Hoffnungsträger, Multi-Minister, Buhmann: Die Babler-Story
Mehrere Schock-Umfragen lösen in der SPÖ Existenzängste aus. Parteichef Andreas Babler traut kaum noch jemand eine echte Trendwende zu. Wie kam es soweit? Und was ist wirklich dran an Gerüchten über eine Ablöse durch Kern oder Marterbauer?
„Leistbares Wohnen“, „Preise runter“, „Allen Kindern Alle Rechte“ und: „Fight the Oligarchy!“. In einem knalligen Posting auf Instagram zählt die SPÖ auf, was „die Politik von SPÖ-Chef Andreas Babler und Zohran Mamdani verbindet“. Anfang November gewann der 34-jährige US-Demokrat und Parteirebell Mamdani die Bürgermeisterwahl in New York. Die Aufbruchstimmung im Big Apple mag Babler an die Zeit vor zwei Jahren erinnern, als er die Parteispitze der SPÖ eroberte. Er, der hemdsärmelige Sozialfighter aus Traiskirchen, der sich – auch in der eigenen Partei – mit mächtigen „Oligarchen“ anlegt.
Babler wie Mamdani entfachten besonders bei jungen Linken ein Feuer. Davon bleiben in Österreich nur noch vereinzelte Glutnester.
In der Breite zündete Babler von Beginn an nicht. So holte er bei der Nationalratswahl im September 2024 mit 21 Prozent das schlechteste Ergebnis in der Parteigeschichte. Nach dem Regierungseintritt der SPÖ im Februar 2025 bewegte sich die Partei über Monate in der Gegend von 19 bis 20 Prozent. Und dann, Ende Oktober, der Schock: 17 Prozent, bescheinigt von mehreren renommierten Umfrage-Instituten.
Es folgten Detonationen in ehemaligen roten Kernländern. In der Steiermark kommt die SPÖ laut OGM nur noch auf 15 Prozent, in Oberösterreich laut einer Spectra-Umfrage für die „Oberösterreichischen Nachrichten“ auf 19 Prozent.
Nach außen ist in der altehrwürdigen Sozialdemokratie alles ruhig. Babler ist der einzige Kandidat für den Parteitag am 7. März. Kein Gegenkandidat zeigte auf oder wurde von Partei-rebellen installiert. Doch die scheinbare Geschlossenheit hinter dem Vorsitzenden kippt ins Gegenteil, wenn man in die Partei hineinhört. In zahlreichen Hintergrundgesprächen, die profil mit einflussreichen Sozialdemokraten quer durch die Bundesländer und Parteiflügel führte, verfestigt sich ein Bild: Kaum jemand traut Andreas Babler noch eine echte Trendwende zu. Und das nährt Personalspekulationen. Der Name des früheren SPÖ-Chefs und Kurzzeitkanzlers Christian Kern kursiert wieder. Andere sehen den beliebten SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer früher oder später in der Ziehung.
Ist es das „übliche Gesudere“ über die Parteispitze wie seit zehn Jahren? Eines ist dieses Mal anders. Existenzangst macht sich breit. Man fürchtet, außerhalb Wiens und des Burgenlands zur Regionalpartei zu verkommen. „Wir sind womöglich nur noch eine Wahl davon entfernt“, sagt ein Länder-Funktionär. Wie schnell es abwärtsgehen kann, zeigten die Schwesterparteien in Frankreich, Griechenland oder den Niederlanden.
Welchen Anteil hat Parteikapitän Babler an der Flaute? Was plant er, um die Partei wieder flottzubekommen? Und welche Pläne wälzen seine Gegner?
Was von Babler übrig blieb
Es wäre unfair, Babler die schlechten Umfragewerte allein umzuhängen. Er führte die SPÖ in eine Regierung, die es mit einem toxischen Mix aus hartnäckiger Wirtschaftsflaute, hoher Inflation und einem Rekorddefizit zu tun hat – geerbt von der schwarz-grünen Regierung. Als Babler im Wahlkampf soziale Segnungen wie eine Arbeitszeitverkürzung, Facharzttermin innerhalb von 14 Tagen oder eine Kindergrundsicherung versprach, war das wahre Ausmaß der Schulden noch nicht bekannt. Die Budgetbombe platzte erst nach der Wahl. Jetzt muss die SPÖ als Regierungspartei überall sparen, selbst bei Pensionisten durch höhere Krankenversicherungsbeiträge ansetzen. Eine bittere Pille. Denn bei dieser früheren Stammwählerschicht liegt die SPÖ nur noch an dritter Stelle hinter ÖVP und FPÖ.
