Forsch(end) in die Zukunft
Begnadet für das Schöne zu sein – das reicht in einer zunehmend globalisierten Welt nicht mehr, um als Wirtschaftsstandort zukunftsfähig zu bleiben. Wer im internationalen Wettbewerb Strahlkraft haben, Investitionen anziehen, Beschäftigungspotenzial heben und Wohlstand erhalten will, der muss glänzen: mit Innovationen, die technologische Alleinstellungsmerkmale ermöglichen, die Produktqualität erhöhen und die Kosten senken.
Österreich hat darin jahrzehnte-, ja jahrhundertelange Übung. Viele Erfindungen, die heute in der ganzen Welt zum Einsatz kommen, sind rot-weiß-rote. 1844 entwickelte etwa Jacob Christoph Rad den ersten Würfelzucker, der eine genaue Portionierung ermöglichte. 1913 konstruierte Viktor Kaplan eine Wasserkraft-Turbine für Flüsse mit geringem Gefälle. 1951 gelang Carl Djerassi mit der Anti-Baby-Pille ein Durchbruch in der Empfängnisverhütung. Und dass Wissenschaftler:innen wie Lise Meitner (Radiochemie) oder Erwin Schrödinger (Quantenmechanik) ihre jeweilige Disziplin entscheidend prägten, steht auch außer Frage.
Neuer Rekord
Auf alten Lorbeeren darf man sich jedoch nicht ausruhen. Der Bund und Österreichs Unternehmen wissen das. Alljährlich investieren sie massiv in Forschung und Entwicklung. 2024 flossen laut des aktuellen Forschungs- und Technologieberichts (FTB) insgesamt 16,13 Milliarden Euro in F&E, rund 844 Millionen Euro mehr als 2023. Die Forschungsquote, also der Anteil der F&E-Ausgaben am nominellen Bruttoinlandsprodukt, betrug damit 3,35 Prozent.
Ein neuer Rekordwert. Allerdings einer mit Schönheitsfehler, wie die stellvertretende Wirtschaftskammer-Generalsekretärin im April in einer Presseaussendung anmerkte. Der Anstieg des nominellen BIP betrug 2024 nur 1,8 Prozent, jener der Forschungsausgaben jedoch 5,5 Prozent. „Damit ,profitiert‘ die Forschungsquote von der momentan schwachen Wirtschaft“, so Mariana Kühnel.
Für Wachstum und Produktivität
Immerhin: Österreich übertraf mit seiner Forschungsquote zum 11. Mal in Folge den europäischen Zielwert von drei Prozent. Damit schaffen wir Platz acht im Global Innovation Index und Platz sechs im European Innovation Scoreboard. Hinsichtlich der Aufwendungen für Forschung und Innovation reicht es im EU-Vergleich sogar für einen Stockerlplatz, hinter Schweden und Belgien.
Im Rennen weit vorne zu liegen, stärkt nicht nur Österreichs Ruf als Forschungsstandort, der Unternehmen und Investor:innen Zugang zu Wissen, Fachkräften und Innovationskultur bietet. Laut WKO verdanken wir den F&E-Anstrengungen bereits heute auch rund 60 Prozent des Wirtschafts- und bis zu zwei Drittel des Produktivitätswachstums. Langfristig würde jeder zusätzlich investierte Euro in öffentliche F&E-Ausgaben das BIP um bis zu sechs Euro steigern. „Forschung und Innovation sind kein Kostenfaktor, sondern ein Turbo für nachhaltiges Wachstum und unser stärkster Hebel für Zukunftssicherung“, so Mariana Kühnel. „Ob Energiewende, Digitalisierung oder KI – wer Technologien mitentwickelt, schafft Wertschöpfung und technologische Souveränität in Europa.“
Studien zeigen außerdem, dass forschungsaktive Unternehmen deutlich resilienter sind. So ist etwa aus dem „Innovation Index 2025“-Report des globalen Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young (EY) ein klarer Zusammenhang zwischen F&E-Ausgaben und Profitabilität herauszulesen. Besonders deutlich zeigt sich der Zusammenhang in der IT-Branche: „Unternehmen mit überdurchschnittlicher F&E-Intensität erreichten eine durchschnittliche EBIT-Marge von rund 8,5 Prozent, während Unternehmen mit unterdurchschnittlicher F&E-Intensität in derselben Branche sogar in den Negativbereich rutschten“, so der EY-Report. Auch für die Industrie – etwa in den Bereichen Metall oder Maschinenbau – und bei Bau- und Rohstoffkonzernen lagen die EBIT-Margen innovationsstarker Unternehmen mit 7,5 Prozent um 3,1 Prozentpunkte höher als bei Betrieben mit unterdurchschnittlicher F&E-Intensität. Für Gunther Reimoser, Country Managing Partner bei EY Österreich, ist daher klar: „Innovationsstärke zahlt sich doppelt aus. Sie schafft Resilienz und eröffnet Wachstumspotenziale.“
Selbst ist das Unternehmen
60 Prozent der heimischen Unternehmen betreiben F&E und treiben damit die Forschungsquote in die Höhe. Nach dem aktuellen FTB stemmten jene Konzerne, KMUs und Start-ups, die eigene F&E-Abteilungen betreiben und mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen kooperieren, fast die Hälfte der heimischen F&E-Ausgaben selbst. Laut Statistik Austria sind es sogar annähernd Zweidrittel. So oder so ist es ein Löwenanteil, selbst wenn die Finanzierungen auch die Ausschüttungen der Forschungsprämie beinhalten, von der 2024 nach Angaben des Finanzministeriums über 1,1 Milliarden Euro ausbezahlt wurden.
