links: Suffragetten protestieren in Wien, Feministinnen protestieren in den Niederlanden

Hat #MeToo die Welt zu einem besseren Ort gemacht?

Provozierte der Hashtag rasend viel Lärm mit wenigen Konsequenzen? Oder die einflussreichste Debatte, die der Feminismus seit dem Kampf um die Fristenlösung hervorgebracht hat? Eindeutig Letzteres, finden wir.

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„Ich möchte gleich in aller Deutlichkeit starten: Ja, ich bin Feministin.“ Mit diesem Satz begann die designierte SPÖ-Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner ihre Ansprache am vergangenen Weltfrauentag und bezog sich damit polemisch auf ihre ÖVP-Amtsvorgängerin Susanne Raab, die sich, wie sie mehrfach betont hatte, nicht als Feministin fühlte. Eva Holzleitner will Hoffnung auf mehr Bewegung in der Verankerung von Frauenrechten machen. Unter anderem in Planung: das Versenden von „Dick Pics“ (Fotos von Penissen) unter Strafe zu stellen, die transparente Gehaltsoffenlegung, um gegen den Gender-Pay-Gap anzukämpfen, oder die Einführung von Fußfesseln für Gewalttäter. „Wir wollen eine Welt, in der es echte Gleichstellung gibt“, gibt sich Holzleitner kämpferisch.

Acht Jahre nach dem Beginn der #MeToo-Bewegung spricht man im Zuge des aktuellen globalen Rechtsrucks aber auch immer wieder von einem feministischen Backlash als gesellschaftspolitisch tiefgreifende Begleiterscheinung. Dennoch kann man getrost behaupten: Seit der Durchsetzung der Fristenlösung zu Abtreibungen gab es keine feministische Bewegung mit mehr Einfluss. Warum?

#MeToo-Historie

Die Chronik der Ereignisse: Am 5. Oktober 2017 ging auf der Website der „New York Times“ das Resultat einer monatelangen Recherche der beiden Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey online: „Harvey Weinstein Paid Off Sexual Harassment Accusers for Decades“. Wenig später folgte das Magazin „New Yorker“ mit einem Artikel ähnlichen Inhalts. Was viele seit Jahren wussten: Weinstein hatte Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen über Jahrzehnte hinweg sexuell belästigt, bedrängt und vergewaltigt.

Tweet von Alyssa Milano: "Falls du sexuell belästigt oder angegriffen wurdest, antworte auf diesen Tweet mit 'me too'"

Am 15. Oktober schlug die Schauspielerin Alyssa Milano auf Twitter vor, sexuelle Übergriffe unter dem Hashtag #MeToo zu teilen. Die Antworten auf Milanos Posting waren oft erschütternd: „Ich war elf, er war 40. Sagt mir bitte, wie ich es gewollt haben soll.“ Oder: „Weil man mir dafür die Schuld gab und vorwarf, ein ,Party Girl‘ gewesen zu sein, fühlte ich mich selbst schlecht. Ich hätte nicht dort sein dürfen, ich hätte nicht ,böse‘ sein dürfen.“ Ursprünglich hatte die Frauenrechtsaktivistin Tarana Burke 2006 mit dem Kürzel MeToo (der Hashtag wurde erst 2007 erfunden) eine Kampagne ins Leben gerufen, die die Lohnschere zwischen den Geschlechtern zum Angriffspunkt hatte.

Was oft jahrzehntelang vertuscht wurde, wurde 2017 fassbar: Nicht nur Hollywoodschauspielerinnen hatten Erfahrungen mit übergriffigen Männern, sondern zig Millionen Frauen. Die Debatte, die #MeToo ausgelöst hat, war gewaltig. Sie brachte prominente Täter ans Tageslicht, oft solche, deren sexistisches Unwesen über Jahrzehnte als offenes Geheimnis galt und dennoch toleriert worden war. In allen Branchen. Und mit den unterschiedlichsten Konsequenzen. Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon trat noch im November 2017 zurück. Der TV-Superstar Bill Cosby wurde 2018 als Sexualstraftäter zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt, ist aber wieder frei. Der Filmproduzent Harvey Weinstein, der zur Täter-Symbolfigur von #MeToo wurde und dessen Untaten Vergewaltigung, Nötigung und Freiheitsberaubung umfassen, sitzt zurzeit eine insgesamt 39-jährige Haftstrafe ab.

Erstmals wurde damals offensichtlich, wie weit verbreitet sexuelle Belästigung gegenüber Frauen tatsächlich ist. Eine von drei Frauen soll Statistiken zufolge in ihrem Leben schon einmal sexuell belästigt worden sein. #MeToo machte die Gesichter sichtbar, die hinter den Statistiken stecken. Auf die Tweets folgten Konsequenzen.

Tarana Burke

Die eigentliche Erfinderin von #MeToo: Menschenrechtsaktivistin Tarana Burke

Ursprünglich hatte Burke 2006 mit dem Kürzel MeToo (der Hashtag wurde erst 2007 erfunden) eine Kampagne ins Leben gerufen, die die Lohnschere zwischen den Geschlechtern zum Angriffspunkt hatte.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist seit Juni 2023 Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.