Immer mehr rote Landesparteien für Asylwerber-Arbeitspflicht
Die SPÖ-Länderorganisationen verschärfen ihre Asylpolitik. Immer mehr eifern dem Kurs von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nach, der für sich in Anspruch nimmt, FPÖ und ÖVP gleichermaßen in Schach zu halten.
Denn in den roten Landesparteien greift eine Maßnahme um sich, die vor einigen Jahren bei den Sozialdemokraten noch kritisiert worden wäre: Wieso nicht Asylwerbende zur gemeinnützigen Arbeit verpflichten? Die Befürworter argumentieren: Damit werden Gemeinden in der Personal- und Budgetnot entlastet und die Geflüchteten in ihrer Integration gefördert. Im Burgenland bereits seit Juli umgesetzt, zieht nun auch die in Kärnten regierende SPÖ nach. Und auch in Niederösterreich nimmt die SPÖ die Idee auf – obwohl sie momentan in der Opposition sitzt.
40 Asylwerbende arbeiten momentan im Burgenland nach dieser Regelung, teilte das zuständige Büro der Landesrätin Daniela Winkler mit. Weitere 42 Asylwerbende, die ebenfalls unter die Maßnahme fallen würden, sind wegen Betreuungspflichten ausgenommen oder weil sie an Schulungen teilnehmen. Bei der Präsentation im Juni ging das Land noch von 130 Personen aus. Eine profil-Recherche im September zeigte: Damals gingen nur 20 Asylwerbende einer gemeinnützigen Arbeit nach. Also hat sich die Anzahl in zwei Monaten verdoppelt.
Anfangs haperte es noch bei der Umsetzung, teilweise meldeten die Gemeinden ihren Bedarf beim Land, erhielten aber keine Rückmeldung. Die Abwicklung läuft über die Gemeinden oder die Baudirektionen: Sie müssen den Kontakt zu den Personen aufnehmen und sich um ihren Transport zur Arbeit und nach Hause kümmern – denn Asylwerbende haben in der Regel kein Auto. Im Burgenland hat sich bisher noch kein einziger Asylwerber der Arbeitspflicht entzogen. Theoretisch gäbe es bei einer Weigerung Konsequenzen: Leistungen aus der Grundversorgung würden gekürzt.
Feuerwehrautos waschen und Punkte sammeln
In Kärnten ließ sich die rot-schwarze Koalition davon inspirieren: Der neue Kärntner SPÖ-Landesparteichef Daniel Fellner und ÖVP-Obmann Martin Gruber kündigten Ende September ebenfalls eine Arbeitspflicht für Asylwerbende an. Ebenso wie eine „Hausordnung“, an der beide Parteien arbeiten wollen und die Geflüchtete unterzeichnen müssten.
Bei der SPÖ-Klub-Klausur dieses Wochenende bestätigten die Roten ihre Pläne. Außerdem fordern sie Konsequenzen für jene, die nicht gut genug Deutsch lernen. Umgekehrt soll es für erfolgreiche Prüfungen Belohnungen geben, zum Beispiel bessere Unterkünfte, meinte Fellner nach der Klausur. Und er brachte die Idee eines Punktesystems vor. Gut-Punkte könnten Personen etwa durch gemeinnützige Arbeit sammeln. Als mögliche Tätigkeiten nannte Fellner das Waschen von Verkehrsschildern oder Feuerwehrautos. Wie viel Geld die Asylwerbenden für ihre Hilfsdienste vom Land bekommen werden, könne man noch nicht sagen. Den kolportierten Maximalwert fünf Euro pro Stunde wollte das Land nicht bestätigen. Im Burgenland zahlt das Land eine Aufwandsentschädigung von 1,60 Euro pro Stunde.
Die Stadt Klagenfurt konnte auf profil-Anfrage noch keine möglichen Betätigungsfelder für Asylwerbende nennen. Nur so viel: Wenn kommende Woche die Erhebung des Landes startet, werde man sich damit beschäftigen.
Das Land geht von regem Interesse bei den Kommunen aus. Derzeit befinden sich rund 1900 Personen in der Grundversorgung in Kärnten. Davon sind laut Schätzungen 400 bis 600 Personen im arbeitsfähigen Alter, gesundheitlich fit und müssen keine Betreuungspflichten übernehmen. Bei Weigerung, den Vorgaben nachzukommen, sind wie im Burgenland Konsequenzen vorgesehen. Wie genau die aussehen sollen, wird gerade verhandelt.
Auch im schwarz-blauen Niederösterreich setzen Rote auf Asyl
Kärnten und das Burgenland zum Vorbild nimmt sich nun auch die SPÖ Niederösterreich. Vergangene Woche präsentierte Landesparteichef Sven Hergovich seinen „Plan für Niederösterreich“. Es sei noch kein Wahlprogramm, was da auf fast 50 Seiten Hochglanz von Energie über Bildung bis Mobilität vorgeschlagen wird. Aber man wolle die Rückmeldungen auf dieses Programm dann für die Wahl 2028 mitnehmen, hieß es bei der Präsentation.
