegendert? Kann man an der Uni eine schlechte Note bekommen, wenn man auf geschlechtergerechte Sprache verzichtet? Und welche Regeln gelten im ORF? profil beantwortet 29 Fragen zum Thema Gendern.

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1. Was ist der Unterschied zwischen Unterstrich, Asterisk, Doppelpunkt und Schrägstrich?
Im Lauf der vergangenen Jahre haben sich mehrere Ideen durchgesetzt, wie Frauen und Angehörige weiterer Geschlechter sichtbar gemacht werden können. Die geläufigsten sind: Der Unterstrich (auch: „Gender-Gap“) „Leser_in“. Er soll laut Leitfaden der Akademie der bildenden Künste „auf eine Vielfalt möglicher und bestehender Geschlechter“ verweisen. Die Pädagogische Hochschule Tirol hingegen hat sich gegen den Unterstrich entschieden, da dieser „nicht-binäre Geschlechter symbolisch zwischen den zwei Polen Männlich und Weiblich verortet und damit der Identität vieler nicht-binärer Personen nicht gerecht wird“. Der Doppelpunkt „Leser:in“. Ihn verwendet zum Beispiel die Pädagogische Hochschule Tirol, um alle Geschlechter sprachlich zu repräsentieren. Weil jedoch der „Gender-Doppelpunkt“ formell noch nicht in den Regelwerken österreichischer Ministerien angekommen sei, werde in „rechtsrelevanten Texten“ wiederum dem Asterisk der Vorzug gegeben. Der Asterisk „Leser*in“. Er ermöglicht es laut dem Sprachleitfaden der Pädagogischen Hochschule Tirol, dank seiner „nicht-binären Logik“ alle Geschlechter sprachlich zu repräsentieren. Der Schrägstrich „Leser/in“. Er wird zwar oft als Variante für geschlechtergerechtes Formulieren angeführt, gilt allerdings im progressiven Milieu als veraltet, da er lediglich die weibliche Form hinzufüge, jedoch keinen weiteren Geschlechtern Raum gebe.
2. Was wurde eigentlich aus dem Binnen-I?
Das Binnen-I ist gewissermaßen die Mutter aller Sonderzeichen. Es tauchte bereits in den 1980er-Jahren als erstes sprachliches Werkzeug zur Sichtbarmachung von Frauen auf und sorgte gleichermaßen für Begeisterung wie Bestürzung. Mittlerweile jedoch hat es stark an Beliebtheit verloren. Statistiken belegen, dass das Binnen-I zusehends anderen Varianten Platz macht. Ein Wort wie „LeserIn“ schaffe zwar Gleichberechtigung zwischen dem Leser und der Leserin, doch nicht-binäre Menschen könnten sich darin nicht wiederfinden, so die Kritik.
3. Gendern die Österreicherinnen und Österreicher?
Eher nein. In einer Umfrage des OGM-Instituts Ende Juli für den „Kurier“ gaben 67 Prozent der Befragten an, das Gendern möglichst zu vermeiden. Zehn Prozent gendern beim Sprechen und Schreiben, neun beim Schreiben und drei beim Sprechen allein. In der Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache leben die Österreicherinnen und Österreicher in politischen Parallelwelten. 80 Prozent der deklarierten Grün-Wählenden gendern, während 90 Prozent der blauen Anhängerinnen und Anhänger es vermeiden.
4. Wer hält sich an die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung?
Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird von sieben deutschsprachigen Ländern und Regionen beschickt, er soll die Einheitlichkeit der Rechtschreibung bewahren und diese „im unerlässlichen Umfang“ – also so vorsichtig wie möglich – weiterentwickeln. Die Verwendung von Gender-Sonderzeichen („*“, „_“ „:“) mitten im Wort hat der Rat bisher nicht legitimiert. Für das Bildungsministerium gelten die Empfehlungen des Rates als „das verbindliche amtliche Regelwerk“. Andere Institutionen, wie etwa die Universitäten und Hochschulen, schlagen die Erkenntnisse des Rates im Fall der Gendersprache in den Wind.