Von sozialen Segnungen ist keine Rede mehr. Im Gegenteil: Selbst das rote Wien muss bluten. Geliefert hat Vizekanzler und Wohnbauminister Babler beim Kernthema Wohnen. Der Mietpreisdeckel trägt klar seine Handschrift. Mamdani könnte sich hier Ezzes holen. Das Problem für die SPÖ: Die Wirkung im Börsl ist beschränkt. Denn der Deckel senkt die Mieten nicht, sondern beschränkt nur aktuelle oder künftige Preissteigerungen. Die stark gestiegenen Betriebskosten schlagen hingegen bei allen Mietern bis hin zum Gemeindebau voll durch.
Das richtige Gespür bewies Babler neben den Mieten bei den teuren Lebensmitteln. Entgegen der Linie der Regierungspartner und des eigenen SPÖ-Finanzministers Markus Marterbauer pochte er auf eine deutliche Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Das hätte die Preise spürbar gesenkt, doch sagte er vergangene Woche die Pläne in einer Stellungnahme gegenüber profil ab. Es fehle schlicht der finanzielle Spielraum.
Dass man als Politiker auch in schwierigen Zeiten punkten kann, zeigt Markus Marterbauer. Der Finanzminister ist im APA-Vertrauensindex seit Monaten der beliebteste Regierungspolitiker. Er erklärt fachkundig, was er tut, und schafft so Vertrauen, die Lage im Griff zu haben. Marterbauer war vielleicht Bablers größter Dienst an der Partei. Der Parteichef setzte seinen Kandidaten gegen den Widerstand der mächtigen Wiener durch. Sein gesamtes Team schneidet besser ab als die Ministerriege von ÖVP und Neos. Doch Bab-ler selbst ist im selben Vertrauensindex abgeschlagen.
Er zieht als Person nicht, zeigen Detailanalysen des Meinungsforschers Peter Hajek. Stärkstes Indiz: Selbst unter den SPÖ-Wählern wünscht sich nur die Hälfte Babler als Kanzler. FPÖ-Chef Herbert Kickl kommt bei den eigenen Wählern auf über 80 Prozent, ÖVP-Chef Christian Stocker immerhin noch auf über 70 Prozent. Babler schaffte es auch nicht, Wähler zu halten. Von jenen, die bei der Nationalratswahl im Herbst 2024 Rot wählten, hat er über 40 Prozent verloren, während Kickl fast alle hielt, analysiert Hajek. Dessen Institut Unique Research hatte die SPÖ Ende Oktober nur noch bei 17 Prozent – und Babler in der Kanzler-Frage bei 14 Prozent.
Der SPÖ-Chef setzte mit seiner sozialen Armutsagenda den falschen Schwerpunkt in Zeiten der Wirtschaftskrise. Ein „Plan A“ für den Standort Österreich, wie ihn Christian Kern vor seiner Kanzlerschaft vorlegte, wäre aktueller. Deshalb trauern ihm nicht wenige in den Landesparteien nach.
Was ist Bablers Plan B, um die SPÖ aus dem Umfragetal zu führen? Hat er überhaupt die Zeit, einen zu entwickeln?
Babler hat sich als SPÖ-Chef, Vizekanzler, Wohnbauminister, Kulturminister, Sportminister und Medienminister einen Bauchladen an Zuständigkeiten umgehängt. Das verschafft viele Instagram-Postings und spannende Termine zwischen New York und der Wiener Buchmesse. Doch es bringt ihm auch viele Pflichttermine ein und bindet Ressourcen, die er bräuchte, um die Partei flottzubekommen.