Das Festhalten an Innovationsstrategien trotz schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist ein wichtiges Signal für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts.
Insbesondere Österreichs Großunternehmen setzten ein starkes Zeichen, trotz wirtschaftlich angespannter Lage. Der EY-Innovation-Index 2025 zeigt, dass die börsennotierten Top-30-Unternehmen im Schnitt 4,3 Prozent ihres Umsatzes in Innovation investierten. Sprich: Gut jeder 25. Euro floss in F&E. Dieses Festhalten an Innovationsstrategien sei, so Gunther Reimoser, „ein wichtiges Signal für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts. Besonders erfreulich ist, dass viele Unternehmen nicht dem Reflex verfallen, bei Forschung und Entwicklung zuerst zu sparen – sie beweisen damit Weitblick und Verantwortungsbewusstsein.“
Starke Branchen
Als besonders forschungsfreudig tat sich Österreichs IT-Branche im EY-Bericht hervor. Im Schnitt flossen fast 14 Prozent der Unternehmensumsätze in F&E. Im weltweiten Vergleich liegt man damit deutlich über dem globalen Tech-Sektor (9,5 Prozent). Österreichs Technologie-Unternehmen investieren also messbar stärker in Zukunftsthemen als ihre weltweiten Pendants.
Doch auch andere Branchen innovieren fleißig. Laut Statistik Austria waren es 2024 vor allem Unternehmen der verarbeitenden Industrie. Der Maschinenbau, die Automobilindustrie und die chemische Industrie setzten auf die kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer Produkte und Fertigungsprozesse. So lag die F&E-Intensität in der heimischen (Automobil-)Industrie mit 3,5 Prozent noch spürbar über dem österreichischen Gesamtdurchschnitt, im Gegensatz zu Branchen wie Energie und Konsumgüter mit unter einem Prozent. Diese Bandbreite spiegle, so EY, „die sehr unterschiedlichen Innovationsstrategien und -möglichkeiten der einzelnen Branchen wider“. Und die Bandbreite zeigt auch, dass die Schwerpunkte der Sonderforschungsbereiche und Kompetenzzentren im Land, die ein effektives Netzwerk zwischen Wissenschaft und Wirtschaft knüpfen, besonders auf folgenden Bereichen liegen: Industrie 4.0, Life Science, Automotive, Umwelttechnik, IT und Telekom, Chemie und Kunststoff sowie Maschinenbau, Elektronik und Mechatronik.
Die Forschungskaiser
Zu den forschungsstärksten österreichischen Unternehmen zählten laut EY-Report ams-OSRAM (419 Millionen Euro), Kontron (237 Millionen), Pierer Mobility (235 Millionen) und Voestalpine (219 Millionen). Die Andritz AG hielt ihre Investitionen mit 140 Millionen Euro auf Vorjahresniveau, während AT&S 137 Millionen Euro investierte. Im globalen Vergleich finden sich die sechs Unternehmen mit den höchsten F&E-Ausgaben auch unter den 500 forschungsstärksten Unternehmen der Welt wieder. Angeführt wird das nationale Ranking von ams-OSRAM (Rang 310), AT&S schafft es mit Platz 500 noch knapp ins Ranking, an dessen Spitze weiterhin die USA stehen mit sieben Unternehmen unter den Top Ten – von Amazon bis Meta.