5. Beginnt das Gendern bereits im Kindergarten?
Nach dem Willen des Bildungsministeriums: Ja. „Je früher Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter gesetzt werden, desto besser greifen sie“, antwortet das Ministerium auf profil-Anfrage.
6. Wie wird an Schulen gegendert?
Bis inklusive der achten Schulstufe (z. B. 4. Klasse Gymnasium) empfiehlt das Bildungsministerium die Nennung der weiblichen und männlichen Form („Schülerinnen und Schüler“), ab der 9. Schulstufe kann die „verkürzte Paarform“ („ein/-e Schüler/-in“) zum Einsatz kommen.
7. Weshalb finden sich in österreichischen Schulbüchern keine Habsburgerinnen?
In den österreichischen Schulbüchern wird gegendert, in Paarform, mit Sonderzeichen oder Binnen-I. Die Frequenz hängt vom Fach ab. Häufig wird in Lehrbüchern zu Geografie und Geschichte gegendert, allerdings nicht bei alten historischen Begriffen. So ist in Geschichtsbüchern wie „Denkmal“ oder „Weltgeschehen“ zwar von „Partisaninnen und Partisanen“ oder „Täterinnen und Tätern“ zu lesen, aber weiterhin nur von „Habsburgern“ und „Germanen“.
8. Können Abschlussarbeiten an Universitäten schlechter benotet werden, wenn sie nicht in gendergerechter Sprache verfasst sind?
Ja. Die Lehrenden entscheiden, ob sie geschlechtergerechte Sprache als Kriterium definieren. Halten sich die Studierenden nicht daran, so „fließt das natürlich mit in die Beurteilung ein und kann auch zu einer schlechteren Note führen“, erklärt die Universität Graz auf profil-Anfrage. Auch die Uni Wien handhabt das so. Laut Gender-Leitfaden der Uni Graz ist „die Verwendung des generischen Maskulinums keine geeignete Lösung für die präzise, wissenschaftliche Darstellung von Forschungsergebnissen“.
9. Ist das Gendern in der Verfassung verankert? 
Nein, in der Verfassung findet sich kein expliziter Hinweis darauf. Ebenso wenig ist Gendern verfassungswidrig. Vorgaben für geschlechtergerechte Sprache in Gesetzestexten gibt es nicht: Doppelpunkte, Binnen-I oder generisches Maskulinum – alles ist erlaubt. Justizministerin Alma Zadić von den Grünen schrieb in einem Gesetz ausschließlich von Gründerinnen, in Paragraf 27 hielt sie allerdings fest: Die weibliche Form beziehe sich „auf alle Geschlechter“, das schließt nicht nur Frauen und Männer mit ein. Einige Fachleute plädieren für eine einheitliche Lösung. Großteils, das zeigt eine Studie aus 2021, wird das generische Maskulinum verwendet. Im Büro von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) verweist man auf eine unverbindliche Richtlinie des Verfassungsdienstes aus dem Jahr 1990. Darin wird empfohlen, generell geschlechtsneutral zu formulieren, und wo das nicht möglich ist, die Paarform zu verwenden.
