René und Nathalie Benko am Mittwoch vor Gericht
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Causa Benko-Tresor: Schuldspruch für ihn, Freispruch für sie

Im zweiten Strafprozess gegen René Benko nach dem Signa-Zusammenbruch, ist der frühere Tycoon teilweise schuldig gesprochen, seine Ehefrau Nathalie gänzlich freigesprochen worden. Wie es zu den – noch nicht rechtskräftigen – Urteilen gekommen ist.

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Der emotionale Moment kam ganz am Schluss: Die soeben freigesprochene Nathalie Benko ging auf ihren, teils schuldig-, teils ebenfalls freigesprochenen Ehemann René zu, den sie seit Beginn seiner Untersuchungshaft vor fast elf Monaten nicht mehr gesehen hatte. Ungehindert von den Justizwachebeamten, die René Benko sonst selbst im Gerichtssaal auf Schritt und Tritt begleiteten, konnten sich die beiden in eine Ecke hinter dem Richtertisch zurückziehen. Einander – zumindest kurz – drei-, viermal umarmen. Einige Worte wechseln. Zwei, drei Minuten, bis René Benko wieder in die U-Haft abgeführt wurde. Und seine Ehefrau sichtlich gerührt im Saal zurückblieb.

Bis zu diesem Moment hatten René und Nathalie Benko am Mittwoch am Landesgericht Innsbruck – zumindest nach außen hin – perfekt Contenance gewahrt. Dabei war die Situation alles andere als alltäglich oder gar einfach für sie: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte das frühere Milliardärs-Ehepaar wegen des Verdachts der betrügerischen Krida angeklagt. René Benko soll – so der Vorwurf – Luxusuhren, Zubehör, Manschettenknöpfe und Bargeld vor seinen Gläubigern versteckt haben. Seine Frau Nathalie habe durch die Anschaffung eines Tresors, der bei Verwandten aufgestellt wurde, einen Beitrag dazu geleistet.

René Benko wurde aus der U-Haft vorgeführt.
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Die Sache mit dem Safe

profil berichtete wiederholt ausführlich über die Angelegenheit: Nach der großen Signa-Pleite Ende 2023 musste René Benko Anfang März 2024 auch selbst in seiner Tätigkeit als Einzelunternehmen Insolvenz anmelden. Und just zu jener Zeit wurde bei Verwandten von Nathalie Benko ein Safe aufgestellt – Ermittlungsergebnissen zufolge auf Betreiben von Nathalie Benko. Im Jänner 2025 wurde der Safe von den Ermittlern bei einer Hausdurchsuchung entdeckt. Und darin fanden sich unter anderem 120.000 Euro in bar, elf Luxus-Herrenuhren, vier Paar Manschettenknöpfe und Uhren-Zubehör wie Ersatzarmbänder und Armband-Verlängerungen. Gesamtwert: rund 370.000 Euro.

Die WKStA erhob Anklage. Und am Mittwoch kam ein Schöffensenat am Landesgericht Innsbruck nach rund achtstündiger Verhandlung zum Schluss, dass René Benko nur in Bezug auf die Manschettenknöpfe und auf zwei von insgesamt elf Uhren schuldig sei. Zu den restlichen Gegenständen wurde er freigesprochen. Für Nathalie Benko gab es überhaupt einen Freispruch. Die erstinstanzlichen Urteile sind nicht rechtskräftig – sowohl WKStA als auch die Verteidigung von René Benko ließen nach der Verhandlung offen, ob sie Rechtsmittel anmelden werden oder nicht.

Mit Spannung erwartetes Wiedersehen

Atmosphärisch war die Verhandlung geprägt vom mit Spannung erwarteten Wiedersehen zwischen René und Nathalie Benko. Sie hatte jahrelang bei Society-Events das Bild wesentlich mitgeprägt, das die Öffentlichkeit von ihrem Ehemann, dem schwerreichen Signa-Gründer, gewonnen hatte. Und sie fungierte über eine Stiftung nicht zuletzt auch als Charity-Aushängeschild, quasi als das soziale Gesicht des milliardenschweren Immobilien-Imperiums.

