Wegen Trump: Diese US-Forschenden planen Wechsel nach Österreich
„Ich mache mir über das Klima derzeit weniger Sorgen als über den Faschismus“
Es ist 8 Uhr früh in New York. Gernot Wagner keucht am Telefon, im Hintergrund rauscht Straßenlärm. profil erwischt den renommierten österreichischen Klimaökonomen am Fahrrad auf dem Weg zu seinem Büro in der „Columbia Business School“ an der Ostküste des Hudson River. „Meine wissenschaftlichen Wurzeln waren schon immer hier in Amerika“, ruft Wagner über das Geräusch vorbeifahrender Autos hinweg in den Hörer.
Er habe tatsächlich nie in seinem Erwachsenenleben in Österreich gewohnt. Das hört man dem gebürtigen Amstettner auch an – selbst die Geräuschkulisse kann den amerikanischen Akzent in seiner Aussprache nicht verbergen. Seit 1998 lebt und forscht Wagner in den USA. Er ist mit einer Amerikanerin verheiratet und hat zwei Kinder. Als Klimawissenschafter ist er erfolgreich, lehrte an den renommierten Ivy-League-Unis Harvard und Columbia, publizierte preisgekrönte Bücher, regelmäßig klärt er in journalistischen Beiträgen über die Bedrohung durch den Klimawandel auf. Für seine Verdienste in den Vereinigten Staaten wurde Wagner von der Tageszeitung „die Presse“ sogar zum Auslands-Österreicher des Jahres 2022 gewählt. Seit Trumps zweiter Amtseinführung bröckelt Wagners inniges Verhältnis zu seiner Wahlheimat USA. „Ich mache mir über das Klima derzeit weniger Sorgen als über den Faschismus“, gesteht er.
Als Sicherheitsanker hat der Klimaökonom nun eine Gastprofessur am Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck angenommen. Für seine Kinder hat er über den Sommer die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt. Er wisse genug über die Geschichte, um zu erkennen, dass die Politik in den USA eine bedrohliche Richtung eingeschlagen habe, sagt er zu profil. Noch ist Wagner aber nicht bereit, gänzlich nach Europa zu übersiedeln und pendelt künftig zwischen Innsbruck und New York.
Wie lange halten die Schäden in der Forschung an, die die Trump-Regierung jetzt anrichtet?
Solange er kann, möchte er seine Arbeit in den USA fortsetzen, wo sie mehr gebraucht wird, meint er: „Trotz aller klimapolitischen Rückschritte der aktuellen Regierung geht es in Österreich nicht um die Frage, ob Klimawandel tatsächlich existiert. Ich frage mich also, wo bin ich effektiver? In Österreich, wo ich dabei helfe, ambitionierte Ziele zu implementieren? Oder in Amerika, wo ich versuche, sicherzustellen, dass es überhaupt Ziele gibt?“ Gerade jetzt müsse die Wissenschaft in den Vereinigten Staaten standhalten und sich wehren.
Im Bereich der Umwelt- und Klimaforschung ist Trumps Agenda besonders spürbar. Täglich verlieren Wissenschafterinnen und Wissenschafter ihren Arbeitsplatz: „Es ist ein Blutbad“, stöhnt Wagner.
Er selbst ist von den Kürzungen bisher nicht betroffen, trotzdem ist das Leben von Unsicherheit geprägt. „Meine Frau ist Gynäkologin, Abtreibungsärztin“, erklärt er. Legale Schwangerschaftsabbrüche werden von den konservativen Republikanern bekämpft, sexualmedizinische Gesundheitseinrichtungen wie Planned Parenthood stehen vor massiven Budgetkürzungen. Selbst wenn Trump von liberalen Kräften abgelöst werden sollte, bleibt für Wagner die Frage: „Wie lange halten die Schäden in der Forschung an, die die Trump-Regierung jetzt anrichtet?“ Die Frage eines permanenten Umzugs stehe für ihn seit dem 5. November 2024, dem Tag von Trumps Wiederwahl, im Raum.

Klimaökonom Gernot Wagner aus New York hat eine Gastprofessur in Innsbruck angenommen.
Der Klimaökonom hat dafür vorgesorgt: Für seine Familie wäre es nun vergleichsweise einfach, den Wechsel nach Österreich zu vollziehen. Andere Forschende müssen auf Stipendien oder die angekündigte Universitätsgesetz-Novelle hoffen, die die Anstellungen von US-Professorinnen und -Professoren in Österreich erleichtern soll.
Inzwischen ist der Klimaökonom Wagner vom Rad gestiegen, angelangt an der „Columbia Business School“, von der er trotz allem hofft, dass sie noch länger sein Arbeits- und Forschungsplatz bleiben kann.