10. Gendert die Regierung?
Auch in der Regierung gilt: Jede Partei macht, was sie will. Die grün geführten Ministerien verwenden den Gender-Doppelpunkt. Im Bundeskanzleramt von Karl Nehammer (ÖVP) gilt ein unverbindlicher Gender-Leitfaden. Darin heißt es: „Die Verwendung gendergerechter Sprache bei der täglichen Arbeit – ressortintern sowie nach außen – ist ein wesentlicher und konsequenter Bestandteil der Geschlechtergleichstellung sowie deren Förderung.“ Auch das Recht auf das dritte Geschlecht, das der VfGH verankert hat, wird in dem Dokument erwähnt. Mit Verweis auf den Rat für deutsche Rechtschreibung hält man aber fest, dass Gendersternchen und Doppelpunkt nicht empfohlen werden. In der Kommunikation wird meistens die Paarform verwendet. Als ÖVP-Chef sieht Nehammer das nicht so streng. Wenn seine Partei ihn in Newslettern mit dem Titel „Kanzler-Wort“ zitiert, verspricht Nehammer in Bezug auf den Arbeitsmarktzugang: „Gemeinsam mit Experten, Praktikern und Politikern aus unterschiedlichen Fachbereichen werde ich ein neues Modell entwickeln.“
11. Was passiert, wenn Beamte und Beamtinnen in Niederösterreich „BeamtInnen“ schreiben?
Eine der ersten Amtshandlungen von Schwarz-Blau in Niederösterreich war es, einen „Gender“-Erlass zu beschließen. Er verbietet es den Landesbediensteten, mit Sonderzeichen zu gendern, zuvor war das Binnen-I in einem Leitfaden für bestimmte Texte sogar empfohlen. Im August wurde die Kanzleiordnung verändert. Sie regelt neben der korrekten Öffnung der Hauspost eben auch die Sprache. Zum Thema „Gendern“ findet sich ein einziger Satz darin: „Bei der Erstellung von Schriftstücken und Erledigungen sind das amtliche Regelwerk und die Empfehlungen, insbesondere 
,Geschlechtergerechte Schreibung‘, des Rates für deutsche Rechtschreibung zu befolgen.“ Also jene Empfehlungen, auf die sich auch das Kanzleramt bezieht. Die Paarform bleibt erlaubt. Wer über „NiederösterreicherInnen“ schreibt, könnte aber eine Ermahnung oder eine Geldstrafe ausfassen, kommunizierte das Land. Eine Kündigung drohe nicht.
12. Warum musste das Land Kärnten seine Gender-Offensive im Vorjahr wieder abblasen?
Mitte Dezember 2022 sorgte ein 72 Seiten langes Wörterbuch, das den Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache im Kärntner Verwaltungsdienst ergänzen sollte, für Wirbel. Darin wurden gebräuchlichen Begriffen gendergerechte Alternativen gegenübergestellt, etwa „landwirtschaftlich Beschäftigte“ für „Bäuerin“ oder „Bauer“ oder „Polizeikraft“ für „Polizist“. Die FPÖ machte – der Wahlkampf für die Landtagswahl im März lief gerade an – gegen den „Gender-Wahnsinn“ mobil. Landeshauptmann Peter Kaiser und die zuständige Landesrätin Sara Schaar, beide SPÖ, zogen das Wörterbuch schließlich zurück und fordern nun ein österreichweit einheitliches Nachschlagewerk für den öffentlichen Dienst.
 
13. Wer war erste wirkliche Landeshauptfrau in einem österreichischen Bundesland?
Gabi Burgstaller. Die SPÖ-Spitzenkandidatin siegte bei der Salzburger Landtagswahl 2004 und war neun Jahre lang Landeshauptfrau. In der Steiermark stand zwar von 1996 bis 2005 die ÖVP-Politikerin Waltraud Klasnic an der Spitze der Landesregierung, allerdings bestand sie darauf, als „Frau Landeshauptmann“ angesprochen zu werden. In Niederösterreich will der Freiheitliche Udo Landbauer nicht Stellvertreter einer Landeshauptfrau sein. Obwohl Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die Landesregierung anführt, nennt er sich Landeshauptmann-Stellvertreter. 
