Ex-IS-Anhängerin Maria G. vor Gericht
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„Es war mein größter Fehler“: Zwei Jahre bedingt für IS-Rückkehrerin Maria G.

Die ehemalige IS-Anhängerin Maria G. wurde am Mittwochmittag zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt, mit einer dreijährigen Probezeit. Das Urteil ist rechtskräftig.

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In der Salzburger Innenstadt ist am Mittwoch um 10 Uhr früh viel los. Nicht nur wegen der Touristengruppen in der Stadt, sondern wegen des Gerichtsprozesses um die IS-Rückkehrerin Maria G. Dutzende Journalisten warten vor dem Schwurgerichtssaal 230 auf die Salzburgerin, um die Angeklagte bei ihrem Gang ins Gericht zu filmen oder zu fotografieren. Doch sie warten vergeblich. Als der Prozess beginnt, sitzt Maria G. bereits im Saal. Sie trägt eine schwarze Kappe und einen grauen Hoodie, den sie tief in ihr Gesicht gezogen hat, zusätzlich noch eine grüne Mappe. Auf ihrem Sessel hängt eine kleine puderrosane Umhängetasche. Erst als alle Kameras den Raum verlassen, nimmt sie die Kapuze und ihre Kappe ab, entfernt die Mappe von ihrem Gesicht. Maria G. ist zierlich, unter ihrer Kapuze trägt sie braune Haare, die zu einem Dutt gebunden sind. Sie hört andächtig, während die Richterin ihre Personalien verliest und antwortet mit brüchiger Stimme in knappen Sätzen.

„Schwarz und weiß, gut und böse – für derartig einfache Antworten ist die Mehrheit von uns empfänglich, wer diese Wahrheit nicht annehmen möchte, sei an die Zeiten der Pandemie erinnert“, sagt der Staatsanwalt zu Beginn des Prozesses. Er vergleicht den Radikalisierungsprozess von Maria G. mit den Verbreitungen von Verschwörungstheorien während der Corona-Pandemie. Dadurch wolle er greifbar machen, wie Radikalisierungen funktionieren und bitte darum, die Angeklagte sozial nicht zu ächten.

Zur Erinnerung: Maria G. war eine von fünf Österreicherinnen, die 2014 als 17-Jährige Österreich den Rücken kehrten, sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anschlossen und ins syrische Kriegsgebiet reisten. Zuvor in Salzburg hatte sich Maria G. per YouTube und Chatforen online radikalisiert. Nach islamischem Recht heiratete sie über Skype einen deutsch-tunesischen Islamisten. Am 28. Juni 2014 flog sie um 14.50 Uhr zuerst von Wien nach Istanbul, danach von Istanbul nach Gaziantep und überquerte die Grenze nach Syrien zum IS schließlich zu Fuß, über ein Loch in einem Zaun.

Im ehemaligen Herrschaftsgebiet des IS-Regimes blieb sie zuerst mit dem Deutsch-Tunesier verheiratet, der sich nach wenigen Wochen von ihr scheiden ließ. Drei Monate später heiratete sie ihren neuen Mann, einen verwundeten IS-Kämpfer, der nach seiner Verletzung als Koch arbeitete. Mit ihm zeugte Maria zwei Söhne (ihr erster Sohn kam 2015 zur Welt, ihr zweiter 2017). Wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (§ 278b, § 278a) stand die heute 28-Jährige vor Gericht.

„In dem Strafverfahren geht es nicht um Rache, sondern darum, jemanden, der eine falsche Entscheidung getroffen hat, wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Die Angeklagte hat in erster Linie sich selbst, den Angehörigen und ihren Kindern Schaden hinzugefügt“, sagt der Staatsanwalt.

Ich habe so viel über meine damalige Ausreise und Radikalisierung nachgedacht. Es war der größte Fehler, den ich je gemacht habe, es tut mir unfassbar leid. Meine Kinder und ich haben so viel durchgemacht. Ich bin gerade dabei, mir ein neues Leben aufzubauen und ich hoffe, dass mir das Gericht eine zweite Chance gibt.

Maria G.

Nachdem der Islamische Staat von kurdischen und internationalen Truppen militärisch besiegt wurde, kam Maria G. mit ihren beiden Söhnen zuerst in das syrisch-kurdische Internierungslager al-Hol und nach einem Fluchtversuch nach Roj, wo sie bis zum 1. März 2025 inhaftiert war.

Seit ihrer Rückkehr nach Österreich ist G. auf freiem Fuß, hat Bewährungshilfe, absolviert ein Deradikaliserungsprogramm und befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung. Maria G. arbeitet wieder, sie ist Angestellte. Mehr als 20 Stunden verhören die Behörden Maria G. Sie war von Anfang an kooperativ, geständig und zeigte Reue, betont der Staatsanwalt. Selbst FBI-Datenbanken wurden nach Hinweisen zu Maria G.s Leben in Syrien durchforstet. „Es wurde nichts gefunden.“

Vor Gericht entschuldigt sich die Rückkehrerin mehrmals: „Ich habe so viel über meine damalige Ausreise und Radikalisierung nachgedacht. Es war der größte Fehler, den ich je gemacht habe, es tut mir unfassbar leid. Meine Kinder und ich haben so viel durchgemacht. Ich bin gerade dabei, mir ein neues Leben aufzubauen und ich hoffe, dass mir das Gericht eine zweite Chance gibt.“

Doris Hawelka, die Anwältin von Maria G., bedankte sich vor allem beim Außenministerium für die Rückholung. Sie hält aber auch fest: „Meine Mandantin hat Jahre dafür gekämpft, sich diesem Verfahren zu stellen und dieses faire Verfahren auch zu bekommen. Es war ein Kampf gegen politische Windmühlen.“ Außerdem betonte sie, dass Maria G. zum Tatzeitpunkt noch jugendlich war und einige psychisch herausfordernde Jahre hinter sich hatte. Damit meint sie das Schleudertrauma, das Maria G. nach einer Achterbahnfahrt erlitten haben soll.

Um 12.24 Uhr, etwa zweieinhalb Stunden nach Prozessbeginn, fällt das Schöffenurteil. Maria G. wird wegen der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation schuldig gesprochen und zu 24 Monaten bedingter Haft sowie einer dreijährigen Probezeit und einer verpflichtenden Bewährungshilfe verurteilt. „Aus unserer Sicht ist einsperren in der Hinsicht nur kontraproduktiv“, argumentierte die Richterin. Maria G. nahm das Urteil an und bedankte sich für die zweite Chance. Es ist somit rechtskräftig.

Ihr Urteil erinnert an das von Evelyn T., die gemeinsam mit Maria G. am 1. März 2025 aus dem Internierungslager Roj nach Österreich zurückgeholt und im April 2025 ebenfalls zu einer bedingten Haftstrafe von zwei Jahren mit einer dreijährigen Probezeit verurteilt wurde.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist seit Juni 2023 Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.