Ingrid Brodnig

#brodnig: Achtung, Gastro!

Fake-Rezensionen als Waffe: Wenn Corona-Skeptiker Wirte bestrafen – dafür, dass sie wieder aufsperren.

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Was wirklich ärgerlich ist: Manche Corona-Skeptiker hinterlassen negative Bewertungen bei Lokalen und Geschäften, bloß weil diese auf die Einhaltung der Corona-Regeln achten. Es geht also nicht darum, dass jemand mit dem Service oder der Qualität der Waren unzufrieden war, sondern es wird negativ bewertet, dass man Maske tragen oder Tests vorweisen muss.

In einschlägigen Gruppen auf der Plattform Telegram, in denen sich zum Beispiel Anhänger der Verschwörungserzählung QAnon austauschen, werden solche Lokale namentlich genannt und Gleichdenkende motiviert, negative Bewertungen zu hinterlassen. Dann posten User tatsächlich Rezensionen mit nur einem von fünf Sternen (die schlechtestmögliche Bewertung), schimpfen über das Lokal und werfen den Betreibern „Diskriminierung“ vor.

Ich habe mit einer Gastronomin in Baden-Württemberg gesprochen, die das erlebte: „Wir kämpfen seit mehr als einem Jahr ums Überleben. Endlich dürfen wir wieder aufsperren – und dann erhalten wir solche politisch motivierten Rezensionen.“ Sie bittet um Anonymität, denn mittlerweile sind die negativen Rezensionen nicht mehr ansteigend, und sie will nicht erneut die Aufmerksamkeit der Szene auf sich ziehen. „Man kann solche Vorfälle auch öffentlich ansprechen, eine Gegenbewegung organisieren und erhält dann sicher positive Rezensionen von Leuten, welche die Querdenker-Szene ablehnen. Aber das sind dann zum Teil keine authentischen Rezensionen von Gästen, um die es uns geht“, erzählt mir die Frau.

Man kann übrigens Google solche Fake-Bewertungen melden. Bei dem Beispiel aus Baden-Württemberg wurde daraufhin zumindest ein kleiner Teil der nicht authentischen Bewertungen gelöscht. Notfalls gibt es Rechtsanwaltskanzleien, die auf dieses Thema spezialisiert sind. Mich ärgert am meisten die Doppelmoral mancher Corona-Skeptiker: Sie fordern vehement, Länder wie Deutschland oder Österreich müssten aufsperren, um die finanziell gefährdete Gastronomie oder die Kultur zu schützen. Dann wird langsam, mit Sicherheitsauflagen wieder aufgesperrt: Und es folgen negative Rezensionen aus dieser Szene, weil ihr die Art des Aufsperrens nicht passt, weil sie jegliche Form von Corona-Maßnahme ablehnt.

Da entsteht der Eindruck: Manchen Corona-Skeptikern geht es nicht um die Wirte, nicht um die Kultur, sondern um ihren Wunsch, überall ungeimpft, ungetestet alles Mögliche machen zu dürfen – ohne Rücksicht auf andere.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.