14. Was ist ein nicht-binäres Pronomen?
Die Pronomen „er“ und „sie“ sind eindeutig einem Geschlecht zugeordnet. Welches Pronomen soll man verwenden, wenn es sich auf eine nicht-binäre Person beziehen soll? „Es“ wird nachvollziehbarerweise als abwertend empfunden, also muss ein neues her. Bisher allerdings stieß man bloß auf fremdsprachige Varianten: „they“ (im Englischen eigentlich 3. Person Plural) wird – in besonders progressiven Kreisen auch im Deutschen – für eine nicht-binäre Person im Singular verwendet. Im Schwedischen gibt es die Neuschöpfung „hen“ (männlich „han“, weiblich „hon“) , im Französischen „iel“ (eine Kombination aus „il“ und „elle“).
15. Ist Gendern für die Wirtschaft zielgruppenrelevant?
Ein profil-Rundruf unter prominenten österreichischen Unternehmen zeigt: Die heimische Wirtschaft nimmt das Gendern ernst. „Als modernes Unternehmen ist eine gendergerechte Sprache für uns ein Muss“, heißt es von Spar. In den Prospekten wird – wie auch bei Billa – gegendert. Bei Erste Bank, Raiffeisen, Wiener Städtische und Uniqa stehen Gender-Leitlinien zur Verfügung. Die voestalpine plant als Export-Unternehmen auch die Einführung von fremdsprachigen Gender-Leitfäden. 
 
16. Muss gendergerechte Sprache grammatikalisch korrekt sein?
In dieser Frage sind sich die Befürworter der geschlechtergerechten Sprache uneinig. Ein Beispiel: „Der/die Ärzt/in“ ist sprachlich nicht korrekt, da die männliche Variante „Der Ärzt“ ergibt. Man nennt diese Überprüfung der Varianten die „Weglassprobe“. Der Leitfaden der Universität Graz empfiehlt diese, um unkorrekte Schreibweisen zu vermeiden. Anders sieht das der Leitfaden der Wiener Akademie der bildenden Künste: Darin heißt es, die Weglassprobe könne entfallen, denn es sei „unerheblich“, ob die Wortteile für sich Sinn ergeben.
17. Wird in der Gebärdensprache gegendert?
Laut einer Broschüre der österreichischen Gleichbehandlungsanwaltschaft zur geschlechtergerechten Sprache ist „die deutsche Gebärdensprache ursprünglich eine geschlechtsneutrale Kommunikationsform“. Erst „in jüngerer Vergangenheit“ werde gegendert, indem etwa nominale Bezeichnungen (z. B. Lehrer) mit der Gebärde für „Frau“ oder „Mann“ oder „Person“ ergänzt werden.
18. Wie kommen Sehbehinderte mit gendergerechter Sprache zurecht?
Schwierig. Bei Texten in Brailleschrift müssen Sonderzeichen – und damit alle Zeichen geschlechtergerechter Sprache – durch spezielle Ankündigungszeichen gekennzeichnet werden, „was den Lesefluss behindert“, erklärt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband. Auch „Screenreader“ – das sind Computerprogramme, die Texte vorlesen – „stolpern“ über Sonderzeichen, vor allem, weil es so viele unterschiedliche Varianten gibt.
19. Warum gibt es im Österreichischen Wörterbuch ein „ArbeitnehmerInnenschutzgesetz“, aber keine „ArbeitnehmerInnenveranlagung“?
Ob ein neues Wort oder ein gegenderter Begriff in das Österreichische Wörterbuch, dem amtlichen Nachschlagewerk für Schule und Verwaltung, aufgenommen wird, hängt von zwei Faktoren ab: Usus und Frequenz. Heißt: Erst der regelmäßige oder auch amtliche Gebrauch macht ein neues Wort offiziell. In der aktuellen 44. Auflage 2022 finden sich bereits „Covidioten“ (Seite 151) und „Impfneid“ (Seite 339), aber noch keine „ArbeitnehmerInnenveranlagung“. Zum Zeitpunkt der Drucklegung gab es offiziell nur eine „Arbeitnehmerveranlagung“. Daher findet sich nur diese männliche Form im ÖWB, mit dem Zusatz „ngW“ für „nicht gegenderte Wortform“.
