Putins Spione in der OMV

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Die Eskalation zwischen Russland und Österreich erreicht eine neue Stufe. Ein russischer Diplomat soll das Land verlassen, weil er für einen massiven Fall von Betriebsspionage mit potenziell großem Schaden für Österreich verantwortlich sein soll, wie profil exklusiv aufdeckt. Die Spionageaktivität betrifft nicht irgendwen, sondern die teilstaatliche OMV, das größte und wichtigste Infrastrukturunternehmen des Landes – und bis vor kurzem Vertragspartner der russischen staatlichen Gazprom.
Langjährige Mitarbeiter sind das sprichwörtliche Gold eines jeden Unternehmens: Sie verfügen über tiefes Fachwissen, haben Einblicke in vertrauliche Prozesse, in die strategische Planung, pflegen Kundenbeziehungen und kennen jede Schwachstelle im System. Ihre Erfahrung und Loyalität sind unbezahlbar, besonders in Krisenzeiten. Zum Beispiel, wenn man als OMV gerade den Ausstieg aus russischem Gas plant, was dort seit Putins Angriffskrieg auf die Ukraine ganz oben auf der Agenda stand. Oder auch, wenn man als OMV an einer Milliardenfusion mit Partnern in Abu Dhabi arbeitet. Stellen sich diese langjährigen Mitarbeiter plötzlich gegen das Unternehmen und tragen ihr Wissen nach außen, kann das enorme Schäden verursachen. Genau das ist nun bei der OMV passiert.
Ein langjähriger Mitarbeiter wurde als russischer Maulwurf enttarnt. Über Wochen und Monate beobachtete die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) den Mann, der durch Treffen mit einem Diplomaten der russischen Botschaft aufgefallen war. Und der wiederum stand auf der Liste mehrerer westlicher Dienste als potenzieller Spion für den FSB, dem russischen Inlandsgeheimdienst.
Die OMV hat über 20.000 Mitarbeiter, und Russlands Mann in Österreichs wichtigstem Öl-, Gas- und Petrokonzern war keine kleine Nummer. Er genoss das Vertrauen des Unternehmens so weit, dass man ihn als Secondment (Anm. Mitarbeiter der für eine gewisse Zeit in eine andere Organisation versetzt wird) zur Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) entsandte, dem staatlichen Öl-Konzern Abu Dhabis. Adnoc ist für die OMV nicht nur wichtig, weil sie ihr Miteigentümer ist. Sie ist auch Partnerin für Milliardenprojekte, die gerade gemeinsam auf den Weg gebracht werden. Die beiden Unternehmen haben ihre Petrochemietöchter Borealis und Borouge gerade zu einem der größten Kunststoffunternehmen der Welt fusioniert, der Deal soll im ersten Quartal 2026 abgeschlossen werden.
Vertrauensmann
Der mutmaßliche Spion in der OMV wusste darüber viel: Er pendelte zwischen Abu Dhabi und Österreich – und wenn er in Wien war, traf er seinen Freund von der Botschaft, den russischen Diplomaten, um ihm ausführlich über den Stand der Dinge zu berichten.
Der russische Diplomat wiederum ist ein unauffälliger Mann. Hierarchisch offiziell nicht hoch angesiedelt, ein Referent eben. Im Außenamt wusste man nicht so genau, was seine Tätigkeit war.
Dank der Ermittlungen der DSN, die sich zu ihrem Ermittlungserfolg auf profil-Anfrage nicht äußern will, ist das jetzt klarer: Offenbar sollte der Diplomat für den FSB Informationen auftreiben. Das zeigen auch die Ermittlungsergebnisse, die der Justiz vorliegen. Auf richterliche Anordnung wurde eine Razzia bei dem OMV-Mitarbeiter zu Hause durchgeführt. Dabei wurden Berge an klassifizierten, internen und auch sonst sensiblen Dokumenten gefunden. Sie werden derzeit ausgewertet. Es wird versucht, ihre Herkunft genau nachzuvollziehen: Ob sie aus Adnoc oder der OMV stammten, der Mitarbeiter hatte Einblicke in beide Unternehmen. Auch eine noch zu klärende Frage ist, ob es sich um einen Einzeltäter handelt, oder ob noch andere Personen involviert waren. Auch noch unklar ist, welche Informationen genau an wen geflossen sind – wie lange das ging, wann der OMV-Mitarbeiter, nach profil-Informationen ein eingebürgerter Osteuropäer, angeworben wurde.

Putin beobachtet seine ehemaligen Geschäftspartner genau
Der Unterwanderungsversuch flog dieses Mal auf.
