Eine Hand hält eine Bankkarte an den Kartenleser. Im Hintergrund sind die gelben Sterne der EU-Flagge zu sehen
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Kann der neue Zahlungsdienst Europas Banken aus der US-Abhängigkeit befreien?

Geopolitischer Druck und Krypto-Offensive aus den USA setzen Europa unter Zugzwang. Kann der neue europäische Zahlungsdienst „Wero“ den Rückstand wettmachen?

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Ob beim Online-Shopping, im Kaufhaus an der Ecke oder beim Geldsenden von Kleinstbeträgen unter Freundinnen: ohne die USA wechselt so gut wie kein Cent in Europa den Besitzer. Digitale Zahlungsdienste von PayPal, Apple Pay, Mastercard oder Visa prägen den österreichischen Zahlungsalltag. Was diese Anbieter gemeinsam haben? Sie alle sind US-amerikanische Netzwerke mit Servern in den USA – und in Zeiten geopolitischer Spannungen birgt diese Abhängigkeit am Finanzmarkt auch ihre Risiken. Gegen diese massive Abhängigkeit, verspricht nun ein neuer Zahlungsdienstleister made in Europe Abhilfe. Die Wero-App soll digitale Geldtransfers gänzlich über europäische Netzwerke und Server abwickeln. Aber kann die Emanzipation von Apple, Mastercard und Amazon Pay gelingen? Und kommt das Vorhaben nicht um Jahre zu spät?

Wero, wer?

In den österreichischen Breitengraden ist Wero noch weitgehend unbekannt. Hinter dem Namen, der sich aus „we“, englisch „wir“, und Euro zusammensetzt, steckt ein Bezahlsystem der „European Payments Initative“ (EPI). Das ist ein Bankenverbund, der die Schaffung einer einheitlichen europäischen Zahlungsinfrastruktur anstrebt. Die pastellgelbe Wero-App verbindet laut der französischen Sociéte Generale Bank bereits über 43 Millionen registrierte Nutzerinnen in den Anwendungsstaaten. Bisher kann man – genau wie auf PayPal – mit Wero in Echtzeit Geldbeträge zwischen Privatpersonen über die E-Mail oder Handynummer an die digitale Wallet des Empfängers senden – also seinen Anteil vom gemeinsamen Mittagessen begleichen oder Taschengeld an die Nichten und Neffen überweisen. In den kommenden Monaten soll die Wero-Zahlung beim Online-Shopping und in den nächsten Jahren zudem im stationären Handel ausgerollt werden. Ist das der große Wurf gegen Trump und seine Tech-Giganten?

Zahlungsinfrastruktur in fremder Hand

Die Corona-Pandemie hat große Bereiche des sozialen, aber auch des wirtschaftlichen Lebens nachhaltig in den digitalen Raum verschoben: Geschäftsmeetings finden immer öfter über Zoom statt, Bildung erfolgt vermehrt online, und der Handel hat sich ins Netz verlagert. Seit 2019 hat sich der Anteil an Online-Zahlungen im gesamten Euroraum verdreifacht und macht mittlerweile etwa ein Fünftel der Transaktionen aus. Auch im stationären Handel hat die Corona-Pandemie einen Wandel angestoßen: Zur Vorbeugung von Ansteckungen griffen die Konsumentinnen vermehrt zu kontaktlosen Zahlungsmethoden.

Zwar wird in Österreich noch immer mehr als die Hälfte der Transaktionen im Geschäft in bar abgewickelt, doch mobile und Kartenzahlungen nehmen seither kontinuierlich zu.  Doch ob online oder an der Supermarktkassa: Nahezu alle kontaktlosen Zahlungen  laufen über dieselben zwei US-Riesen – Mastercard und Visa wickeln ganze 98 Prozent der bargeldlosen Transaktionen in Österreich ab.

Bereits eine Sanktionsandrohung könnte die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union unter Druck setzen.

Petia Niederländer, Direktorin Hauptabteilung Zahlungsverkehr OeNB

Diese Abhängigkeit birgt geopolitische Risiken: Als US-Unternehmen unterliegen Mastercard und Visa, aber auch die beliebten Zahlungsdienste PayPal und ApplePay dem amerikanischen Recht und damit der politischen Einflussnahme der amerikanischen Regierung. Theoretisch könnten sie per Präsidialdekret durch US-Präsident Donald Trump  Zahlungen sperren, einzelne Akteure vom Netzwerk ausschließen oder ihre Dienste in Europa einschränken. „Ob solche Sanktionsmaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, ist fraglich“, beruhigt Petia Niederländer, Direktorin der Hauptabteilung Zahlungsverkehr der Österreichischen Nationalbank (OeNB), „aber bereits eine Androhung an sich könnte die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union unter Druck setzen.“

Dazu kommt das Risiko gezielter Cyberattacken: Ein Angriff auf die kritische Zahlungsinfrastruktur der USA könne auch ein abhängiges Europa als digitalen Kollateralschaden treffen, so Niederländer zu profil.