20.  Wo außer in Niederösterreich ist Gendern noch verboten?
Überraschenderweise im liberal regierten Frankreich. Dort wurde die Verwendung der „inklusiven Schreibweise“ sowohl in Gesetzestexten als auch an Schulen untersagt. Als Grund dafür nannte die Regierung, dass Gesetze für alle lesbar und verständlich sein müssten, beziehungsweise, dass die inklusive Schreibweise das Erlernen der Sprache erschwere. Dazu muss man wissen, dass eine geschlechtergerechte Sprache im Französischen noch um einiges komplexer ist als im Deutschen. Weil nicht nur Hauptwörter, sondern auch Eigenschaftswörter und Partizipien geändert werden müssen, wird aus dem simplen Satz „Tous les étudiants autrichiens sont motivés“ (Alle österreichischen Studenten sind motiviert) in inklusiver Schreibweise eine Schlange mit acht Sonderzeichen: „Tou.te.s les étudiant.e.s autrichien.ne.s sont motivé.e.s.“
 
21. Warum ist der Streit um das Gendern ideologisch so aufgeladen?
Die Durchsetzung der gendergerechten Sprache wird von einer politisch progressiven Bewegung vorangetrieben. Sie tritt mit scharfen Forderungen gegen Sexismus, Rassismus und Diskriminierungen aller Art auf und verlangt ein allgemeines Umdenken in diesen Fragen. Dagegen hat sich eine antiprogressive – politisch rechts beheimatete – Gegenbewegung formiert, die sich in ihrer Lebensweise bedrängt fühlt und vor allem die – aus ihrer Sicht – autoritäre Haltung der „Woken“ ablehnt.
22. Warum wehren sich englischsprachige Schauspielerinnen gegen die Bezeichnung „actress“?
Es ist bloß ein winziges Beispiel, um zu illustrieren, dass sprachliche Geschlechtergerechtigkeit keine simple Angelegenheit ist: Im englischen Sprachraum, wo viele Berufsbezeichnungen geschlechtlich neutral sind – eine Frau ist ebenfalls ein „doctor“ oder ein „soldier“ wie ein Mann –, existiert die Unterscheidung zwischen „actor“ (Schauspieler) und „actress“ (Schauspielerin). Allerdings verzichten viele fortschrittliche Frauen auf diese Sichtbarmachung des Geschlechts und wollen keinesfalls „actress“ genannt werden. Whoopi Goldberg („Die Farbe Lila“, „Sister Act“) etwa erklärte: „Eine ‚actress‘ kann nur eine Frau verkörpern. Ich bin ein ,actor‘ – ich kann alles spielen.“ Während im Deutschen also bei der Oscar-Verleihung Schauspieler*innen im Auditorium sitzen, sind es im Englischen ausschließlich „actors“.
23. Was hält der Literaturbetrieb vom Gendern?
Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels vertritt die Interessen der heimischen Verlage. Laut Geschäftsführer Gustav Soucek sei das Gendern weniger in der Belletristik als in Sachbüchern relevant. Es liege an den Verlagen oder den einzelnen Autorinnen und Autoren, wie sie mit gendergerechter Sprache umgehen. Dass Verlage gegenderte Texte prinzipiell ablehnen, komme nur in Einzelfällen vor.
24. Gendern deutschsprachige Schriftstellerinnen und Schriftsteller?
Wenige. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist der Roman „Blutbuch“ von Kim de l’Horizon, ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2022.
25. Soll man das Damenfahrrad „Fahrrad mit tiefem Einstieg“ nennen?
Der Duden präsentiert in einer Publikation über das Gendern ein Wörterbuch mit neutralen Begriffen, die nicht gegenderte ersetzen: „Spaßbremse“ statt „Spaßverderber“ oder „Schlüsselfigur“ statt „Hintermann“ funktionieren. Schon schwerer fällt „Bienen züchtende Person“ statt „Imker“ oder „Geschwisterkind“ statt „Bruder“. Unpraktikabel erscheinen „Fahrrad mit tiefem Einstieg“ für „Damenfahrrad“ oder „flugzeugführende Belegschaft“ für „Pilot“.
