Und zu P.s Drang in ein Frauengefängnis heißt es aus dem Justizministerium: „Die Unterbringung von Strafgefangenen ist immer eine Einzelfallentscheidung, die unter Abwägung aller Umstände individuell getroffen wird.“ Jedenfalls müssten die Rechte der anderen „Insassen und Insassinnen“ geschützt werden. Fazit: P. wird wohl in einer Justizvollzugsanstalt für Männer einsitzen und auch nicht vom früheren Frauenpensionsantrittsalter profitieren. Aus einem Walter wird in der österreichischen Rechtsordnung nicht so ohne weiteres eine Waltraud.
Kontakt zu Neonazi Gottfried Küssel
Auf den ersten Blick wirkt der „Fall Waltraud“ wie ein Test der Justiz. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich etwas anderes: Ein Mann nutzt bewusst Verfahren, die dem Schutz von Minderheiten dienen, um persönliche Vorteile zu erlangen. Die Provokation ist kalkuliert, jeder Schritt auf öffentliche Wirkung bedacht. Doch wer ist der Mensch, der so etwas tut?
Es geht um jemanden, der seit Jahrzehnten in Netzwerke verstrickt ist, die Rechtsextremismus, organisierte Kriminalität und das Rotlichtmilieu verbinden. Seit den 1980er-Jahren pflegt P. Kontakte zu verurteilten Neonazis wie Gottfried Küssel und Franz Radl. Recherchen der Plattform „Österreich Rechtsaußen“ zufolge wurde er in der Vergangenheit mit Fällen von illegalem Waffenbesitz, Körperverletzung, Betrug und illegaler Prostitution in Verbindung gebracht. Parallel dazu verfolgt er seit 2020 das Projekt eines sogenannten Wehrdorfs im ungarischen Szőce, ein Rückzugsort für Rechtsextreme auf 30.000 Quadratmetern, nur eine halbe Stunde von der österreichischen Grenze entfernt.
„Regenbogensatanisten“
Auf seinem Telegram-Kanal teilte er im Juni 2023 ein Foto, offenbar von einer Regenbogenparade, und beschimpfte die Menschen darauf als „Regenbogensatanisten“.
Jetzt sucht P. bewusst das Rampenlicht. Im „Krone“-Interview erscheint er in Militärhose, der Kopf kahlrasiert, ein Bild martialischer Entschlossenheit. Wenige Tage später posiert er in einem anderen Beitrag oberkörperfrei, den Bizeps angespannt, die Hand um eine Hantel geschlossen, und verkündet, er habe beschlossen, „Gewichtheberin“ zu werden. Innerhalb der trans Community ist man sich einig: P. inszeniert sich bewusst als Provokateur. Es gehe ihm nicht um Geschlechtsidentität oder Selbstbestimmung, sondern darum, Empörung zu erzeugen. Bei Vertreterinnen und Vertretern stößt sein Verhalten auf blanken Zorn. Wer seit Jahren um Sichtbarkeit, Anerkennung und Rechte kämpft, sieht in P. jemanden, der all das ins Lächerliche zieht und für eigene Zwecke instrumentalisiert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie konnte Walter P. das Gesetz so aushebeln?
Eva Fels, Vereinsobfrau der österreichischen Transgendervereinigung „TransX“, gibt darauf eine Antwort. Sie war 2015 Teil der Arbeitsgruppe des Justizministeriums und 2025 erneut in der Arbeitsgruppe des Ludwig Boltzmann Instituts tätig, die sich mit der Situation von LGBTIQ-Personen in Haft beschäftigte. Die Studie des Instituts, die im September 2025 abgeschlossen wurde, dokumentiert die Erfahrungen von transgender Personen in österreichischen Gefängnissen. Viele von ihnen, sagt Fels, könnten bis heute nicht über ihre Zeit in Haft sprechen. Im „Fall Waltraud“ ortet sie ein Versagen des Gutachters: „Hier liegt mit Sicherheit eine Fehldiagnose vor.“
Gleichzeitig kritisiert sie, dass es bis heute keine verbindlichen Richtlinien gibt, wie trans Personen in Gefängnissen richtig behandelt werden sollten, weder in der medizinischen Versorgung noch im alltäglichen Umgang durch Justizbeamte. „Viele Beamte wüssten nicht, wie sie trans Personen ansprechen sollen, ob mit dem biologischen Namen oder dem Wunschnamen, welche Kleidung zulässig ist, welche besonderen Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen. All das haben wir vor zehn Jahren in der Arbeitsgruppe ausgearbeitet. Umgesetzt wurde davon bis heute kaum etwas“, sagt Fels. Gleichzeitig betont sie, dass jede Unterbringung individuell betrachtet werden muss. Ein Befund, der auch durch die länderübergreifende Studie des Ludwig Boltzmann Instituts bestätigt wird.