Stabile Finanzmacht USA

Dazu kommt Donald Trumps Bestreben, die Vereinigten Staaten zum Krypto-Marktführer zu transformieren, wie er vergangenen Sommer im sogenannten „Genius Act“ ankündigte. Das Gesetz soll erstmals landesweite Standards für digitale Vermögenswerte schaffen – unter anderem durch die gezielte Förderung von Stablecoins, wie beispielsweise Tether (USDT) oder TrueUSD (TUSD). Im Gegensatz zu bekannten Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum, eignen sich Stablecoins nicht zur Spekulation, denn ihr Wert ist eins zu eins an eine echte Währung gebunden. Um einen Dollar kann man zum Beispiel ein TUSD erwerben und damit unabhängig von Banken globale Transaktionen rund um die Uhr und in Echtzeit tätigen. Stablecoins sind damit günstiger und schneller als Giralgeld und gleichzeitig stabiler als herkömmliche Kryptowährungen.

Das Problem daran für Europa: Wenn zukünftig immer mehr Transaktionen über US-Stablecoins laufen, schwächt dies den Euro im globalen Vergleich. Gleichzeitig fließt mit einem Kauf von US-Stablecoins in Europa das europäische Kapital ab – hin zum Dollar und zur US-Wirtschaft. Europa verliert damit an wirtschaftlicher Unabhängigkeit und Einfluss. „Stablecoins nehmen in einem atemberaubenden Tempo zu – nicht nur in den USA, sondern global. Das darf Europa nicht aus den Augen verlieren“, mahnt Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung der WKO. Um den Euro zu stärken, werden daher bereits europäische Stablecoin-Varianten unter Privatbanken diskutiert.

Angesichts der Trends sei es höchste Zeit für europäische Zahlungsalternativen am Finanzmarkt, wie eben Wero, findet auch Petia Niederländer von der OeNB. Zu spät sei es für diese nicht, aber man müsse sich nun trotzdem rasch auf die neuen Entwicklungen und potentielle Bedrohungen vorbereiten. Aus diesem Grund begrüßen europäische Zentral- wie Privatbanken die Entwicklung des neuen Zahlungsdienstes.

Euro teuro?

Die Ausgestaltung der zukünftigen europäischen Finanzinfrastruktur, vor allem in Verbindung mit dem von der EZB geplanten Digitalen Euro, ist jedoch Gegenstand hitziger Diskussionen. Mit dem Digitalen Euro soll eine digitale Variante des Bargeldes geschaffen werden – ein gesetzliches Zahlungsmittel, unabhängig von Banken, jedoch für den Online-Transfer. Die Österreichische Nationalbank (OeNB) sieht im Digitalen Euro eine wichtige Ergänzung zu europäischen Zahlungsdienstleistern wie eben Wero.

Der Digitale Euro ist eine Lösung, aber wo ist das Problem?

Franz Rudorfer, Geschäftsführer Bundessparte Bank und Versicherung WKO

Bei den Privatbanken steht man der Idee jedoch kritisch gegenüber.  „Der Digitale Euro ist ein sehr bürokratisches, komplexes und teures Projekt“, meint Franz Rudorfer. Seine Sorge ist es, dass der Online-Euro langfristig Kapital aus dem Bankensystem abziehen könnte – mit negativen Folgen für die Kreditvergabe und damit für die Realwirtschaft. Womöglich fehle es darüber hinaus durch die Umsetzung der Digitalwährung an Mitteln und Kapazitäten für andere wichtige Innovationen im Finanzbereich. Die Europäische Union solle daher statt öffentlicher Modelle mehr private Finanzinnovationen, wie Wero oder europäische Stablecoins, stärken, so Rudorfer. „Der Digitale Euro ist eine Lösung, aber wo ist das Problem?“, scherzt er.

Für die Österreichische Nationalbank (OeNB) stellt das Projekt hingegen einen wichtigen europäischen Meilenstein dar. Direktorin Petia Niederländer versteht den Digitalen Euro als „Sicherheitsnetz“: Wenn Bezahllösungen wie Wero künftig Banken, Unternehmen und Privatpersonen europaweit vernetzen sollen, braucht es technische Schnittstellen. Deren Errichtung rentiere sich jedoch für private Anbieter nicht immer, etwa im stationären Handel, wo weniger online Transaktionen getätigt werden. Der Digitale Euro könne die Lücken füllen, wo der Markt an seine Grenzen stößt, so Niederländer.

Auch geopolitisch spiele der Digitale Euro eine wichtige Rolle, zumindest hoffen das die Notenbanker: Er könne helfen, die internationale Bedeutung des Euros zu sichern – ein Anliegen, das angesichts globaler Spannungen zunehmend Gewicht bekommt, meint Niederländer.

Bis der Digitale Euro Wirklichkeit werden kann, soll es jedenfalls noch bis Ende des Jahrzehnts dauern. Bei Wero könnte es in Österreich jedoch schneller gehen. Neben den bereits erschlossenen Märkten prüft nun auch Österreich eine Anwendung der neuen PayPal-Alternative. Das Prüfverfahren befinde sich schon auf den letzten Metern und die gelbe App habe einige Interessenten unter den österreichischen Privatbanken, wie Franz Rudorfer bestätigt. Zum Beispiel spielen Erste Group und der Raiffeisenverband mit der Idee, sich Wero anzuschließen. 

Bleibt nur noch zu hoffen, dass sich die europäischen Konsumentinnen und Konsumenten von einem neuen Zahlungsdienstleister auch überzeugen lassen. Denn niemand wird gezwungen, neue europäische Dienste zu nutzen. Und die Konkurrenz aus Übersee ist mächtig, technisch ausgereift und seit Jahrzehnten am Markt etabliert. Aber manchmal gewinnt eben David gegen Goliath.

Hannah Müller

Hannah Müller

seit September 2025 Trainee bei profil.