
: Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Chef Holger Bonin am Dienstag, 7. Oktober 2025, anl. der PK Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), Institut für Höhere Studien (IHS) "Konjunkturprognose 2025 und 2026 - Herbstprognose" in Wien.
Konjunktur: Österreich schleppt sich aus der Rezession
Am Dienstagvormittag können die Vertreter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) und des Instituts für Höhere Studien (IHS) nach zwei Jahren erstmals positive Trends für die heimische Wirtschaft verkünden: Die Rezession ist vorbei, so Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, IHS-Leiter Holger Bonin sowie Ökonomen Josef Baumgartner (Wifo) und Helmut Hofer (IHS) in der Pressekonferenz. Das verhaltene erwartete Wirtschaftswachstum bewegt sich heuer zwischen 0,3 und 0,4 Prozent. Auch die Beschäftigung soll 2026 wieder steigen. Grund zum Aufatmen, jedoch nicht zum Entspannen, so die Ökonomen. Denn die erwartete Inflation ist 2025 mit 3,5 Prozent höher als noch im Juni prognostiziert und soll auch im kommenden Jahr mit 2,4 Prozent noch deutlich über dem Durchschnitt des Euroraumes liegen.
Schuld daran ist die Preissteigerung in nahezu allen Bereichen des Verbraucherpreisindex: Besonders Energie, Dienstleistungen und Lebensmittel verteuerten sich – auch wegen auslaufender Entlastungen wie der Strompreisbremse und gestiegener Lohnkosten, die auf die Preise durchschlagen.
Um gegenzusteuern, fordern die Institute eine Reformpartnerschaft zwischen Staat, Gewerkschaften und Unternehmen. Nur wenn Löhne und Preise im Einklang mit dem Inflationsziel steigen, lässt sich die Teuerung nachhaltig unter zwei Prozent senken. Dann könne auch die Indexierung, also die automatische Anpassung von Löhnen und Pensionen an die Inflation, künftig wieder greifen. „Wir brauchen dafür aber endlich einen Anstoß“, so Felbermayr.
Verlorenes Jahrzehnt
Die Institute stellen bei ihrer Pressekonferenz erstmals eine Projektion bis 2030 vor und diese zeigt ohne koordiniertes Gegensteuern ein ernüchterndes Bild: Niedrige Investitionen, schwaches Beschäftigungswachstum und eine geringe Produktivität dürften das potentielle Wachstum auf 0,7 bis 0,8 Prozent pro Jahr dämpfen. Damit würde das Budgetdefizit bis zum Ende des Jahrzehnts deutlich über der Maastricht-Grenze von drei Prozent liegen, die als EU-Vorgabe für solide Staatsfinanzen gilt.
Wifo und IHS rechnen 2026 außerdem mit einem Schuldenstand von etwa 83 Prozent des BIP. „Damit ist das Land nicht gut für eventuelle neue Krisen gewappnet“, so Wifo-Chef Felbermayr. Dazu kommen geopolitische Unsicherheiten wie der Krieg in der Ukraine und die verschärfte Zollpolitik der USA.
Auch der Pro-Kopf-Realwert der Wirtschaftsleistung gibt den Ökonominnen und Ökonomen Grund zur Besorgnis. 2025 liegt das BIP pro Kopf noch immer mehr als drei Prozent unter dem Niveau von 2019. Zwar dürfte die Wirtschaftsleistung in den kommenden Jahren leicht zulegen, doch das Vorkrisenniveau wird voraussichtlich erst 2030 wieder erreicht. Bleibt es bei diesem stagnierenden Verlauf, also ohne realen Zuwachs über das gesamte Jahrzehnt, sprechen Fachleute von einem „verlorenen Jahrzehnt“.
Verhaltene Hoffnung
Einige wenige Lichtblicke sind jedoch in Sicht. Österreichs Wirtschaft ist in den Rezessionsjahren 2023 und 2024 weniger stark geschrumpft als zuletzt befürchtet: Statt eines Rückgangs von drei Prozent lag das Minus „nur“ bei rund 2,5 Prozent. Damit steht die Volkswirtschaft etwas besser da als noch im Sommer angenommen.
Auch der Arbeitsmarkt zeigt sich überraschend widerstandsfähig. Trotz der langen Konjunkturschwäche blieb die Beschäftigung insgesamt stabil. Nach einer Phase der Stagnation dürfte die Zahl der Beschäftigten im kommenden Jahr um 0,5 Prozent steigen. Mit der beginnenden Erholung dürfte auch die Nachfrage nach Fachkräften wieder anziehen. Aus diesem Grund begrüßt die Forschung die Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters bei Frauen Anfang letzten Jahres, die einem erwarteten Arbeitskräftemangel entgegenwirken könne. Darüber hinaus sei jedoch eine aktive Arbeitsmarktpolitik notwendig. Etwa in Form von verstärkten Integrationsmaßnahmen von Migrantinnen und Migranten oder einer Reform der Arbeitslosenversicherung, die das vorübergehende Parken von Beschäftigten in der Arbeitslosigkeit verhindert.
Die Lohnzurückhaltung bei den Metallern, sowie das geplante Aufrollen der Beamtengehälter sehen die Forschungsinstitute als richtiges und wichtiges Signal für andere Branchen.
Sogar die krisengeschüttelte Industrie scheint sich nach dem Abschwung langsam zu erholen. Die Verluste wertvoller Arbeitsplätze sowie der gesunkene Anteil am BIP von 17,1 Prozent 2019 auf heuer 15,1 Prozent können jedoch nicht mehr aufgeholt werden. Dieser strukturelle Wandel, so Wifo und IHS, ist permanent.