der Interviewte Peter Handlgruber in einem Büro

„Das Büro sollte einen Mehrwert gegenüber Home Office bieten“

Moderne Arbeitsplätze brauchen individuelle Gestaltung.

Drucken

Schriftgröße

Peter Handlgruber ist Geschäftsführer des Gestaltungsbüros Bürofreunde. Im Gespräch erzählt er, welche Anforderungen die moderne Arbeitswelt an Büroräume hat. Warum es kein Patentrezept gibt und wie sozialer Austausch und Rückzug gleichzeitig funktionieren können.

Was muss ein Büro heute leisten, um in der hybriden Arbeitswelt bestehen zu können?

Peter Handlgruber

Das Büro ist längst nicht mehr nur ein Arbeitsplatz. Es ist ein sozialer Treffpunkt geworden, ein Ort, an dem man sich austauscht, gemeinsam arbeitet, Probleme diskutiert und Lösungen findet. Und es sollte – das ist entscheidend – einen echten Mehrwert gegenüber dem Home Office bieten: sei es durch bessere Infrastruktur, gezielte Orte der Konzentration oder das Erleben von Unternehmenskultur.

Viele Unternehmen gestalten derzeit ihre Büros um. Was ist der Hintergrund?

Peter Handlgruber

Die Pandemie war hier ein enormer Beschleuniger. Plötzlich hat man erkannt: Home Office funktioniert besser als gedacht – zumindest temporär. Aber gleichzeitig fehlte vielen das Gefühl, „mitzubekommen, was läuft“. Die Reaktion darauf: Räume schaffen, in denen Kommunikation, Austausch und Kultur wieder stattfinden können. Und das verlangt oft mehr als nur eine neue Möblierung. Es geht darum, gemeinsam mit Teams in den Prozess zu gehen: Was braucht es überhaupt?

Wie können solche Räume konkret aussehen?

Peter Handlgruber

Vor allem braucht es mehr Orte für den informellen Austausch – Zweiergespräche, kleine Gruppen, spontane Abstimmungen. Die klassischen Besprechungsräume für zehn oder mehr Personen werden selten ausgelastet. Gleichzeitig gewinnen zentrale Sozialbereiche an Bedeutung – von der Kaffeemaschine über die offene Küche bis hin zu größeren kommunikativen Zonen. Ein Unternehmen, das wir begleiten, zieht etwa von sieben Altbauwohnungen auf eine große Fläche. Die Vorfreude auf eine gemeinsame Küche statt sieben kleinen ist enorm.

Was hat das mit Gestaltung und Marke zu tun?

Peter Handlgruber

Innenarchitektonisches Branding wird immer wichtiger – ähnlich wie in Hotels schafft man über Farbgebung, Materialien und Details eine Atmosphäre, die zur Identität des Unternehmens passt. Und ja, ein Büro darf auch Instagram-tauglich sein. Wenn Mitarbeiter:innen sich mit den Büroräumlichkeiten identifizieren, Bewerber:innen sich willkommen fühlen und man Lounges auch für Social Media Content verwenden kann, hat das nicht nur Wirkung nach innen, sondern stärkt auch die Employer Brand.

Welche Trends sehen Sie aktuell in der Gestaltung?

Peter Handlgruber

Die Natur zieht ein – über Pflanzen, Moos, natürliche Materialien. Farben werden mutiger, Räume offener, die Stimmung insgesamt frischer. Neben Flächen für sozialen Austausch gewinnen auch Rückzugsräume an Bedeutung. In einem Arbeitsalltag voller Video-Calls ist Ruhe in der Mittagspause für viele der wahre Ausgleich.

Aber wie gelingt es, für verschiedene Arbeitsstile passende Lösungen zu finden?

Peter Handlgruber

Indem man auf die Teams schaut, nicht nur auf Funktionen. Wir hatten ein Projekt mit einem Technologieunternehmen, bei dem viele Mitarbeitende täglich sechs bis sieben Stunden in Videocalls verbringen. Da funktioniert das klassische Modell des „activity-based working“ nicht – man kann nicht dauernd den Ort wechseln. Hier braucht es maßgeschneiderte Lösungen, basierend auf realen Arbeitsabläufen.

Und wenn die baulichen Gegebenheiten nicht ideal sind?

Peter Handlgruber

Man kann auch im Kleinen viel bewegen: Akustikelemente, Teppich statt Kunststoffboden, Pflanzen, höhenverstellbare Tische. Und man sollte sich fragen: Brauche ich wirklich für jede:n einen fixen Platz oder kann ich Fläche durch Desksharing effizienter nutzen? In vielen Fällen lässt sich sogar mit weniger Raum mehr erreichen – sowohl funktional als auch atmosphärisch. 35 Quadratmeter Bruttofläche pro Mitarbeiter:in ist auch nicht nachhaltig.

Zum Thema Nachhaltigkeit: Wie lässt sich diese in der Bürogestaltung abbilden?

Peter Handlgruber

Nachhaltigkeit beginnt bei der Flächennutzung. Der ungenutzte Quadratmeter ist der schlechteste – jeder braucht Energie, Reinigung, Infrastruktur. Darüber hinaus achten wir auf Materialien, Kreislaufwirtschaft, richtige Entsorgung und langlebige Planung. Die Branche entwickelt sich stetig weiter, bei Teppichen etwa sind CO2-neutrale, allergiefreundliche Varianten längst Standard. Viele Materialien haben Nachhaltigkeitszertifikate. Wie so oft sind die Mehrkosten aber für viele Unternehmen ausschlaggebend.

Gibt es nach einer Umgestaltung des Büros messbare Effekte auf die Arbeitsleistung?

Peter Handlgruber

Konkrete Kennzahlen sind selten, aber die Rückmeldungen sprechen für sich. Zufriedenere Mitarbeitende, gutes Arbeitsklima, mehr Identifikation. Wichtig ist: Gestaltungselemente können nur wirken, wenn sie gelebt und angenommen werden. Eine kommunikative Lounge im Sichtfeld des CEO-Büros schafft kein angenehmes Klima und das Management darf Abstimmungen auf einem Sofa nicht als „Nicht-Arbeiten“ werten. Die Unternehmenskultur muss offene Bürogestaltung mittragen, sonst verfehlen die Maßnahmen ihren Zweck.

Wie entwickelt sich der Stellenwert von Gestaltung insgesamt?

Peter Handlgruber

Positiv. Es gibt ein wachsendes Verständnis dafür, dass es nicht reicht, neue Möbel zu kaufen. In Österreich ist die Haltung gegenüber Veränderung oft skeptisch, aber keine Angst – Großraumbüros wie in England oder den USA wird es bei uns nicht so schnell geben. Wichtig ist, Prozesse zu verstehen und Räume individuell zu denken. Es geht darum, Orte zu schaffen, die soziale, konzentrierte oder inspirierende Atmosphäre schaffen – je nachdem, was gebraucht wird.

zeig profil award

Du hast ein spannenden Projekt rund um Architektur und Gestaltung, das zukunftsweisend sein könnte? Reich es beim zeig profil award in der Kategorie „Architektur und Design” ein! 

Alle Infos zum award und zur Einreichung findest du hier