Wahrnehmungssache
In der Öffentlichkeit sind es jedoch nicht immer jene Unternehmen, die am meisten Geld für F&E in die Hand nehmen, die als besonders innovativ wahrgenommen werden. Seit fünf Jahren erhebt die IMWF Management- und Wirtschaftsforschung GmbH gemeinsam mit dem „Industriemagazin“ im „Industry Reputation Report“ die Wahrnehmung und digitale Sichtbarkeit der 498 größten Industrieunternehmen in Österreich. Für den aktuellen Bericht untersuchte ein KI-basierter Algorithmus 151.000 Online-Quellen wie Nachrichtenportale, soziale Netzwerke, Blogs und spezialisierte Foren nach den Kategorien „Produkte“, „Wirtschaftlichkeit“, „Nachhaltigkeit“, „Management“, „Arbeitgeber“ und „Innovation“ und wertete deren Stimmung aus. Zusätzlich spielte die Reichweite der Plattformen eine Rolle, um den Einfluss der jeweiligen Erwähnungen zu bewerten.
Aus dem Report 2025 gingen zehn Unternehmen als „die innovativsten“ im Jahr 2024 hervor: Palfinger, FACC, Borealis, KEBA, Voestalpine, AT&S, OMV, Zumtobel Group, Lenzing und Miba. Gegenüber dem Vorjahr Ränge gutmachen konnten insbesondere KEBA, Voestalpine und die Zumtobel Group.
Doppelte Rendite
Das Ergebnis der IMWF-Studie zeigt, dass sich Innovationsanstrengungen auch auf anderen Ebenen auszahlen. So stärkt eine starke Innovationskultur etwa die Reputation und schlussendlich die Arbeitgebermarke, was im Wettbewerb um Fachkräfte hilft. Laut Statistik Austria waren hierzulande 2023 insgesamt 154.827 Beschäftigte im Bereich F&E tätig – in Betrieben, an Hochschulen, in Forschungseinrichtungen sowie im Staats- und dem privaten gemeinnützigen Sektor. Zweidrittel der Vollzeitäquivalenten entfielen auf den Unternehmenssektor. Da Erfindungen im Unternehmen zu einem sehr großen Teil auf Arbeitnehmer:innen zurückgehen, trägt deren Motivation, erfinderisch tätig zu werden, wesentlich zum betrieblichen Innovationsprozess bei, der wiederum ein wichtiger Schlüssel für Schaffung und Erhalt künftiger Arbeitsplätze am Wirtschaftsstandort ist.
Innovated in Austria
Woran die F&E-Köpfe arbeiten, ist höchst unterschiedlich. Advantage Austria, die Außenwirtschaftsorganisation der WKO, betont von Auftrags wegen gern, dass „hinter praktischen Apps oder intelligenten Datensicherheitssystemen High-Tech-Technologien ,Made in Austria‘ stecken“. Und „dass Krebsforschung, Smart Grids oder intelligente Stromnetze der Zukunft die traditionell starken Bereiche wie Maschinen- und Fahrzeugbau, Umwelttechnologien und innovative Werkstoffe oder die Metallindustrie ergänzen“, die als exportorientierte Technologiegeber auftreten.
Und die Schlüsseltechnogien?
Doch wie stark ist Österreich wirklich bei den Schlüsseltechnologien? Die Antwort darauf ist wichtig. Denn „wer in den Technologiewettläufen mithalten kann, kann überall mithalten. Solche Technologien sind geoökonomisch und wirtschaftlich bedeutende Querschnittsthemen, die alle Bereiche der Gesellschaft – von Bildung und Soziales über Wissenschaft hin zu Wirtschaft, Politik, Sicherheit und Verteidigung – gleichermaßen benötigen und betreffen. Stärke in Schlüsseltechnologien kann daher auch als Produkt der Stärke einer ganzen Gesellschaft gesehen werden“, meint Sylvia Schwaag Serger, stellvertretende Vorsitzende des Rates für Forschung, Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung (FORWIT).
60% der heimischen Unternehmen betreiben F&E und treiben damit Österreichs Forschungsquote nach oben. Die Hälfte der Ausgaben stemmen sie selbst.
