Für dieses Versprechen der Landesregierung, das diverse Medien als teures Landtags- und Gemeinderats-wahlzuckerl interpretierten, wurde tief in den Rücklagentopf der Bedarfszuweisungen gegriffen. Über 78 Millionen Euro entnahm die Landesregierung 2024 – eine Maßnahme, die laut Landesrechnungshof weniger den Gemeinden zugutekomme als eher langfristig die kommunale Daseinsvorsorge, vor allem in Krisenzeiten, gefährden könne. Wenn Rücklagen in Wahlkampfzeiten schmelzen, ist später weniger Geld da – zum Beispiel für unvorhergesehene Ereignisse, etwa Schäden nach Naturkatastrophen. Bei der zuständigen Landesabteilung „Gemeinden, Wahlen und ländlicher Wegebau“ heißt es wiederum, dass die Auflösung der Rücklagen rechtens und „kein Wahlzuckerl“ sei, sondern die steigenden Kosten der Gemeinden abdecken sollte.
Aber noch etwas kritisiert der Landesrechnungshof: Die Rücklagen der Gemeinden waren zuvor bereits vom Land für eigene Zwecke ausgegeben worden, diese Entnahme aber nicht im Budget dokumentiert. Um die Extra-Gemeinde-Goodies zu finanzieren, musste sich die Steiermark also außerplanmäßig verschulden, so der Rechnungshof.
Wer weiß, wie?
Der Finanzausgleichsdschungel, also der Verteilungsweg der österreichischen Steuergelder vom Bund über die Länder zu den Gemeinden, ist alles andere als übersichtlich. Jährlich erhalten die Gebietskörperschaften über den Finanzausgleich Gelder aus sogenannten Ertragsanteilen. Wie viel, ist nach einem fixen Verteilungsschlüssel im Finanzausgleichsgesetz geregelt. Für Gemeinden gibt es zudem einen Anteil als sogenannte Bedarfszuweisungen (BZ). Das sind Mittel, die das Land für die Gemeinden verwaltet und nicht direkt, sondern – wie der Name schon verrät – nach Bedarf an sie ausbezahlt. Etwa für Infrastrukturmaßnahmen, Gemeindezusammenlegungen oder Budgetsanierungen. Sofern sie bewilligt, aber nicht gänzlich von den Gemeinden abgerufen werden, legt das Land sie als zweckgebundene Rücklage im Landeshaushalt zurück. Haushaltsrechtlich bleibt das Geld jedoch Gemeindemittel. Kann das Land Steiermark sie also einfach so für eigene Zwecke entnehmen, wie das der Landesrechnungshof nun feststellte?
Für die Liquidität einer Gebietskörperschaft sind Rücklagen natürlich wesentlich. Immerhin ist Geld da, wieso es also nicht für laufende Ausgaben benutzen, und das ohne neue Schulden zu machen und höhere Zinsen zu riskieren? Normalerweise stellt das kein Problem dar. Bei Rücklagen aus Bedarfszuweisungen sieht das der Landesrechnungshof jedoch kritisch: Er weist ausdrücklich darauf hin, „dass es sich bei den Haushaltsrücklagen aus BZ um Gemeindemittel handelt, welche keinesfalls für andere Zwecke – wie etwa die Budgetkonsolidierung im Landeshaushalt – zu verwenden sind.“ Vor allem, weil bei erhöhtem Bedarf das Loch in den BZ-Rücklagen wieder gestopft werden muss – durch neue Kredite. Das habe 2024 zu einer Überschreitung der geplanten Neuverschuldung der Steiermark geführt. Dabei ist das Land bereits nicht unerheblich verschuldet. Mit 6,424.541.828,37 Euro Schulden war die Steiermark Ende 2024 nach Wien das am höchsten verschuldete Bundesland. Und man rechnet mit weiteren 942 Millionen Euro an neuen Schulden im Jahr 2025.
Laut Hans Pitlik, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), seien die Kreditschulden zum Ausgleich der entnommenen BZ-Rücklagen angesichts dieser Zahlen vernachlässigbare „Peanuts“. Im Lichte der Gemeinde-sparmaßnahmen, wo es beinahe um jeden Cent geht, sind das für einzelne Kommunen aber doch erhebliche Summen. Beim Land Steiermark sieht man das naturgemäß anders. „Aus einer Cash- und Liquiditätssicht wäre es sinnwidrig, Mittel ungenutzt stehen zu lassen und sich gleichzeitig zu refinanzieren, weil das Kosten verursacht“, meint Peter Ebner, Leiter der Finanzabteilung des Landes. Ob man nun vorher ein Darlehen für Landeszwecke oder nachher für Bedarfszuweisungen aufnehme, mache ökonomisch keinen Unterschied. Auch eine verpflichtende Budgetierung der Entnahmen sei laut Ebner nicht vorgeschrieben. Im Hintergrund sehen das aber nicht alle zuständigen Beamten bei der Landesregierung so. Jedenfalls empfiehlt der Landesrechnungshof, die Rückstellungen der Gemeinden nicht für Landeszwecke aufzulösen. Und wenn man es tut, das zumindest im Landesbudget auszuweisen. Auf profil-Nachfrage heißt es von der zuständigen Landesabteilung: Man müsse zwar weiter hier und da auf Rücklagen zurückgreifen, aber man wolle das in Zukunft auch im Budget ausweisen.
In Zeiten enger Budgetkorsetts sind jedenfalls 78 Millionen keine Peanuts, sondern ein gefundenes Fressen für die Gemeinden.