Menschen demonstrieren mit israelischen Flaggen und Schildern, die zur Heimkehr von Geiseln aufrufen.
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Tal Shoham: „Ich hoffe, wir werden bald vereint sein“

In wenigen Stunden sollen die Geiseln nach Israel zurückkehren. Wie bereiten sich Angehörige und Freunde darauf vor?

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Tal Shoham zeigt sich vorsichtig optimistisch. 

Wenn er etwas in Hamas-Gefangenschaft gelernt habe, dann mit Stress umzugehen. Und geduldig zu sein. 

„Beides ist jetzt sehr hilfreich", sagt er. 

Es ist Sonntagabend und Tal Shoham spricht in einem Video-Call zu Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt. Auch profil hat daran teilgenommen. 

Nach dem jüngsten Durchbruch bei den Verhandlungen diese Woche soll die Freilassung der Geiseln bereits Montagfrüh beginnen. Erwartet wird, dass alle 20 noch lebenden Geiseln zur gleichen Zeit freigelassen werden. Zudem sollen die sterblichen Überreste von 28 toten Geiseln übergeben werden.

Israel soll dann im Gegenzug rund 250 palästinensische Häftlinge sowie etwa 1.700 weitere Palästinenser freilassen, die nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 inhaftiert wurden.

Unter den zwanzig noch lebenden Geiseln befinden sich auch Evyatar David und Guy Giviadatal. Die beiden Freunde hatten gemeinsam ein Musikfestival besucht, das am 7. Oktober 2023 von der Hamas überfallen worden war. 

Die Freunde Evyatar und Guy wurden nach Gaza verschleppt und gemeinsam mit Tal Shoham in einem Tunnel festgehalten. Im Februar kam Tal Shoham dann überraschend frei. Er nahm Kontakt mit der Familie von Evyatar und Guy auf und kämpft seitdem an ihrer Seite für die Freilassung aller Geiseln. 

An der Seite von Tal Shoham in dem Video-Call sitzt Ilan Gilboa-Dalal, der Vater von Guy Giviadatal. Er sagt: „Evyatar und Guy wurden ausgehungert, geschlagen und mental und physisch missbraucht. Sie wurden 30 Meter unter der Erde festgehalten, ohne frischer Luft. Aber jetzt neigt sich dieser Albraum endlich dem Ende." 

Ich werde meinen Sohn zum ersten Mal seit zwei Jahren umarmen

Vater von Guy Giviadatal

Tal Shoham und Ilan Gilboa-Dalal  sitzen vor einem Laptop und sprechen zu Journalisten in die Kamera
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Auf die Frage, wie er den morgigen Montag verbringen werde, antwortet Gilboa-Dalal sofort: „Ich werde meinen Sohn zum ersten Mal seit zwei Jahren umarmen und seinen Geruch riechen. Ich werde ihm sagen, dass er sicher ist und bei uns.“

Theoretisch, sagt Gilboa-Dalal, hätte er auch die Möglichkeit, bei der morgigen Rede von US-Präsident Donald Trump in der Knesset, dem israelischen Parlament, dabei zu sein. Aber so gerne er Trump persönlich treffen würde – sein Sohn gehe verständlicherweise vor. 

Tal Shoham wiederum sagt: „Ich würde gerne Trumps Hand schütteln. Ich möchte ihm danken. Nicht nur für diesen Deal, sondern auch für den Deal der mich im Februar freibekommen hat.“ 

Wie es den Rückkehrern morgen gehen wird, kann auch Tal Shoham nicht sagen. Auch wenn er die Bedingungen kennt, unter denen sie zwei Jahre lang eingesperrt waren. „Jede Erfahrung ist anders. Ich selbst kann mich glücklich schätzen, dass ich nicht unter post-traumatischen Belastungsstörungen leide. Aber es ist ein langer Prozess für alle."

Der diesjährige  7. Oktober, als sich der Überfall der Hamas zum zweiten Mal jährte, sei hart für ihn gewesen, erzählt Shoham. Die Bilder und Erinnerungen seien alle wieder hochgekommen. Doch schon wenige Tage später kam die Nachricht, dass seine Mitgefangenen Guy und Evyatar am Leben sind und zeitnah zurückkehren könnten. 

Ilan Gilboa-Dalal, der Vater von Shohams ehemaligen Mitgefangenen Guy, hat mitten in der Nacht davon erfahren. Er war gerade in den Niederlanden und flog am nächsten Tag sofort zurück nach Israel. 

Er wisse nicht, was für einen Sohn er zurückbekommen werde. Aber alles stehe bereit. Ein Zimmer im Krankenhaus, Ärzte und Ärztinnen verschiedener Fachrichtungen. Die genaue Uhrzeit der Rückkehr wisse er auch nicht. Sobald die Hamas ein Zeichen gibt, sagt er, machen er und seine Familie sich auf den Weg zum Krankenhaus. 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.