© Grafik: Irma Tulek
Putin beobachtet seine ehemaligen Geschäftspartner genau
Der Unterwanderungsversuch flog dieses Mal auf.
Nach Bekanntwerden des Falles reagierte die OMV umgehend: „OMV bestätigt, dass das Arbeitsverhältnis mit dem betreffenden Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung beendet wurde. OMV kooperiert vollumfänglich mit den entsprechenden Behörden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir aus datenschutzrechtlichen Gründen weitere Details zu individuellen Arbeitsverhältnissen nicht kommentieren können“, heißt es in dem knappen Statement.
OMV bestätigt, dass das Arbeitsverhältnis mit dem betreffenden Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung beendet wurde. OMV kooperiert vollumfänglich mit den entsprechenden Behörden.
heißt es knapp von der OMV, die den Fall nicht weiter kommentieren will
Der Mann ist derzeit auf freiem Fuß. Die Justiz ihrerseits richtete ein Schreiben an das Außenministerium mit der Bitte, die diplomatische Immunität des russischen Botschaftsmitarbeiters aufzuheben. „Wir bestätigen, dass hier ein Strafverfahren anhängig ist“, heißt es aus dem Außenministerium. Man habe den russischen Geschäftsträger einbestellt und ihn dabei auch aufgefordert, der Aufhebung der Immunität nachzukommen, damit die österreichische Justiz ihre Arbeit tun könne.
Diplomatisches Schweigen
Wenig erstaunlich hat Russland darauf bisher nicht reagiert –es ist auch nicht davon auszugehen, dass man Österreichs Aufforderung innerhalb der noch wenige Tage laufenden Frist nachkommt. Und dann? Laut Artikel neun des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen wird der Botschaftsmitarbeiter automatisch zur Persona Non Grata und muss das Land umgehend verlassen. Darauf wird es wohl hinauslaufen.
Wohl auch wegen dieses Falls tagt nächste Woche der Nationale Sicherheitsrat, um sich über die hybride Kriegsführung Russlands und die sich zuspitzende Bedrohungslage für Österreich zu beraten. Denn selbst im neutralen Österreich erkennt man nun langsam, wovor andere europäische Staaten längst warnen: Putin führt einen Krieg gegen den Westen. Auch gegen uns – und das von langer Hand geplant.
Stetige Sabotageversuche
Ein paar Beispiele der jüngeren Vergangenheit: Der Kreml und seine Geheimdienste schreckten nicht davor zurück, österreichische Beamte zu korrumpieren, damit sie den Sicherheitsapparat unterwandern und damit schwächen. Das belegen die Ermittlungen rund um die BVT-Causa, oder die Fälle Ott und Wirecard, die am Ende des Tages zusammenhängen. Der Ex-Nachrichtendienstler Egisto Ott wird verdächtig, für Russland spioniert zu haben, demnächst muss er sich dafür vor Gericht verantworten. Der Fall einer Bulgarin, die auch die Autorin dieser Zeilen für den flüchtigen Ex-Wirecardboss Jan Marsalek ausspionierte, wird wohl ebenfalls in einer Anklage enden. Der Endbericht ist gerade im Entstehen.
Ein Militäroffizier in Salzburg, der über Jahre Informationen an Russland ablieferte, ist bereits verurteilt. Das sind nur jene Fälle, die man aufdecken konnte. Was noch im Verborgenen geschieht, darüber kann man nur mutmaßen. Die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) warnt seit Langem vor den Aktivitäten Russlands – und auch davor, dass die Zellen rund um den flüchtigen Wirecard-Boss Jan Marsalek hierzulande noch immer aktiv sind.
Nicht-einvernehmliche Scheidung
Dass sich Putin als sensibles Ziel ausgerechnet die OMV ausgesucht hat, ist nicht verwunderlich. Das teilstaatliche Unternehmen betreibt in Schwechat die einzige Raffinerie Österreichs, die dazu eine der größten Binnenraffinerien Europas ist. Wenn sie nicht läuft, stehen Flugzeuge und Fahrzeuge schnell still. Die OMV stellt Österreichs Versorgung mit Gas sicher – fiele diese aus, blieben nicht nur Wohnungen kalt. Die Industrieproduktion fiele ebenso aus wie Kraftwerke, die wiederum maßgeblich für die Stromproduktion sind. Wer die OMV angreift – etwa durch Spionageakte – der greift Österreich an. Aktiv und bewusst.