Im Mai präsentierte FORWIT den FTI-Monitor 2025, der Auskunft über die aktuelle Leistungsfähigkeit des österreichischen FTI-Systems gibt. Es zeigte sich: „In den letzten Jahren hat sich Österreichs Leistungsfähigkeit insbesondere in den Schlüsseltechnologien Photonik, fortgeschrittene Werkstoffe und Quantentechnologie deutlich verbessert – sowohl bei der Anzahl der Patente als auch beim Spezialisierungsgrad. So zählt das Land etwa in der Photonik in beiden Aspekten zu den internationalen Top fünf. Auch in den Bereichen IT für Mobilität und Internet der Dinge gibt es Fortschritte in der Spezialisierung.“
Der Wermutstropfen: Österreich fällt bei der internationalen Bedeutung und Zitationshäufigkeit der Patente zurück – ein Indiz für eine geringere wirtschaftliche und technologische Bedeutung. Und auch dafür, dass unsere binnennationalen Stärken nicht automatisch zu globalen Spitzenpositionen führen. Auch im Bereich der breiten Querschnittstechnologie „Künstliche Intelligenz“ holen heimische Unternehmen zwar auf, erreichen in Summe aber nur 73 Prozent des Leistungsniveaus der „Innovation Leader“ in Europa.
Vier-Prozent-Ziel
Um im European Innovation Scoreboard vom „Strong Innovator“ zum „Innovation Leader“ aufzusteigen, braucht es dringend weitere Aktivitäten. Die WKO erneuerte ihre Forderung nach einer schrittweisen Erhöhung der F&E-Ausgaben und der konsequenten Umsetzung des im Regierungsprogramm verankerten Vier-Prozent-Ziels bis 2030. Weiters fordert sie, die direkten F&E-Förderungen anzuheben. Wie Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO zeigen, würde eine Anhebung um einen Euro zu einer Steigerung der F&E-Ausgaben im Unternehmenssektor um 1,7 Euro führen.
Um ins Spitzenfeld zu gelangen, müsse Österreich zudem Forschungsförderung attraktiver machen, Schlüsseltechnologien vorantreiben, Qualifizierungsmaßnahmen setzen, um das nötige Personal für Spitzenforschung auszubilden und bereitzustellen, sowie die Rahmenbedingungen und Forschungs- und Technologie-Infrastruktur für Innovation verbessern. Auch beim Thema Venture-Capital-Investitionen, die vor allem für Start-ups eine wichtige Finanzierungsquelle darstellen, hinke Österreich deutlich hinter anderen OECD-Ländern hinterher (Anm. d. Red.: Österreichs Einsatz von Risikokapital macht nur 0,04 Prozent des BIP aus). Darüber hinaus seien ganz allgemein Maßnahmen zur Entbürokratisierung der Forschung und zur Verbesserung der Finanzierung erforderlich.
Politik gefragt
Bei Innovationsminister Peter Hanke ist die Botschaft – in weiten Teilen – angekommen. Anfang Oktober betonte er in einer Debatte im Wissenschaftsausschuss, dass die angestrebte Forschungsquote von vier Prozent aus seiner Sicht durchaus erreichbar sei. Dafür müsse das Thema Innovation jedoch ressortübergreifend behandelt und alles daran gesetzt werden, Österreichs Vorsprung in bestimmten Bereichen zu halten und auszubauen. Vor allem die Bereiche KI, Chip-Technologie, Quantentechnologie und Materialtechnik seien von großer Bedeutung. Aus seiner Sicht gelte es, das derzeit noch bestehende Zeitfenster für Schlüsseltechnologien bestmöglich zu nützen. Hier habe die Bundesregierung eine Initiative gestartet, um auch KMU einzubeziehen.
Auch Staatssekretärin Elisabeth Zehetner nahm an der Debatte teil. Sie betonte, dass das Wirtschaftsressort den Start-ups ein besonderes Augenmerk widmen wolle, die starke Innovationstreiber seien. Ein anhaltendes Problem Österreichs sei der niedrige Anteil an Venture Capital. Für die Entwicklung von Innovation in Start-ups ist Venture-Capital jedoch wichtig. Diese Lücke solle, so Zehetner, ein geplanter Dachfonds schließen.
Das große Ganze
Bei allen angekündigten Maßnahmen darf jedoch das große Ganze nicht aus dem Blick geraten. Dazu gehört, dass die Förderung von F&E nicht nur ein Wirtschaftsstandort-Programm ist, sondern letztlich auch zu sozialem Fortschritt führt. Ob neue Therapien oder verbesserte Technologien: F&E zahlen auf eine höhere Lebensqualität der Bürger:innen ein. Gerade in krisenhaften Zeiten, die auch Demokratien erschüttern, gilt es, die Zukunft der Gesellschaft durch Wissenschaft, Forschung, Technologie und Innovation nachhaltig zu sichern.
Ein Satz übrigens, der in ähnlicher Form im Vorwort des aktuellen Forschungs- und Technologieberichts zu finden ist. Und dieses Vorwort haben Eva-Maria Holzleitner, Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung, Peter Hanke, Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur, und Wolfgang Hattmannsdorfer Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus, immerhin unterschrieben.
Text: Daniela Schuster