Dass jemand das Gesetz zur Geschlechtsänderung in Österreich missbraucht, erscheint vielen unvorstellbar. Ein Blick nach Deutschland zeigt jedoch, wie dünn die Trennlinie zwischen Selbstbestimmung und bewusster Provokation sein kann.
Marla-Svenja Liebich, ehemals Sven Liebich, bekannt aus der rechtsextremen Szene, nutzte im Jänner 2025 das dort gerade in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz, um offiziell als weiblich geführt zu werden. Im Juli 2025 wurde Liebich wegen Volksverhetzung zu eineinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Kurz darauf beantragte Liebich, analog zu Walter P., in einem Frauengefängnis untergebracht zu werden, und änderte sein Geschlecht. Das ist in Deutschland ohne medizinisches Gutachten möglich. Äußerlich unverändert, weiterhin mit Vollbart, trat Liebich also formal in die Rolle einer Frau ein. Der Fall wurde öffentlich als gezielte Provokation und Missbrauch des Gesetzes gewertet. Liebich erschien jedoch nicht zum Haftantritt. Nach eigenen Angaben hält er sich in Russland auf, einem Land, das für queere Menschen alles andere als sicher ist.
Anzeige wegen Urkundenfälschung
Im Gegensatz zum deutschen Selbstbestimmungsgesetz, das die Änderung des Geschlechts ohne medizinische Gutachten ermöglicht, ist der Weg in Österreich formeller: Laut Personenstandsgesetz ist dafür eine ärztliche Stellungnahme notwendig.
Joe Niedermayer vom steirischen Verein „RosaLila PantherInnen“ ortet bei P., ähnlich wie beim Fall Liebich, eine politische Motivation. Der Sozialverein, der sich vor allem der Aufklärung und Unterstützung von LGBTIQ-Personen widmet, stand
zuletzt selbst unter Druck durch die neue blau-schwarze Landesregierung. Soziallandesrat Hannes Amesbauer (FPÖ) kündigte an, 2,5 Millionen Euro an Fördermitteln für steirische Sozialvereine zu streichen. „Das alles wirkt wie ein bewusster Provokationsversuch“, sagt Niedermayer. „Man spielt mit einem Gesetz, das eigentlich den Schutz und die Rechte von trans Personen sichert, nur um Aufmerksamkeit zu erzeugen – und wir müssen am Ende dafür geradestehen.“ Der „Fall Waltraud“ spiele nur rechter Hetze in die Hände, sagt Niedermayer. Für ihn handle es sich hierbei schlicht um Sozialbetrug: „Das ist, als würde jemand Sozialleistungen beziehen und gleichzeitig weiterarbeiten. Es geht hier um ein Gesetz, das ihn gar nicht betrifft.“
Für Walter P. könnte der Fall weitreichende Folgen haben. Das Ministerium beauftragte das Wiener Magistrat, das psychiatrische Gutachten zu prüfen, das zur Änderung des Geschlechtseintrags führte. Aufgrund der Aussagen von P. gegenüber der „Krone“ könne „nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten und damit um einen strafrechtlichen Tatbestand handelt“. Das Bundeskriminalamt leitete Ermittlungen wegen des Verdachts des Sozialleistungsbetrugs ein, die Pensionsversicherung prüft den Fall.
Und die ehemalige grüne Nationalratsabgeordnete, Faika El-Nagashi, die sich in der Vergangenheit immer wieder transkritisch geäußert hat, erstattete Anzeige gegen unbekannt wegen Urkundenfälschung. Sie sieht darin ein Beispiel für gesetzliche Lücken bei Geschlechtsänderungen. „In diesem Fall ist deutlich geworden, wie einfach ein solches Gutachten hervorgebracht werden kann“, sagt El-Nagashi im Ö1-„Mittagsjournal“.
Fest steht: Unabhängig von Walter P. sind noch viele Fragen offen.