„Es ist extrem schwer, aus solch einer Talsohle zu kommen“, sagt Meinungsforscher Hajek. Was es nicht einfacher macht: Der Boulevard hat Babler als SPÖ-Chef praktisch abgeschrieben. Die „Kronen Zeitung“ feixt über „immer mehr Spitzenfunktionäre“, die „BMW“ fahren: „Babler Muss Weg“. „Oe24“ schreibt von „SPÖ-Ländern, die an einem Kern-Comeback basteln“. „Heute“ lässt sich kaum eine Gelegenheit entgehen, mit Babler-Bashing Klicks zu generieren: „VIDEO: ,Sänk you very much‘ – Hier spricht Babler Englisch“.
Verstärken diese Medien Bablers Abwärtstrend oder erzeugen sie ihn? Der Boulevard fahre eine schamlose Kampagne gegen den Medienminister, weil er ihnen Förderungen und Inserate wegnehmen will, nehmen selbst bürgerliche Medien „Presse“ und „Salzburger Nachrichten“ Babler in Schutz. In der SPÖ wird auch auf Reichensteuern verwiesen, die Babler im Wahlkampf trommelte. Dadurch sei er besonders für die „Krone“ von Anfang an ein rotes Tuch gewesen.
Auf den Kampagnen-Vorwurf angesprochen, sagt der Chefredakteur der „Kronen Zeitung“, Klaus Herrmann: „Das entbehrt jeder Grundlage.“ Der Zeitung sei „die staatspolitische Rolle der SPÖ bewusst“. Man käme aber nicht umhin, über „misslungene Auftritte“, „politische Fehleinschätzungen“ des Vizekanzlers sowie den „immer tieferen Absturz der SPÖ“ in Umfragen zu berichten.
Manche Spitzenfunktionäre geben Babler auch deswegen keine Zukunft an der Parteispitze, weil ihnen die Fantasie fehlt, wie Babler dieses „Brandzeichen“ durch den Boulevard loswerden soll. Sie wälzen folgende Szenarien: Entweder bleibt Babler bis kurz vor der nächsten Nationalratswahl 2029, um einen neuen Kandidaten nicht vorher „zu verbrennen“. Oder die SPÖ droht so rasant abzurutschen, dass man früher reagieren müsse. In Oberösterreich und Tirol stehen 2027 Landtagswahlen an.
Beim letzten Wechsel an der SPÖ-Spitze drückten Wien und die Gewerkschaft Babler am Parteitag durch, um den Kandidaten der Länder, den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, zu verhindern. Dieses Mal wäre Kern ein potenzieller Länder-Kandidat. Wien und Gewerkschaft würden, wenn sich die Frage stellte, wohl eher zu Marterbauer tendieren.
Doch dieses Mal wollen die Länder dem Vernehmen nach keinen „Putsch“ mehr gegen Wien unternehmen. „Man kann die Burg erobern, aber ohne Wien nicht halten“, sagt ein führender Roter. Der Ball liege bei SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig.
Theoretisch könnte eine Mehrheit im Parteivorstand noch einen Gegenkandidaten zu Babler am Parteitag im März ins Rennen schicken. Mit Kern ist im Frühjahr wegen anderer Pläne definitiv nicht zu rechnen, ergeben profil-Recherchen. Für die Zeit danach ist nix fix.
Ludwig wurde erst im Frühjahr als Bürgermeister wiedergewählt. Ob er sich neben dem roten Wien dieses Mal stärker ums rote Österreich kümmert? Ein Machtblock in der Partei wird Babler sicher nicht leichtfertig opfern: die Gewerkschaft. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian unterhält eine Standleitung zum Parteichef.
Bei all den Planspielen sollte man nicht vergessen: Wenn Babler etwas kann, dann kämpfen. Nicht umsonst hat er es vom Traiskirchner Bürgermeister zum Parteichef der SPÖ, Vizekanzler der Republik, Kulturminister, Medienminister, Sportminister gebracht – im Land der Fußball-WM-Teilnehmer und weltmeisterlichen U-17-Mannschaft.
„Ich spüre in der Partei eine große Zustimmung“, sagt Babler im profil-Interview und macht damit klar: Er weicht nicht so schnell.
ist seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor „Wiener Zeitung“, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.