Regina Krimmel-Mairinger
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So geht Schule

Regina Krimmel-Mairinger leitet eine Mittelschule in Wien-Donaustadt. Ihre Schüler haben zu 95 Prozent Migrationshintergrund, das Budget ist knapp, die Probleme enorm. Und doch gelingt hier: Bildung. Wie macht sie das?

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Die Konstanziagasse liegt im östlichen Wiener Stadtteil Stadlau, in einer Gegend, wo Großstadt-Ausfransung und Dörfliches ineinanderfließen, wo Baumärkte an Ausfallstraßen liegen und alte Ortskerne an Immobilien-Entwicklungsbrachen grenzen. Auf Hausnummer 50 steht ein älteres, dreistöckiges Schulhaus, links am Eingangsportal eine verblasste Plakette („Erbaut von der Gemeinde Wien unter dem Bürgermeister Dr. Josef Neumayer 1911“), rechts ein paar Plakate neueren Datums: „Pilotschule Wirtschaftsbildung“, „Mint Gütesiegel“, „Cambridge English Qualifications“ und „Zertifizierte Expert.Schule“. Darüber klebt in bunten Papierbuchstaben die Aufforderung: „Come Together“, im Gang dahinter rechts eine Reihe Garderobenspinde, links Schulwart, Direktion und Lehrerzimmer. Sie nennen ihre Schule hier kurz „KO50“, nicht „K.O.“ gesprochen bitte, das wäre auch am Thema vorbei.

Nach gängigen Definitionen von Politik und Boulevard ist die KO50 eine „Brennpunktschule“. 95 Prozent der Schülerinnen und Schüler haben Migrationshintergrund, die allermeisten sind muslimischen Glaubens, viele von ihnen haben Fluchterfahrung und traumatische Belastungsstörungen, aufgrund derer manches Kind dem Unterricht nicht immer folgen kann, eventuell auch Leistung verweigert oder sogar suizidal ist; eine Schule, in der all jene landen, die sonst nirgends hinkönnen; die niemanden haben, der willens oder fähig ist, sich dafür einzusetzen, dass sie woanders hinkommen, in eine „bessere“ Schule. Die Kinder der autochthonen Österreicherinnen und Österreicher sind hier eine Minderheit und manchmal Außenseiter, die ihrerseits, genauso wie die Kinder mit Migrationshintergrund, „einen schweren sozialen Rucksack tragen“, sagt Regina Krimmel-Mairinger.

Sie ist 57 Jahre alt, dreifache Mutter, seit 1997 Lehrerin und bereits sechs Jahre Direktorin dieser Schule. Sie hätte ihre eigenen Kinder auch hierher geschickt – und sie sagt das, ohne nur einen Moment lang zu zögern. Selbst wenn sie um den schlechten Ruf der Wiener Mittelschulen weiß, mehr als das wiegt ihre persönliche Erfahrung. Für sie ist ihre Schule keine Endstation, sondern ein Ort, an dem jedes Kind befähigt werden soll, seine Zukunft nach seinem Maß, seinen Talenten, seinen Freuden und seiner Façon zu gestalten. „Nicht jedes Kind ist für eine Matura oder ein Studium geeignet – und daran ist nichts schlecht, das bedeutet kein Versagen“, sagt Krimmel-Mairinger. „Aber es gibt für jedes Kind einen Platz im Leben, und unsere Kinder finden tatsächlich ihren Platz im Leben.“ Viele Absolventen kommen Jahre später wieder zurück und erzählen uns von ihrem Leben und was ihnen gelungen ist. Das sei die größte Bestätigung ihrer Arbeit! Die Konstanziagasse 50 ist die Schule, wo man nicht für die Schule lernt, sondern fürs Leben. Krimmel-Mairinger sagt, sie hat ein Problem mit dem Begriff „Brennpunktschule“. Sie sagt, ihre Schule ist etwas anderes – eine Zukunftsschule.

Nina Brnada

Nina Brnada

Redakteurin im Österreich-Ressort. Davor Falter Wochenzeitung.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur. Ist seit 2020 Textchef und seit 2025 stellvertretender Chefredakteur dieses Magazins.