profil-Morgenpost: Finden Sie Schwedenfinnen oder Finnlandschweden trauriger?

Guten Morgen!

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Bei Friedrich Nietzsche findet sich, wenn man nach Zitaten für den Beginn der Morgenpost-Kolumne sucht, der Aphorismus: „Die guten Schriftsteller haben zweierlei gemeinsam: Sie ziehen vor, lieber verstanden als angestaunt zu werden; und sie schreiben nicht für die spitzen und überscharfen Leser.“ Der moderne Distributionskanal für Schriftsteller, die lieber verstanden als angestaunt werden, ist der Blog. (Oder heißt es „das“ Blog wie beim Virus?) Der Tiroler Hans Platzgumer führte seit Beginn der Corona-Ausgangsbeschränkungen ein Lockdown-Logbuch. profil veröffentlichte Auszüge. Auch der frühere Caritas-Präsident Franz Küberl führt Tagebuch. In seinem Tagebuch schreibt Küberl über Intensivpfleger in Finnland, die Tagebuch für Patienten in künstlichem Tiefschlaf führen. Wenn die Schwerkranken wiedererwachen, sollen die Tagebücher helfen, „diese Zeit in ihre Lebenserinnerung aufzunehmen und dadurch zu bewältigen“. Das ist traurig und schön zugleich - wie alles Finnische.

Hierzulande sind finnische Schriftsteller, gute und schlechte, ja unbekannt – im Gegensatz zu finnischen Skispringern. Ein schönes Gesellschaftsspiel beim nächsten Lockdown wäre es, aus einer Liste von Namen zu erraten, ob dieser zu einem Suomi-Skispringer oder einem Suomi-Schriftsteller gehört. Etwa so: Handelt es sich bei Jani Mylläri, Paavo Nuotio, Mika Kauhanen, Pentti Holappa, Harri Nykänen und Olli Jalonen jeweils um einen finnischen Springer oder einen Schreiber?

Zur finnischen Literatur zählen auch Werke auf Schwedisch, das in Finnland zweite Amtssprache ist. Dies deshalb, weil es in Finnland eine schwedische Minderheit gibt - und auf der anderen Seite des bottnischen Meerbusens in Schweden eine finnische Minderheit. In der skandinavischen Völkerkunde sind „Schwedenfinnen“ und „Finnlandschweden“ gängige Begriffe. Bloß wofür: Sind Schwedenfinnen Finnen, die in Schweden leben? Und Finnlandschweden Schweden, die in Finnland leben? Oder leben Schwedenfinnen in Finnland und Finnlandschweden in Schweden? Eine Antwort darauf weiß vielleicht unsere schwedische Kollegin Anna Roxvall, die mit Martin Staudinger die profil-Coverstory über den schwedischen Corona-Sonderweg verfasste.

Schwedische Schriftsteller sind hierzulande ja bekannter als schwedische Skispringer. Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf wurde soeben 75 Jahre alt. Ihr Morgenpostler ist kein spitzer und überscharfer Leser im Nietzscheschen Sinn. Daher waren ihm als Bub die artigen Kinder aus Bullerbü immer näher als die aufsässige Pippi, auch wenn das jetzt traurig und weniger schön zugleich klingt.

Ha en fortsatt bra dag!

Gernot Bauer

P.S. Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie sich von einem Newsletter auf jeden Fall erwarten? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.