Wer die OMV angreift – etwa durch Spionageakte – der greift Österreich an. Aktiv und bewusst.
Spionage wird noch immer gerne verharmlost. Die Gesetze sind lax, die Politik kokettiert regelrecht damit, dass Wien den Ruf als Hauptstadt der Spione „genießt“.. Spionage ist gefährlich, eine Methode der hybriden Kriegsführung: Sie zielt darauf ab, geheime Informationen über militärische, politische oder wirtschaftliche Strategien zu sammeln, um eigene Vorteile im Konflikt zu sichern. Durch das Eindringen in feindliche Netzwerke, das Ausspähen von Plänen oder das Stören von Kommunikationswegen wird der Gegner geschwächt, ohne, dass es zu militärischen Kampfhandlungen kommt.
Es gibt keine Kampftechnik, die Wladimir Putin besser beherrscht als die subtile Unterwanderung. Er selbst wurde im KGB, dem Hauptgeheimdienst der Sowjetunion, groß. Putin diente als Offizier in der ersten Hauptabteilung, die für Auslandspionage zuständig war. Er lebte und arbeitete in Dresden, als die Sowjetunion zerfiel. Das neue Russland fand nie einen Weg in die Demokratie – Justiz und Zivilgesellschaft blieben machtlos, Putin trieb Russland in die Autokratie. Das war möglich, weil eines in diesem Land alles überdauerte und verlässlich wie geschmiert funktioniert: der FSB. Der russische Inlandsgeheimdienst hält alles unter Kontrolle und agiert mit seinen 100.000 Mitarbeitern auch weit über die Grenzen hinaus.
Wien war (und ist) für russische Spionageaktivitäten in Europa ein Hotspot wie Ausgangspunkt. Geografische Lage, Neutralität und somit Sitz vieler internationaler Organisationen machen die Stadt attraktiv. Nach wie vor betreibt Russland hier eine der größten Botschaften in Europa – dort sitzen auch Putins Spione, wie der aktuelle Fall zeigt. Elf Ausweisungen aus ähnlichen Gründen hat es seit Beginn des Ukraine-Krieges im Jahr 2022 gegeben – das ist vergleichsweise wenig. Deutschland sperrte Konsulate zu. Man agierte hierzulande lieber zurückhaltend – wohl auch, weil ehemals freundschaftliche Banden zwischen Russland und Österreich für Politik und Wirtschaft mittlerweile zu einschneidenden Fesseln geworden sind. Das gilt auch und vor allem für die OMV, die fast 60 Jahre lang mit der russischen Gazprom verheiratet war. In Putins Augen ist die OMV wohl sogar eine russische Erfindung.
Sie wurde im Jahr 1956 gegründet und ist aus der „Sowjetischen Mineralölverwaltung“ hervorgegangen, die bis 1955 von der sowjetischen Besatzungsmacht betrieben wurde.

Die OMV-Zentrale in Wien
Die OMV wurde 1956 gegründet und ging aus der Sowjetischen Mineralölverwaltung hervor.
© profil
Die OMV-Zentrale in Wien
Die OMV wurde 1956 gegründet und ging aus der Sowjetischen Mineralölverwaltung hervor.
„Druschba“, so hieß die erste Pipeline in den Westen – das heißt auf Russisch Freundschaft. Die Republik Österreich unterzeichnete als erstes westeuropäisches Land einen Gasvertrag mit der Sowjetunion – die NATO-Staaten hatten den gesamten Ostblock hingegen mit Wirtschaftssanktionen belegt. Österreich musste sich daran als neutrales Land praktischerweise nicht halten und wurde über die Jahre zum wichtigsten Abnehmer von russischem Gas. Oder, in anderen Worten: komplett abhängig. Hunderte Milliarden Kubikmeter Gas strömten über die Pipelines aus Russland nach Europa, bis Putin plötzlich neu definierte, wer Freund und wer Feind ist. Er überfiel die Ukraine und drosselte gleichzeitig die Gaslieferungen nach Österreich, um Druck auszuüben. Geht man so mit Freunden um? Indem man absichtlich die Volkswirtschaften schädigt, indem man Preise durch Verknappung massiv in die Höhe treibt? Wohl eher nicht.
Am 11. Dezember 2024 hat CEO Alfred Stern genug vom Beziehungsdrama und zieht die nicht-einvernehmliche Scheidung unter starken Schmerzen durch: „OMV hat heute die Kündigung ihres langfristigen Erdgasliefervertrags mit Gazprom Export aufgrund mehrerer grundlegender Vertragsverletzungen durch Gazprom Export bekannt gegeben. Die Vertragskündigung ist sofort wirksam.“ Noch zwei Jahre davor war das Unternehmen zu beinahe 100 Prozent von Russlands Gaslieferungen abhängig – 2023 überwies Österreich 3,7 Milliarden Euro für Gasimporte an die Gazprom und war somit bis zuletzt der größte Abnehmer in Europa.
