Maria G. vor Gericht
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Marias zweite Chance

Als 17-Jährige schloss sich die Salzburgerin Maria G. der Terrororganisation Islamischer Staat an, vergangenen Mittwoch wurde sie am Salzburger Landesgericht zu zwei Jahren Haft verurteilt – und ist dennoch endlich frei.

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Vor zehn Jahren ging das Bild der blonden, blauäugigen Österreicherin Maria G. um die Welt. Interpol hatte eine weltweite Fahndung nach der damals 17-Jährigen ausgeschrieben, die sich dem Islamischen Staat angeschlossen hatte; nicht nur in Österreich veröffentlichten Zeitungen das Konterfei der „IS-Braut“, wie sie der Boulevard zuweilen brandmarkte.

Vergangenen Mittwoch, mehr als ein Jahrzehnt nach ihrer Ausreise ins syrische Kriegsgebiet und IS-Kalifat, sitzt Maria G. am Landesgericht Salzburg auf der Anklagebank und achtet penibel darauf, dass die Öffentlichkeit sie nicht zu Gesicht bekommt – und zwar buchstäblich. Maria G. präsentiert sich als Silhouette, die mit dem Rücken zu den Zuschauerrängen regungslos sitzt. Ihren Körper hat sie in einen grauen Hoodie gehüllt, darunter trägt sie eine schwarze Kappe und hält sich eine grüne Mappe vors Gesicht. Nur ihr schweres Atmen entlarvt ihre Anspannung, während Foto- und TV-Kameras diesen Anblick einige Momente lang festhalten dürfen.

Erst als die Fotografen und Kameraleute den Saal 230 verlassen haben, legt sie die Mappe auf den Tisch, schiebt die Kapuze nach hinten und nimmt die Kappe ab. Zum Vorschein kommen kurze brünette Haare, die sie zu einem Dutt zusammengebunden hat. Auch während der gesamten Gerichtsverhandlung werden ihr Angesicht nur die Richterin, die Schöffen, der Staatsanwalt und ihre Rechtsanwältin sehen können. Selbst als sie später aufsteht, um sich mit ihrer Verteidigerin Doris Hawelka zu beraten und sich dafür unweigerlich zu den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern umdrehen muss, wird sie ihre Tarnmontur wieder überlegen.

Maria G. will unerkannt bleiben. Sie will ein neues Leben in ihrem alten Leben beginnen. Sie will eine „zweite Chance“, wie sie dem Gericht sagt, nachdem sie den „größten Fehler ihres Lebens“ begangen hatte. Er hat die heute 28-Jährige mehr als zehn Jahre gekostet. Am vergangenen Mittwoch sitzt sie vor Gericht wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation. Dieser Tag wird ein Neuanfang für Maria, genauso wie ein Endpunkt.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist seit Juni 2023 Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.

Daniela Breščaković

Daniela Breščaković

ist seit April 2024 Innenpolitik-Redakteurin bei profil. War davor bei der „Kleinen Zeitung“.

Nina Brnada

Nina Brnada

Redakteurin im Österreich-Ressort. Davor Falter Wochenzeitung.