Nun hatte Nathalie Benko ihren Ehemann seit dessen Verhaftung Ende Jänner 2025 nicht mehr gesehen, wie ihr Anwalt vor Gericht ausführte. Seit Monaten sei den beiden, die drei minderjährige Kinder miteinander haben, auch telefonischer Kontakt untersagt – nicht einmal überwachte Kommunikation sei erlaubt. Mit dieser Ausnahmesituation – den eigenen Ehemann nach fast einem Jahr erstmals wiederzusehen und das noch dazu quasi auf dem „Präsentierteller“ eines mit Medienvertretern gefüllten Gerichtssaals – begründete Nathalie Benkos Rechtsanwalt auch, weshalb seine Mandantin an diesem Tag keine Aussagen zur Sache machen werde. Auf ähnliche Weise entschlug sich in der Folge auch René Benko einer mündlichen Aussage vor Gericht. Das ist das gute Recht eines jeden Angeklagten. Beide hatten vergangene Woche schriftliche Gegenäußerungen zur Anklage eingebracht. Und ihre jeweiligen Verteidiger hielten am Mittwoch sowohl zu Beginn als auch am Ende des Verfahrens ausführliche Plädoyers.

Nathalie Benko am Mittwoch bei Gericht
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Benko-Anwalt: Anklage „Hokuspokus“

René Benkos Rechtsanwalt Norbert Wess bezeichnete die Anklage als „Science Fiction“ und „Hokuspokus“. Alles werde zulasten der Benkos ausgelegt. Die Vorwürfe seien falsch und faktenwidrig begründet, so Wess sinngemäß. Inhaltlich blieb der Benko-Anwalt bei der Verteidigungslinie aus dem Ermittlungsverfahren. Kurz zusammengefasst: Das Bargeld gehöre nicht René Benko, sondern habe dieses seine Frau auf die Seite gelegt. Drei der Uhren habe man als Geschenke erhalten und sie für Nathalie Benkos Charity vorgesehen. Diese seien auch nicht getragen worden. Die acht restlichen Uhren sowie die Manschettenknöpfe habe René Benko zu Weihnachten 2021 seinen beiden minderjährigen Söhnen (damals sechs und elf Jahre alt) geschenkt. Dass er selbst auf späteren Fotos mit einzelnen dieser Uhren zu sehen ist, liege daran, dass er sich die Uhren von seinen Söhnen ausgeborgt habe. Die Ersatz-Uhrenbänder aus dem Safe würden wiederum zu Uhren von Nathalie Benko gehören.

Deren Anwalt, Michael Hohenauer, wies namens seiner Mandantin die Vorwürfe ebenfalls zurück. Was den Tresor betrifft, habe es „überhaupt keinen Zusammenhang“ mit der Insolvenz René Benkos gegeben. Nathalie Benko habe diesen über Verwandte organisiert und bei diesen aufstellen lassen, weil damals ein Umzug von der einen Innsbrucker Benko-Villa in ein anderes Haus geplant gewesen sei. Es sei ein Platz für ihre wertvollen Gegenstände und wichtigen Unterlagen gewesen. Wertmäßig seien mehr als 95 Prozent des Tresor-Inhalts „eindeutig Nathalie Benko zuzuordnen“ gewesen, erklärte Hohenauer vor Gericht. Dies nicht zuletzt in Form von sieben wertvollen Damenringen im Gesamtwert von 5,5 Millionen Euro. Sie habe den Tresor ausschließlich für ihre eigenen millionenschweren Vermögenswerte und wichtigen Unterlagen angeschafft, betonte der Anwalt.

Schlagabtausch am Schluss

Beide Benkos bekannten sich vor Gericht „nicht schuldig“. Das folgende Beweisverfahren bestand aus der Befragung dreier Zeugen, wobei diese – soweit erkennbar – keine wesentlichen neuen Erkenntnisse über das hinaus erbrachten, was aus dem Ermittlungsverfahren ohnehin schon bekannt war. Einzig ein verbaler Schlagabtausch zwischen Benko-Anwalt Wess und Benko-Insolvenzverwalter Andreas Grabenweger sorgte für eine gewisse Spannung im Gerichtssaal.

Wirklich intensiv wurde es dann gegen Ende der Verhandlung. Die vermeintlichen Trumpfkarten ließen Anklage und Verteidigung nämlich bis zu ihren jeweiligen Schlussplädoyers im Talon: Die WKStA thematisierte erstmals, dass Nathalie Benko in ihrer schriftlichen Gegenäußerung zur Anklage die angeblichen Uhren- und Manschettenknopf-Geschenke an die Kinder überhaupt nicht ansprechen würde – und damit die Version ihres Ehemanns gerade nicht bestätige. Tatsächlich war dieser Themenbereich auch im Eingangsplädoyer von Nathalie Benkos Rechtsanwalt nicht angesprochen worden. Hier ging es im Detail um die anderen Inhalte des Tresors. Die WKStA folgerte jedenfalls: Niemand – nicht einmal seine eigene Ehefrau – stütze René Benkos Angaben.