„Ich bin noch immer eine Ausländerin in diesem Land“
In Wien ist es bereits finstere Nacht, als profil Elena Oblak via Video-Call erreicht. In das Büro der 31-jährigen Pränatalmedizinerin strahlt die Mittagssonne. Neun Stunden Zeitverschiebung trennen Wien von Oblaks Forschungsstätte in einer staatlichen Universität im Bundesstaat Kalifornien. Ihre genaue Arbeitsstelle möchte sie nicht preisgeben. Auch ihren Namen hat profil geändert, denn politische Äußerungen könnten sie in Schwierigkeiten bringen, so Oblak. „Ich bin noch immer eine Ausländerin in diesem Land. Deshalb müssen wir momentan ein bisschen vorsichtig sein, was wir öffentlich sagen.“ Oblak ist gebürtige Osteuropäerin, hat in Österreich ihren PhD gemacht und ging dann für die Forschung in die USA. Nun hat sie sich für das Förderprogramm APART-USA beworben.
Damit will Österreich 25 Postdocs aus den Staaten für jeweils vier Jahre an heimische Hochschulen holen. Pro Stelle stehen 500.000 Euro zur Verfügung: Zwei Drittel werden aus dem „Fonds Zukunft Österreich (FZÖ)“ bezahlt, einem 2020 von der Bundesregierung eingerichteten Fonds zur Wissenschaftsförderung. Den Rest müssen die gastgebenden Forschungsstätten aus den bereits 2024 fixierten Leistungsvereinbarungen aufbringen. Die Finanzierung der hochqualifizierten US-Forschenden erfolgt also aus Budgets, die noch vor Trumps Angriff auf die Wissenschaft beschlossen wurden – neues Geld stellt die österreichische Regierung dafür nicht bereit. Dabei gäbe es vermehrtes Interesse aus den USA: Die eigens für US-Forschende eingerichtete online Plattform Euraexess, die mit Karrierechancen in Österreich wirbt, verzeichnet einen monatlichen Besucher:innen-Anstieg von über 125% seit Januar - dem Beginn von Trumps zweiter Amtszeit. Ob sich mit alten Budgets jedoch wirklich internationale Spitzenforschende an Österreich binden lassen, ist fraglich.
„Ich finde, Österreich hat mit dem Stipendienprogramm einen klugen Schritt gesetzt – selbst wenn man das Geld einmal beiseite lässt,“ erklärt Oblak. „Die Forschung in den USA ist auf extrem hohen Niveau. Dieses Wissen und diese Methoden nach Österreich zu bringen, ist enorm wichtig.“ Austausch in der Wissenschaft sichere Fortschritt, so die Medizinerin.
Das Gehalt in den Staaten ist natürlich besser, aber wegen des Geldes geht sowieso keiner in die Wissenschaft.
*Name von der Redaktion geändert
Die politische Beeinflussung der Wissenschaft nennt Oblak jedoch nicht als Hauptgrund für ihren Wunsch, nach Österreich zu gehen. „Ich möchte näher bei meiner Familie sein“, erklärt sie. Über Politik spricht sie auch unter dem Schutz der Anonymität ungern, doch ganz ohne das Thema kommt sie nicht aus: „Ja, es gab definitiv monetäre Kürzungen in meinem Bereich – vor allem, seitdem die Frauengesundheit nun als Gender Studies angesehen wird.“ Trumps Kabinett richtet seine Politik gegen Sozialwissenschaften, die sich mit gesellschaftlichen Geschlechterrollen auseinandersetzen. Bei Anträgen müsse daher auf die Wortwahl geachtet werden. „Wir erforschen die Frau. Das ist biologisch immer noch klar als Geschlecht definiert. Ich denke daher, dass es insgesamt nicht zu allzu starken Kürzungen kommen wird“, hofft Oblak.
Eine Forschungsstelle in Österreich ist für sie auch wegen der Sozialleistungen attraktiv. „Das Gehalt in den Staaten ist natürlich besser, aber wegen des Geldes geht sowieso keiner in die Wissenschaft“, sagt Oblak trocken. Österreich biete vor allem für Schwangere und junge Mütter bessere Konditionen. „In den USA ist es unglaublich schwer, Familie und Forschung zu verbinden“, erläutert die Medizinerin. „In den USA gibt es bloß zwei Monate Mutterschaftskarenz. Mein Vertrag ist hier auf zwei Jahre befristet und wenn der ausläuft, gibt es gar keinen Mutterschutz.“ Auch ihr Visum ist an eine Anstellung geknüpft. Daher sei die Familienplanung in den USA zu unsicher.