Putinklatscher
Putin weiß genau, wie wichtig die OMV, in die er bis vor Kurzem tiefe Einblicke hatte, für Österreichs Infrastruktur ist. Die OMV hatte eine große Niederlassung in St. Petersburg – Putin hatte seine Schergen somit auch ganz offiziell im Unternehmen sitzen und das bis in die oberste Ebene. Rainer Seele war seit 2015 Chef der OMV, verließ das Unternehmen 2021 vorzeitig – unter anderem, weil seine Russlandfreundlichkeit intern für immer mehr Kritik sorgte. Er verlängerte 2018 die Gazpromverträge ohne Not bis 2040 – sie wären zu diesem Zeitpunkt noch zehn Jahre gelaufen. Außerdem erhöhte er gleich auch die Liefermengen. Bei dem Termin in St. Petersburg waren neben den CEOs von OMV und Gazprom auch Wladimir Putin und Ex-Kanzler Sebastian Kurz anwesend. Wenige Wochen zuvor war Putin auf Besuch in der Wiener Hofburg gewesen. Das zeigt eines ganz klar: Es ging bei den Gasgeschäften mit Russland nie nur um einen Austausch von Gütern, sondern auch um Politik. Gas ist und war in Russland immer schon Staatsraison. Gazprom ist ein staatliches Unternehmen, alle Exporteinnahmen fließen direkt in die Staatskassen – somit war Gas immer höchst politisch und wurde auf oberster Ebene verhandelt. Wer mit Gazprom verhandelt, verhandelt mit dem Kreml.

Neue Gasverträge
Neben den CEOs von OMV und Gazprom waren bei dem Termin auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Wladimir Putin anwesend.
© APA/GEORG HOCHMUTH
Neue Gasverträge
Neben den CEOs von OMV und Gazprom waren bei dem Termin auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Wladimir Putin anwesend.
Seele machte viele Deals, die meisten davon waren für Gazprom sehr gut (und für die OMV nicht immer schlecht). Mit ihm beteiligte sich die OMV an einem sibirischen Gasfeld – dafür wollte Seele OMV-Anteile an einem Gasfeld in Norwegen abtauschen. Norwegen hatte die russische Einmischung schließlich untersagt. Seele soll es auch nicht besonders eilig gehabt haben, die OMV-Gasfelder in Rumänien zu erschließen. Das„Neptun“-Projekt im Schwarzen Meer brachte letzten Endes der jetzige OMV-Chef Alfred Stern auf den Weg. Das ist heute eine wichtige Säule, um unabhängig von Russland zu werden. Dafür beteiligte sich die OMV unter Seele mit einer Milliarde Euro an Nordstream 2 – ein gemeinsames Projekt mit der Gazprom in der Nordsee.
Seele war der Pate der einzigartigen Energieallianz, die Österreich in russische Abhängigkeit manövrierte. Und das geschah sehenden Auges. Als Seele 2015 zum neuen Chef der OMV bestellt wurde, wurde das offizielle Österreich von einem befreundeten westlichen Dienst sogar gewarnt: Putin selbst hätte Seeles Aufstieg an die Spitze der OMV gefördert, um Österreich in russische Abhängigkeit zu bringen, so die Warnung. Man nahm sie offenbar nicht ernst.
Eine westliche Diplomatin formulierte es einmal so: „Die OMV ist ein Jointventure des Kremls.“ Seele selbst äußerte sich zu den Vorwürfen nicht, er verließ die OMV 2021 vorzeitig unter schwerer Kritik – wegen seiner engen Russlandverbindungen, die immer mehr für Unmut sorgten. Die OMV sponsorte etwa mit fünf Millionen Euro Putins Lieblingsfußballverein in St. Petersburg. Die Gazprom zeigte sich erkenntlich und sponsorte in etwa gleicher Höhe den Nachwuchs der Austria Wien. 2018 belohnte Putin Seele mit dem russischen Freundschaftsorden für seine Bemühungen.
Freundschaft?