Eidesstattliche Erklärungen von Mutter und Schwester

Dessen Anwalt schlug umgehend zurück: Zunächst betonte Wess, dass sich im Rechtsstaat niemand freibeweisen müsse. Dann las er eidesstattliche Erklärung von René Benkos Mutter und dessen Schwester vor, in denen beide – sinngemäß – bestätigten, dass Benko ihnen erzählt habe, er habe seinen Söhnen Uhren geschenkt.

Was machte der Schöffensenat in einer rund einstündigen Beratung aus alldem? Kritischer Punkt in der gesamten Angelegenheit war die Vermögenszurechnung in Bezug auf die einzelnen Gegenstände im Safe. Diesbezüglich wären verschiedene Grenzziehungen denkbar gewesen: zum Beispiel alle Uhren einheitlich zu beurteilen oder jene acht Uhren, die angeblich den Söhnen geschenkt wurden. Das Gericht entschied sich jedoch dazu, die Grenze noch enger zu ziehen.

Gericht zog enge Grenzen

René Benko wurde nur in Bezug auf zwei Uhren sowie in Bezug auf die Manschettenknöpfe verurteilt. Richterin Heide Maria Paul begründete das sinngemäß damit, dass der gefallene Tycoon diese beiden Uhren auch später noch auf eine Art und Weise getragen habe, die zeige, dass er ihren Besitz nicht aufgeben wollte – etwa auf einem Segelboot oder auf einer Fernreise. Dies war unter anderem aus sichergestellten Fotos ersichtlich. Die Manschettenknöpfe wiederum würden – laut Richterin – genau zu diesen beiden Uhren gehören.

In Bezug auf die restlichen Uhren, die Uhren-Ersatzbänder und das Bargeld sei „nicht mit der erforderlichen Sicherheit“ feststellbar gewesen, dass René Benko der wahre Besitzer gewesen sei. Mangels weiterer Beweise sei nicht feststellbar, dass die anderen Uhren nicht an die Kinder verschenkt wurden. Die Richterin verwies diesbezüglich auf ein mit Foto dokumentiertes, späteres Uhren-Geschenk an einen der Söhne aus dem Jahr 2023. Diese Uhr war allerdings nicht in bewusstem Safe gefunden worden und durfte vom Sohn offenbar auch hin und wieder getragen werden.

Zu Nathalie Benko habe es zwar Verdachtsmomente gegeben, argumentierte die Richterin. Die Beweisergebnisse seien aber zu dünn gewesen. Nathalie Benko habe den Tresor offenbar für ihre eigenen Wertgegenstände genutzt. Es sei nicht feststellbar gewesen, wann welche Gegenstände in den Safe gekommen seien. Das wäre für den Nachweis eines Tatbeitrags jedoch erforderlich gewesen. Die Folge: Freispruch.

Urteil: 100.000 Euro Schaden

In Bezug auf René Benko blieb laut dem nicht rechtskräftigen Urteil ein Schadensbetrag von rund 100.000 Euro übrig – deutlich weniger als von der WKStA angeklagt. Da eine erste, erstinstanzliche Verurteilung in Innsbruck von Mitte Oktober ebenfalls nicht rechtskräftig ist, gilt der Signa-Gründer als unbescholten. Alles in allem sah das Gericht eine bedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten Haft und eine unbedingte Geldstrafe von 360 Tagsätzen zu je 12 Euro (insgesamt: 4320 Euro) als angemessen an.

Benko-Anwalt Wess meinte nach der Verhandlung, er werde das Urteil gemeinsam mit seinem Mandanten in Ruhe analysieren. Bis kommenden Montag habe man Zeit, allenfalls ein Rechtsmittel anzumelden. Gleichzeitig ließ er durchblicken, die U-Haft ein neuerliches Mal gerichtlich überprüfen zu lassen. Hat er Erfolg, könnten René und Nathalie Benko einander bald in angenehmerem Rahmen wiedersehen.

Stefan Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.