Die Bewerbungsfrist für das Stipendienprogramm APART-USA läuft noch bis Mitte September. Auch deshalb will die Medizinerin im Gespräch mit profil nicht zu politisch werden. „Ich weiß noch nicht, ob ich fortgehen kann. Ich warte auf die Ergebnisse meiner Bewerbung.“ Bis dahin möchte sich Oblak nicht mit den Berichten in den Nachrichten und den politischen Entwicklungen auseinandersetzen. Solange sie kann, widmet sie sich ihrer Forschung im sonnigen Kalifornien.
„Kein Land kann diese Lücke schließen.“
Wali Malik ist in vielerlei Hinsicht ein Pionier. Er zählt zu den wenigen Forschenden weltweit, die an der Schnittstelle von Laborrobotik, Künstlicher Intelligenz und biomedizinischer Forschung arbeiten. Er ist jedoch auch der erste US-Wissenschaftler, der den Sprung gewagt hat und vor Trumps radikaler Wissenschaftspolitik nach Österreich geflohen ist. Das hat dem 38-Jährigen aus Washington D.C. bereits große Aufmerksamkeit in den österreichischen Medien eingebracht. profil trifft den frisch eingestellten Leiter der KI-gesteuerten Laborrobotik an seiner neuen Forschungsstätte im Wiener Stadtteil St. Marx. Die modernen Gebäudekomplexe dort könnten ebenso gut auf einem US-Campus stehen – Glas, Stahl, Hightech.
Den Schritt ins Ausland hat Malik vorsorglich gesetzt– betroffen war er von Trumps Politik nicht. In der Privatwirtschaft, wo er für große Pharma- und Biotechnikunternehmen tätig war, wirkte die Lage stabiler. Doch ganz verlassen konnte er sich darauf nicht.
„Die Wissenschaft wird zunehmend politisiert“, sagt er. „Es geht nicht um die Qualität der Forschung, die man betreibt. Es geht darum, ob die Person am Geldhahn dich mag oder nicht.“ Als das AITHYRA Forschungsinstitut der österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Wali Malik eine Stelle anbot, war die Entscheidung schnell getroffen. Vor allem die Stabilität, eine sichere Zukunftsperspektive für ihn, seine Frau und seine drei Töchter, war letztendlich ausschlaggebend.

Biotechniker Wali Malik ist der erste US-Wissenschaftler, der wegen Trumps wissenschaftsfeindlicher Politik nach Österreich gegangen ist.
Auch wenn er selbst seine Heimat verlassen hat, beobachtet er die Abwanderung von Wissenschaflter:innen aus den USA weiterhin kritisch. „Es gibt kein Land, auch keinen Kontinent, der diese Lücke schließen kann. Die riesige Kluft, die in den USA hinsichtlich der Wissenschaftsfinanzierung entstanden ist, wird echte Auswirkungen haben. Sicher – viele internationale Institute werden davon profitieren, aber der menschliche und wissenschaftliche Verlust ist enorm.“
In Österreich hilft Malik nun, das Feld der KI-gesteuerten Biowissenschaft auszubauen und die nächste Generation von Wissenschaftler:innen auszubilden. Es gebe dafür großes Interesse in Österreich, zuvor habe man jedoch keinen Zugang zum notwendigen Know-How gehabt, meint Malik. Von Wien als Wohn- und Arbeitsort sei er begeistert, vor allem von den Arbeitszeiten. „Ich habe manchmal 60, 70, 80 Stunden pro Woche gearbeitet – so ist die Arbeitskultur – man ist durchgehend im Einsatz. In Österreich leisten wir großartige Arbeit, aber ich kann auch tatsächlich Zeit mit meiner Familie verbringen – das ist eine andere Perspektive auf das Leben. Dort nennen wir es Work-Life-Balance, weil die Arbeit an erster Stelle steht. Hier ist es Life-Work-Balance, weil das Leben an erster Stelle steht“.
Viele sagen zu mir: ‚Wir wünschten, wir könnten auch kommen und uns dir anschließen.
Eine weitere Umstellung für Malik ist der Wechsel von der Industrie in die staatlich-finanzierte Forschung: „Einer der Gründe für den Erfolg der USA ist, dass es weniger Vorschriften gibt. Im Privatunternehmen kann man Ideen schnell ausprobieren, umsetzen und so Wert schaffen. Wenn ich etwas wollte, habe ich es mir geholt“, erklärt Malik. Auch, wenn in Österreich weniger Geld winkt, verstehen seine US-Kolleginnen und -Kollegen seinen Schritt: „Viele sagen zu mir: ‚Wir wünschten, wir könnten auch kommen und uns dir anschließen.‘“
Ob und wie viele Forschende aller Disziplinen sich Malik in Österreich anschließen, wird sich zeigen. Das hängt schließlich nicht nur davon ab, wie sich der Druck auf die Forschung in den USA entwickelt, sondern auch davon, ob Österreich genug attraktive und langfristige Angebote für die hochqualifizierten Emigrantinnen und Emigranten bieten kann.