26. Warum gibt es beim Bundesheer keine Wachtmeisterin und keine Hauptfrau?
Im Bereich des Verteidigungsministeriums wird wie im gesamten öffentlichen Dienst gegendert, allerdings nicht bei den Dienstgraden der Soldatinnen und Soldaten. Es gibt weder eine „Wachtmeisterin“ noch eine „Hauptfrau“. Gegendert wird durch die Voranstellung des Geschlechts, also „Frau Wachtmeister“ und „Frau Hauptmann“. Die Dienstgrade seien laut Verteidigungsministerium historisch begründet und würden deshalb beibehalten. Der Titel „Hauptmann“ benenne einen Offizier, der an der Spitze („Haupt“) einer „Mannschaft“ stehe.
27. Macht der ORF seinen Moderatorinnen und Moderatoren Vorschriften?
Im Juni reformierte der ORF sein internes Regelwerk für den Umgang mit geschlechtergerechter Sprache. Die Moderatorinnen und Moderatoren sollen bevorzugt männliche und weibliche Form gemeinsam oder abwechselnd verwenden. Abgeraten wird von Begriffen wie „Frauschaft“ oder dem Glottisschlag (eine kurze Pause mitten im Wort, um nicht-binäre Menschen zu inkludieren), der laut einer ORF-Umfrage nur von 37 Prozent der Zuseherinnen und Zuseher goutiert wird. Auch der Einsatz von Symbolen wie Stern, Doppelpunkt oder Unterstrich wird nur von etwa 40 Prozent geschätzt. Derartige Sonderzeichen erlaubt der ORF nur in sozialen Medien. Bei kurzen Inserts in TV-Sendungen ist sowohl der Gebrauch der femininen als auch der maskulinen Form zulässig. Die meisten Regeln sind allerdings nur Empfehlungen. Verwendet ZIB 2“-Moderator Armin Wolf den Glottisschlag, gibt es keine Rüge.
28. Wie hält es die APA mit dem Gendern?
Die Austria Presse Agentur (APA) ist neben dem ORF das Leitmedium des Landes – und damit auch Orientierungshilfe für viele Verlage. Im Juni 2021 einigten sich die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen APA, AFP, dpa, epd, Keystone-sda, KNA, Reuters und SID auf „ein gemeinsames Vorgehen im Bemühen um diskriminierungsfreie Sprache“. Die Nachrichtenagenturen verzichten auf die Verwendung von Sonderzeichen wie Genderstern, Unterstrich, Doppelpunkt oder Binnen-I. Das generische Maskulinum soll schrittweise zurückgedrängt werden. Man bemühe sich „um einen ausgewogenen Weg zwischen Anforderungen an Lesbarkeit und Textlänge sowie an gendergerechte Standards“, so Chefredakteur Johannes Bruckenberger.
29. Gendern die Redakteurinnen und Redakteure des profil?
Die profil-Redaktion folgt beim Verfassen von Artikeln sowohl in Print als auch auf profil.at einem Schema, das auch in vielen anderen Medien gilt. Zu Beginn eines Artikels wird einmal in Paar-Form („Politikerinnen und Politiker“) gegendert. In der Folge kann das generische Maskulinum („die Wähler“) verwendet werden. Allerdings ist diese Regel eher unverbindlich und wird von Redakteurinnen und Redakteuren unterschiedlich gehandhabt: Die einen gendern öfter, die anderen seltener. Sonderzeichen sind nicht vorgesehen, außer in Kommentaren oder bei Interview-Antworten. Die Debatte ist auch innerhalb der profil-Redaktion nicht abgeschlossen.
Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur