Wie die neuen SPÖ-Landeschefs ihre Partei verändern

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Drei Neue in zwei Wochen: In der SPÖ geht es derzeit rund. Mit Daniel Fellner (48) in Kärnten, Max Lercher (39) in der Steiermark und Martin Winkler (62) in Oberösterreich wählten die Genossinnen und Genossen drei neue Landesparteichefs. Auch der Tiroler SPÖ-Obmann Philip Wohlgemuth (38) wurde erst im Juni im Amt bestätigt. In Salzburg ist der Chefsessel weiterhin vakant.
Die SPÖ wechselt ihre Spitze in mehr als der Hälfte aller Bundesländer aus. Was macht das mit der Partei? Und wie schlagen sich die Neuen?

LANDESPARTEITAG DER SPÖ KÄRNTEN ÜBER NACHFOLGE VON LH PETER KAISER: FELLNER
© APA/WOLFGANG JANNACH
LANDESPARTEITAG DER SPÖ KÄRNTEN ÜBER NACHFOLGE VON LH PETER KAISER: FELLNER
Daniel Fellner (48)
folgt in Kärnten Peter Kaiser nach. In die nächste Landtagswahl wird Fellner wohl als Landeshauptmann gehen.
Die Ausgangslagen könnten unterschiedlicher kaum sein: Daniel Fellner folgt in Kärnten Peter Kaiser nach, neben Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil einem der letzten drei mächtigen SPÖ-Landeschefs. Noch vor der nächsten Landtagswahl 2028 wird Fellner von Kaiser auch das Landeshauptmann-Amt übernehmen.

LANDESPARTEITAG SPÖ STEIERMARK MIT WAHL VON MAX LERCHER ZUM PARTEIVORSITZENDEN: LERCHER
© APA - Austria Presse Agentur
LANDESPARTEITAG SPÖ STEIERMARK MIT WAHL VON MAX LERCHER ZUM PARTEIVORSITZENDEN: LERCHER
Max Lercher (39)
übernimmt in der Steiermark eine Partei, die sich zum ersten Mal in Opposition zurecht finden muss.
Max Lercher hat die steirische SPÖ indes an ihrem Tiefpunkt übernommen, zum ersten Mal in ihrer Geschichte sind die Roten in Opposition – und zum ersten Mal regiert ein blauer Landeshauptmann die grüne Mark. Martin Winkler wiederum führt in Oberösterreich nun eine Partei, die Opposition seit zehn Jahren kennt, anders als Lercher hat er zumindest ein Mandat in der Proporz-Regierung.

LANDESPARTEITAG DER SPÖ - OBERÖSTERREICH MIT BESTÄTIGUNG VON MARTIN WINKLER ALS VORSITZENDEN: WINKLER
© APA - Austria Presse Agentur
LANDESPARTEITAG DER SPÖ - OBERÖSTERREICH MIT BESTÄTIGUNG VON MARTIN WINKLER ALS VORSITZENDEN: WINKLER
Martin Winkler (62)
hat in Oberösterreich zwar einen Sitz in der Proporz-Regierung, in der Koalition ist seine SPÖ aber schon seit zehn Jahren nicht mehr.
Und Philip Wohlgemuth ist in Tirol Juniorpartner der Volkspartei – und würde das wohl auch gern bleiben.

ORDENTLICHER PARTEITAG DER SPÖ TIROL: WOHLGEMUTH
© APA - Austria Presse Agentur
ORDENTLICHER PARTEITAG DER SPÖ TIROL: WOHLGEMUTH
Mit Stift bewaffnet
Nach den Rückschlägen ihrer Parteien setzen die neuen roten Landeschefs auf offene Ohren: Alle vier wollen zuhören. In Tirol war Philip Wohlgemuth seit Anfang des Jahres auf einer Tour durch alle Bezirke unterwegs: „Das hat sich ausgezahlt“, sagt Landesgeschäftsführerin Eva Steibl-Egenbauer: „Wir haben direkt wieder von vorn gestartet und machen aus der Tour eine Tournee!“
Der ehemalige Unternehmer Martin Winkler ließ Oberösterreich zunächst von außen vermessen, bevor er sich für den Job als SPÖ-Landesparteichef entschied: Er gab auf eigene Kosten eine große Meinungsumfrage in Auftrag – mit genügend Teilnehmerinnen und Teilnehmern, um auch politische Präferenzen, wichtige Themen und Emotionen auf Gemeindeebene zu erkennen.

LANDESPARTEITAG DER SPÖ KÄRNTEN ÜBER NACHFOLGE VON LH PETER KAISER: FELLNER
© APA/WOLFGANG JANNACH
LANDESPARTEITAG DER SPÖ KÄRNTEN ÜBER NACHFOLGE VON LH PETER KAISER: FELLNER
In Kärnten kündigte Daniel Fellner am Landesparteitag eine Tour durch alle Kärntner Gemeinden an: „Wir werden bewaffnet sein mit einem Stift und mit einem Papier, und dann werden wir mal zuhören und aufschreiben.“ Die Eindrücke sollen 2026 Grundlage für eine „Kärnten-Konferenz“ sein, auf deren Basis der künftige Landeshauptmann seinen „Plan für Kärnten für die nächsten zehn Jahre“ präsentieren will.
Ein Teil davon, der schon jetzt feststeht: Ein kategorisches „Nein“ zur FPÖ gibt es von Fellner nicht. Auch in Oberösterreich und der Steiermark bleibt die Hintertür der Genossen zur FPÖ einen Spalt offen. Was nicht immer von Erfolg gekrönt ist: Obwohl Max Lercher sich nach der Wahl in der Steiermark im November 2024 den Freiheitlichen als Koalitionspartner angedient hatte, entschied sich FPÖ-Chef Mario Kunasek lieber für die Volkspartei als Regierungspartner.
Roter Pragmatismus
Warum halten die roten Länder dann nicht einfach am strikten No-FPÖ-Kurs ihrer Bundespartei fest? „Das ist primär dem Pragmatismus geschuldet“, sagt Martin Winkler. Als Landesrat in der oberösterreichischen Proporzregierung muss er schon jetzt mit den Freiheitlichen zusammenarbeiten. Dazu müsse man die Stärke der FPÖ schlicht anerkennen: „Nach derzeitigen Umfragen hätten die Freiheitlichen drei Landesräte“, erklärt Winkler – und auf Gemeindeebene lässt sich die Arbeit mit der FPÖ kaum vermeiden.
Die FPÖ auszuschließen, ist noch kein politisches Programm.
Max Lercher
Obmann der SPÖ Steiermark
In Wels, der zweitgrößten Stadt Oberösterreichs, regiert seit nunmehr einem Jahrzehnt der Freiheitliche Andreas Rabl. „Es gibt Leute in der FPÖ, mit denen kann man vernünftig zusammenarbeiten“, sagt Winkler, aber „mit anderen, die Ungarns Premierminister Viktor Orbán bejubeln, Ausländerhetze betreiben oder Sympathie für das NS-Regime zeigen, sicher nicht.“
„Die FPÖ auszuschließen, ist noch kein politisches Programm“, sagt der steirische SPÖ-Chef Lercher. Stattdessen will er sich inhaltlich mit den Freiheitlichen auseinandersetzen – und erst einmal „vor der eigenen Tür kehren und uns so neu aufstellen, dass wir Vertrauen zurückgewinnen“. Als stärkste Oppositionspartei soll seine SPÖ die blau-schwarze Landesregierung „inhaltlich fordern und Lösungen vorantreiben, etwa bei der Gesundheitsversorgung, Sicherheit und beim Industriestandort“.
Wenn Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger mit Burger-King-Krone auf dem Kopf durch die Straßen zieht und in den sozialen Netzwerken ausländerfeindliche Parolen verbreitet, können wir uns keine Zusammenarbeit vorstellen,
Eva Steibl-Egenbauer
SPÖ-Landesgeschäftsführerin in Tirol
Von den vier Neuen schließt nur Tirols Landeschef Wohlgemuth eine Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Landesebene aus. „Wenn Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger mit Burger-King-Krone auf dem Kopf durch die Straßen zieht und in den sozialen Netzwerken ausländerfeindliche Parolen verbreitet, können wir uns keine Zusammenarbeit vorstellen“, erklärt Landesgeschäftsführerin Steibl-Egenbauer den Tiroler Weg. Mit dem „grundlegenden Menschenbild der FPÖ in Tirol und im Bund mit Herbert Kickl“ könne ihre Landespartei nichts anfangen, aber: „Wie andere Landesorganisationen das handhaben, da mischen wir uns nicht ein.“
Der gemeinsame Weg
Mediale Zurückhaltung zu internen Fragen hat die SPÖ nach ihrem Vorsitzkampf 2023 gelernt – und auch die neuen Landeschefs halten sich großteils daran. Zwar kritisiert Daniel Fellner etwa im „Standard“, dass die SPÖ „massive Fehler, gerade auch beim Thema Asyl“ gemacht habe. Der neue Kärntner SPÖ-Chef betont im selben Interview aber auch, dass Kritik an Eingriffen in das Pensionssystem „jedenfalls kein Angriff auf unseren Parteichef Andi Babler“ sei, und zeigt sich von der Regierungsarbeit „positiv überrascht“. Fellner spreche Probleme offen an, sagt sein Büroleiter Martin Hafner: „Er wird aber nie etwas nach Wien ausrichten.“ Die SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße ist wahrlich Schlimmeres gewohnt.
Gilt zwischen dem roten Bund und den Ländern nun also „leben und leben lassen“? „Dieser Eindruck stimmt“, sagt der Steirer Lercher: „Wir haben in Österreich ein föderalistisches System, das leben wir auch in der Partei.“ Als Landesparteichef sei es seine Aufgabe, das Vertrauen in der Steiermark zurückzugewinnen: „Ebenso müssen andere ihren Weg auch für sich selbst definieren.“
In Tirol und Oberösterreich sieht man das etwas anders: „Natürlich liegt unser Fokus bei den Tirolerinnen und Tirolern“, sagt Landesgeschäftsführerin Steibl-Egenbauer: „Aber man braucht auch die Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen, etwa beim Thema Wohnen.“ Oberösterreich bringe sich stark in die Bundespolitik ein, sagt der dortige Landeschef Winkler: „Wir arbeiten politisch an den wichtigen Themen zusammen. Keinen Nutzen sehen wir in Personaldebatten.“
An seinem „Winkler-Plan“, der den Wirtschaftsmotor in Oberösterreich wieder zum Laufen bringen soll, haben sich auch schon Sven Hergovich in Niederösterreich und Lercher in der Steiermark „sehr interessiert“ gezeigt, sagt Winkler. Lercher bestätigt die interregionale Kooperation: „Alle Bundesländer haben eigene Herausforderungen, es gibt aber auch einen guten Austausch bei länderübergreifenden Themen, etwa wenn es um unseren Industriestandort geht.“
Kein „Klub der Neuen“
Die Zusammenarbeit laufe aber auch stark über die Geschäftsführungsebene, weiß Steibl-Egenbauer: Alle ein bis zwei Wochen sitzt sie mit den anderen Landesgeschäftsführerinnen und -geschäftsführern in einem Jour fixe. Aus Tirol könnte sie hier bald ihre neue digitale Mitmachplattform einbringen, deren Entwicklung die Bundespartei technisch unterstützt hat.
Auch Bruno Kreisky wäre nie auf die Idee gekommen, sich den SPÖ-Vorsitzenden von Oberösterreich auszusuchen. Das wäre eine komplette Überschätzung seiner Möglichkeiten.
Martin Winkler
Obmann der SPÖ Oberösterreich
Was alle vier Neuen eint: Keiner von ihnen gilt als besonders Babler-getreu. Dass der SPÖ-Chef nicht einfach Verbündete an den wichtigen Landesspitzen installiert habe, liege an der Natur der SPÖ als Volkspartei, sagt Winkler: „Auch Bruno Kreisky wäre nie auf die Idee gekommen, sich den SPÖ-Vorsitzenden von Oberösterreich auszusuchen. Das wäre eine komplette Überschätzung seiner Möglichkeiten.“
Entstehen durch die neuen Landeschefs neue Achsen in der SPÖ? Anfang 2023 hatten Georg Dornauer aus Tirol, David Egger aus Salzburg, Sven Hergovich aus Niederösterreich und Michael Lindner aus Oberösterreich als relativ neue und junge Landesparteichefs eine inoffizielle Allianz geschlossen: „Die vier bis 40“ nannte Hergovich sie damals. Mittlerweile ist der Niederösterreicher der Einzige, der seine Landespartei noch führt.
Ein schlechtes Omen? Einen „Klub der Neuen“ gebe es in der SPÖ nicht, heißt es aus allen vier Bundesländern unter neuer Führung. Man tausche sich zwar allgemein untereinander aus (etwa am Rande des SPÖ-Parteipräsidiums in Wien), explizite Bande zwischen den neuen Landeschefs haben sich aber noch nicht gebildet. „Die Neuen werden einen eigenen Stil entwickeln, auch im Umgang miteinander“, ist sich der Oberösterreicher Winkler sicher. Auch neue Achsen könnten sich so womöglich entwickeln, das brauche aber Zeit. Und: „Davor muss jeder von uns erfolgreich Wahlen schlagen.“

Max Miller
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und mag Grafiken. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.