Hergovich sprach sich bereits beim Duell zwischen Doskozil und Andreas Babler um den Bundesparteivorsitz für den Burgenländer aus. Nun folgt er dessen Asylkurs und fordert: eine Begrenzung des Zuzugs, die Arbeitspflicht und eine Hausordnung, die bei Verstößen nicht näher definierte Konsequenzen vorsieht.
Wie viele Personen betroffen wären, traut man sich nicht zu schätzen, da die Zahl der Asylwerbenden stark schwanken würde. Die Begründung für die Arbeitspflicht ist in allen drei Ländern gleich: Arbeit würde bei der Integration helfen. Gemeinden im Burgenland sagen außerdem offen: Über die billigen Arbeitskräfte sei man ganz froh. Die verpflichteten Geflüchteten übernehmen alle möglichen Tätigkeiten von Botengängen, Winterdienst, Friedhofspflege etc.
Und was sagt die FPÖ dazu, wenn die SPÖ plötzlich das Lieblingsthema der Rechtspopulisten besetzt? Sie kommt nicht umhin, die SPÖ zu loben: Der stellvertretende Klubobmann der FPÖ im Landtag, Christian Ries, meinte, die SPÖ setze damit genau jene Linie um, die die Freiheitlichen seit Jahren vertreten. Einen kleinen Seitenhieb auf die Grünen im Burgenland konnte man sich nicht verkneifen: Es sei ungewöhnlich, dass diese helfen, freiheitliche Politik umzusetzen.
In Niederösterreich führt der neue SPÖ-Kurs zu einer bizarren Situation: Dort überholen die Sozialdemokraten nun sogar die Freiheitlichen rechts. Auf die Frage von profil, ob er sich die Arbeitspflicht in Niederösterreich vorstellen könne, ging FPÖ-Landesrat Martin Antauer nicht ein. Er verwies lieber auf einen Bereich außerhalb seiner Zuständigkeit und unterstellte dem ÖVP-geführten Innenministerium ein „Totalversagen“.
Wien bleibt bei eigenem Modell
Der neue scharfe Kurs ist aber längst nicht in allen roten Landesparteien angekommen. In Wien sehe man „keine Veranlassung, an der aktuellen Praxis etwas zu ändern.“ Dort können Asylwerberinnen und Asylwerber freiwillig Hilfsarbeiten verrichten und bekommen dafür einen Anerkennungsbeitrag. Außerdem beteiligen sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtungen der Wiener Grundversorgung an gemeinnützigen Tätigkeiten.
Asylkoordination: Vorsicht vor Ausbeutung
Die Asylkoordination hat nichts gegen Arbeit für Asylwerbende, sie stört sich aber an der Umsetzung. Seit 20 Jahren setze man sich dafür ein, dass gemeinnützige Arbeit für Asylwerbende möglich wird, sagt Sprecher Lukas Gahleitner-Gertz. Gemeinnützige Tätigkeiten können dazu beitragen, dass es eine geregelte Tagesstruktur gibt und die Betroffenen die Sprache im Alltag erlernen.
Aber, so Gahleitner-Gertz, Vorrang muss immer die Integration in den regulären Arbeitsmarkt haben, Lohndumping und Ausbeutung sollten verhindert werden. Bis 2021 gab es sogar ein Arbeitsverbot für Asylwerbende in Österreich. Doch nun sei man von einem Arbeitsverbot zur Arbeitspflicht gewechselt.
Die bisherigen Versuche im Burgenland würden zeigen, dass zwar der Wille bestehe, die erforderlichen Strukturen aber dort nicht gegeben wären. Schließlich haben 38 Gemeinden Bedarf angemeldet, aber nur in neun sind Asylwerbende tätig, heißt es aus dem Burgenland. Es sei ein klares Zeichen dafür, dass man nicht an einer sinnvollen Umsetzung der Schaffung einer Tagesstruktur und Einbindung von Asylwerbenden in gemeinnützige Tätigkeiten interessiert sei: „Im Vordergrund steht das Zeichen an das Wahlvolk: Seht her, wir lassen ihnen keinen Spielraum, wir sind noch restriktiver als die FPÖ. Das beständige Schielen auf die FPÖ befördert eine Spirale nach unten, die Mindeststandards untergräbt.“
Damit die Arbeitspflicht einen Beitrag zur Integration leisten könne, brauche es Dolmetscher, Transport, jemanden, der die Asylwerbenden koordiniert. Die erforderlichen Ressourcen hätten die Gemeinden in der Vergangenheit nicht gehabt und hätten sie auch heute nicht.