Brau Union Zentrale in Linz
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Tag 4: Prozess gegen Brau Union – „Kein Zipfer-Wirt in der Steiermark“

Die Brau Union ruft einen weiteren langjährigen Mitarbeiter in den Zeugenstand – von Verbindungen zum Mutterkonzern Heineken, will der leitende Angestellte nichts wissen.

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„Logistikpartner“ oder „Vertragspartner“? Am vierten Tag des Kartellprozesses gegen die Brau Union konnte zwischen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und dem Braukonzern zumindest eine terminologische Frage aufgeklärt werden.

Im Zuge der Verhandlung rief die Brau Union ihren mittlerweilen dritten Zeugen in den Saal D des Wiener Justizpalastes. Platz nimmt der leitende Angestellte M., der seit mehr als zehn Jahren im Unternehmen beschäftigt ist. Er hat einst als regionaler Verkäufer begonnen, heute arbeitet er im mittleren Management in der Linzer Zentrale, wo er für den Bereich alkoholfreie Getränke und Weine zuständig ist, und er koordinierte den Kontakt zu den sogenannten „Logistikpartnern“. Aber welcher Begriff ist nun korrekt? „Die Begriffe sind absolut ident. Der Vertragspartner war immer rein logistisch tätig“, erklärt M. Den Ausdruck „Vertragspartner“ habe man historisch übernommen – hinterfragt habe er ihn selbst nie. Der vierköpfige Richtersenat zeigt sich erleichtert, dass zumindest ein Aspekt im komplexen Verfahren geklärt ist.

Vom Bierverlag zum Logistikpartner

Der Manager gewährt dem Gericht tiefe Einblicke ins operative Geschäft der Brau Union. Der Konzern bringt seine Biere über vier Kanäle in den Markt: Direktverkauf ab Werk, über Getränkehändler, über die eigene Logistik – und über externe Logistikpartner. Letztere wickeln sogenannte Streckenlieferungen ab, die nun im Zentrum des Kartellverfahrens stehen.

Die BWB wirft der Brau Union vor, diese Streckenlieferanten mit ihrer Marktmacht unter Druck gesetzt zu haben, ausschließlich Produkte des Konzerns zu transportieren. Auf Basis anonymer Anzeigen und nach einer Hausdurchsuchung beantragte die Kartellbehörde im Vorjahr deshalb eine Geldbuße gegen die Brau Union und deren Muttergesellschaft, den niederländischen Heineken-Konzern. Als Alleineigentümer trage Heineken Verantwortung für das Vorgehen seiner Tochter. Alle bestreiten sämtliche Vorwürfe.

M. ordnet als Zeuge vor Gericht das Vertriebssystem der Brau Union historisch ein: Schon die Vorgänger, Steirer Bräu und Brau AG, hätten auf sogenannte „Verleger“ gesetzt, um Wirte in entlegenen Regionen zu beliefern. Während nahegelegene Gaststätten im Umland der Brauereien über die eigene Flotte bedient wurden, übernahmen Bierverleger Transporte in weiter entfernte Gegenden – eine Praxis, die heute in Form der Logistikpartner fortbestehe.

Die Brau Union ist mittlerweile durch zahlreiche Zukäufe zum größten Bierkonzern Österreichs gewachsen. Im Gerichtssaal zeichnet M. die geografische Markenstrategie nach: Der Osten mit Wieselburger, die Steiermark mit Gösser und Puntigamer, der Westen mit Zipfer und Kärnten mit Villacher (inzwischen zur „Stadtbrauerei“ geschrumpft). Neu dazu, kam heuer Fohrenburger für die Region Vorarlberg. Mit weiteren Marken wie Kaiser, Schladminger und Schwechater bewirtschaftet der Braukonzern ein flächendeckendes Netz der Bierversorgung.

Ob Zipfer-Bier auch in der Steiermark erhältlich sei, will die Richterin wissen. M. berichtet von Versuchen, Bundesländergrenzen zu durchbrechen – ohne Erfolg: „Bis heute gibt es keinen Wirt in der Steiermark, der Zipfer anbietet. Der Versuch wurde nach einem halben Jahr wieder eingestellt.“

Da die Brau Union trotz ihres dichten Netzes nicht jede Region selbst beliefern kann, setzt sie weiterhin auf Logistikpartner. Aus Sicht der Lieferanten ein lukratives Geschäft, meint M. Denn mit der Streckenlieferung könnten die externen Zusteller ihre Grundkosten für die Transportleistung decken – sie erhalten eine Vergütung pro ausgeliefertem Hektoliter. „Theoretisch bekommen alle im Burgenland denselben Preis?“, hakt die Richterin nach. Der Anwalt des Konzerns verweist auf wettbewerbssensible Informationen und möchte den Preis nicht ausgerufen wissen. M. spricht von „minimalen Unterschieden“, abhängig davon, ob in den Osten oder in die Berge geliefert werden soll.