Seele soll einmal bei einer Mitarbeiterversammlung gesagt haben: „Wer in diesem Unternehmen Russisch und Deutsch spricht, der hat eine tolle Zukunft vor sich.“ Und auch wenn Seele nun weg ist, und die Gasverträge mit Gazprom gekündigt sind: Eine langjährige gepflegte Firmenkultur wandelt sich nicht von heute auf morgen – und das ideologische Korsett von langjährigen Mitarbeitern auch nicht.
Der aktuelle Spionagefall wird die OMV wohl dazu anhalten, eine intensive Aufarbeitung in den eigenen Reihen anzugehen – und sich gewisse, vielleicht schon einmal auffällig gewordene Personen, noch etwas genauer anzuschauen.
Es ist übrigens nicht so, dass die OMV Rainer Seele endgültig los wäre. Er führt nun die Chemie-Geschäfte des OMV-Miteigentümers Adnoc.

Moskau will sich nicht aus der OMV drängen lassen
Putin kann seine Finger nicht von der OMV lassen. Die einseitige Trennung hat Moskau nicht verkraftet.
© profil
Moskau will sich nicht aus der OMV drängen lassen
Putin kann seine Finger nicht von der OMV lassen. Die einseitige Trennung hat Moskau nicht verkraftet.
Apropos Freundschaftsvertrag: Die FPÖ hat(te) so einen mit Wladimir Putins Partei Einiges Russland. Zuletzt sprach sich Blauen-Chef Herbert Kickl im ORF-Sommergespräch dafür aus, alte Gas-Pipelines nach Russland wieder zum Laufen zu bringen, weil russisches Gas angeblich so viel billiger sei als all jenes, das wir derzeit kaufen. OMV-CEO Alfred Stern kann das nicht bestätigen: „Russisches Gas war das teuerste, das wir je gekauft haben“, sagte er kürzlich in einem profil-Interview.
Billig oder teuer; das war am Ende gar nicht ausschlaggebend. Dass die Verträge mit Gazprom gekündigt wurden, war weder eine rein wirtschaftliche Entscheidung noch Folge von Vertragsverletzungen. Es ist in erster Linie eine politische Entscheidung gewesen. Österreich trägt alle Sanktionen gegen Russland seit dem Überfall auf die Ukraine mit – etwas, das dem Staatschef so gar nicht schmeckt. Immerhin waren die wirtschaftlichen und politischen Banden mit Österreich auch in „Krisenzeiten“ exzellent gewesen – selbst seinen Überfall auf die Krim im Jahr 2014 hatte man eher mit einem Achselzucken quittiert, Ermordungen von Regimekritikern oder Vergiftungen ignoriert und Putin weiterhin mit rotem Teppich in Wien empfangen.
Dass ihn das neutrale Österreich plötzlich laut für seinen völkerrechtswidrigen Angriff kritisierte, regelrecht aufmüpfig wurde und ihn und seine Oligarchenfreunde sogar sanktionierte, das war neu. Die Strafe für die Illoyalität kam postwendend. Österreich wurde als „unfreundlicher“ Staat kategorisiert, die Gaslieferungen nach Österreich an die OMV massiv gedrosselt, und gleichzeitig wurden offenbar Spione installiert, um zu sehen, wie sich das Unternehmen wehren und agieren würde.
Dieses Mal ist Putins Unterwanderungsversuch aufgeflogen und Österreich zeigt sich neuerdings weniger eingeschüchtert: Der dafür hauptverantwortliche Diplomat soll gehen. Auch der Botschafter selbst hat das Land schon verlassen und seinen Posten geräumt – offiziell regulär und geplant. Ein neuer Mann soll kommen. Wien hat nicht nur den Ruf als Hauptstadt der Spione. Wien rühmt sich historisch gesehen auch als Hauptstadt der Diplomatie – zumindest die Beziehungen zu Russland sind aber frostig. Moskau geht derzeit aggressiv gegen Österreich vor, wettert auf tiefem Niveau fast täglich gegen Wien.
Zuletzt rückte wieder Ex-Präsident Dimitri Medwedew aus, Putins Mann fürs Grobe, und beschimpfte zum wiederholten Mal Neos-Außenministerin Beate Meinl-Reisinger: „Der Rausch des österreichischen Schnapses scheint verflogen zu sein, Beate ist jetzt nüchtern und hat große Angst“, schreibt er auf Telegram und meint damit wohl ihren Vorschlag, Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland in Österreich stattfinden zu lassen, nachdem sie zuvor eine Diskussion über Österreichs Neutralität im Zusammenhang mit europäischen Sicherheitsfragen thematisierte. Wegen Letzterem hatte er Österreich offen mit Militärgewalt gedroht. Freundschaft.

Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.