„Es ist ein Geschäft, von dem alle profitieren“, betont M. Denn die gewinnbringende Marge erwirtschaften Lieferanten, indem diese als Getränkehändler auftreten und Produkte ausliefern und verkaufen, die nicht im Sortiment der Brau Union gelistet sind.

Das Geschäft mit den „sonstigen Getränken“

Der Angestellte M. stellt klar, dass die den Logistikpartnern zugewiesenen Regionen „keine Verkaufsgebiete, sondern logistische Liefergebiete“ seien. Daraus könne sich, aus Sicht der Zusteller, ergeben, dass diese ihre Region als exklusives Verkaufsgebiet missverstehen. Vielmehr betont der Brau Union-Angestellte: „Wenn wir sie nicht brauchen würden, hätten wir sie schon längst gekündigt. Aber wir sind grundsätzlich gegenseitig abhängig.“

Das Abhängigkeitsverhältnis dürfte sich jedoch verschoben haben, als die Brau Union 2019 begann, ihr Sortiment um „sonstige Getränke“ – alkoholfrei, Wein, Spirituosen – zu erweitern. Marken wie Fritz-Kola, Makava oder Rauch Eistee gehören mittlerweile zum neuen Sortiment dazu. Begründung: Kunden wollten Lieferungen „aus einer Hand“. Für die Logistikpartner bedeutete das Konkurrenz im Kerngeschäft – und wachsenden Unmut. M. beschwichtigt: „Jeder Getränkehändler hat Zugriff auf alle Getränke und Biere der Welt.“

Warum der ehemalige Logistikpartner L., der im Juni vor Gericht als Zeuge der BWB aussagte, gekündigt wurde, interessiert das Gericht besonders. M. spricht von einem „absoluten Einzelfall“. Üblicherweise würden Verträge durch Konkurs oder Pensionierungen enden. Im Fall des niederösterreichischen Dienstleisters habe die Brau Union diesem während der Pandemie untersagt, den Lebensmittelhandel zu beliefern – in einer Phase, in der die Gastronomie geschlossen war. L. zufolge habe der Handel Belieferung eingefordert, der Konzern kündigte den Vertrag ohne Angabe von Gründen – L. musste Privatkonkurs anmelden. „Innerhalb der Brau Union wurde das als schweres Foul empfunden“, sagt M.

Heineken – „Ist mir nicht bekannt“

Neben der Frage nach dem Umgang mit Lieferanten geht es vor Gericht auch um die Rolle des Mutterkonzerns. Die BWB wirft Heineken selbst kein wettbewerbswidriges Verhalten vor, sieht den Konzern aber als verantwortlichen Eigentümer in der Pflicht. Heineken wiederum betont vor Gericht eine gewisse Distanz zum österreichischen Ableger. Wäre Heineken ebenfalls in die Pflicht zu nehmen, könnte das eine allfällige Geldbuße massiv in die Milliardenhöhe treiben. Man wird sehen, wie der Richtersenat das am Ende beurteilen wird.  

Wie am vorangegangen Prozesstag am Montag wollte auch heute Mittwoch, das Gericht die Verflechtungen zwischen Brau Union und der Mutter Heineken ausleuchten. Ein Anwalt der Brau Union beginnt ein flottes Duett mit dem Konzern-Angestellten M. im Zeugenstand: Ob es Berichtspflichten an Heineken gäbe? „Ich habe keine Wahrnehmung.“ Ob Personen Weisungen von Heineken erhalten? „Ist mir nicht bekannt.“ Ob Heineken sich ins Tagesgeschäft involviere? „Mir nicht bekannt.“

Wie andere Führungskräfte, zeichnet M. vor Gericht ein Bild, als hätte man in der Brau Union praktisch nichts mit der Zentrale in Amsterdam zu schaffen. Von personellen Überschneidungen der Brau Union und Heineken wüsste er nicht – auch nicht im Management. Bis auf eine Person: Hans Böhm, Generaldirektor der Brau Union, war zuvor 23 Jahre als Manager und Geschäftsführer bei Heineken in den Niederlanden tätig.
 

Kevin Yang

Kevin Yang

seit November 2024 im Digitalteam von profil. Davor bei Wiener Zeitung und ORF.