Russische Desinformation in Wien
© Collage: privat, Metropolitan Police
Russische Desinformation in Wien
Chats: Wie Putin seinen Krieg der Desinformation auf Wiens Straßen führt
Schriftgröße
Im März 2025 zündet die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) eine kleine Bombe: Eine umfangreiche russische Desinformationskampagne in Österreich sei aufgedeckt worden. Ihr Ziel: „Die öffentliche und politische Meinung zum Nachteil der Ukraine und Vorteil Russlands zu manipulieren“. Ein weiteres Puzzlestück in Wladimir Putins hybriden Krieg gegen den Westen, der sich auf vielen Ebenen abspielt.
Was die DSN nicht verriet: Die verdeckte russische Operation lief nicht nur in Österreich ab, sie wurde auch von einem Österreicher orchestriert. Der frühere Wirecard-CEO Jan Marsalek ordnete gezielte Aktionen im öffentlichen Raum an, um Stimmung gegen die Ukraine zu machen. Das Haupteinsatzgebiet seiner Agenten: Wien.
profil, Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR liegen neue Chats und Ermittlungsakten exklusiv vor. Die bisher geheimen Akten zeigen erstmals in erstaunlicher Detailliertheit, wie derartige dezentrale russische Desinformation in Europa geplant und ausgeführt wird.
Sie zeigen auch: Russland betreibt seine Desinformationskampagnen längst nicht mehr nur im digitalen Raum, sondern schickt seine Akteure auf die Straße. Zahlreiche Spionage-Zellen versuchen unabhängig voneinander, die demokratischen Gesellschaften in Europa zu spalten – indem sie gezielt Falschinformationen streuen. Die Ermittlungen gegen Marsaleks Zelle handeln von echten Staatsfeinden, falschen Nazis, künstlich geschürtem Russlandhass – und Bergen an Stickern, die womöglich auch vor Ihrer Haustüre klebten.
Ich denke darüber nach, etwas Öl ins Feuer zu gießen und diese Aufkleber an einigen Stellen in Europa anzubringen:
Was denkst du?
Natürlich muss man dann Fotos machen und diese in den sozialen Medien verbreiten.
Die Aufkleber gefallen mir auf jeden Fall.
Wo/In welchen Ländern/Orten willst du sie?
Zwei Zündler
„Ich überlege, ein bisschen Öl ins Feuer zu leeren und diese Sticker an manchen Orten in Europa aufzukleben“, schrieb Jan Marsalek am 24. März 2022. Sein Chat-Partner, Orlin Roussev, stellte nur eine Frage: „Wo/In welchen Ländern/Orten willst du sie?“ Damit startete eine spektakulär simple False-Flag-Desinformationskampagne auf den Straßen mehrerer europäischer Hauptstädte. Darunter Wien. Marsalek, noch nie ein bescheidener Mann, will mehr als nur ein wenig zündeln: „Lasst uns den Dritten Weltkrieg beginnen 😂“
Lasst uns den Dritten Weltkrieg beginnen 😂
Der Österreicher Jan Marsalek führte einst den deutschen Zahlungsdienstleister Wirecard, bis die Firma 2020 mit einem riesigen Bilanzbetrug pleiteging. Doch bevor er zur Verantwortung gezogen werden konnte, flüchtete Marsalek aus Europa nach Russland. Heute weiß man: Marsalek dürfte schon viele Jahre zuvor für Moskau spioniert haben. Darum ist er heute der meistgesuchte Europäer. Das hält ihn nicht ab, die Unterwanderung der westlichen Demokratien offenbar auch aus seinem russischen Exil fortzuführen. profil berichtete federführend.
Einer von Marsaleks Handlangern war Orlin Roussev. Der gebürtige Bulgare war Anführer einer Bande, die für Marsalek arbeitete. Die Bande spionierte Kreml-kritischen Investigativjournalisten wie Christo Grozev und profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer nach. Sie gab sich als Interpol-Agenten aus, führte Einbrüche durch und transportierte die gestohlenen Handys dreier führender Beamten des österreichischen Innenministeriums für den russischen Geheimdienst FSB. Nach Österreich importierten Marsaleks Handlanger Berge an Bargeld, um weitere Handlanger damit zu bezahlen. Im Februar 2023 war es aus mit dem Spiel. Roussev und Mitglieder seiner Bande wurden in London festgenommen. Im Mai 2025 wurden sie wegen ihrer Spionage-Tätigkeiten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Bei Roussev fanden die Ermittler 221 Telefone, 495 SIM-Karten und jede Menge Chats. Darunter tausende Nachrichten mit Jan Marsalek. Gold für die Ermittler – sie bekamen dadurch erstmals detailliertes Insiderwissen zu der Perfidität der Russlandpropaganda. Nur wer sie versteht, kann sich dagegen schützen. Bisher waren diese Chats geheim – wir zeigen Sie Ihnen, damit auch Sie sich gegen Manipulation wehren können.
Unter falscher Flagge
Marsaleks Plan wirkt auf den ersten Blick harmlos: Es geht um Sticker. Pickerl, wie auch Sie sie bestimmt jeden Tag an einem Schaufenster, auf einer Parkbank oder einem Mistkübel sehen. Womöglich ärgern Sie sich manchmal, wenn ein besonders hässlicher Aufkleber an Ihrer Haustüre klebt. Vielleicht war darunter einer aus der Feder von Jan Marsalek. Dann hetzte der Sticker gegen „russische Schweine“, zeigte rechtsextreme Symbole in den Farben der ukrainischen Flagge oder forderte „Ehre der Ukraine“. Auf jeden Fall sollte Marsaleks Aufkleber Ihr Vertrauen in die Ukraine bröckeln lassen.
„Wahrscheinlich würde es am besten funktionieren, wenn wir mehrere Variationen der Sticker hätten“, schrieb Marsalek am 24. März 2022 an Roussev: „Es könnte komisch aussehen, wenn alle dieselbe haben, nicht?“ Zum Zeitpunkt der Nachrichten dauerte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine gerade einmal ein Monat lang.
Doch Marsalek und Roussev planten bereits die nächsten, langfristigen Angriffe auf Europa in Form einer Desinformationskampagne unter falscher, ukrainischer Flagge. Ukrainerinnen und Ukrainer in Europa sollten mit Neonazis in Verbindung gebracht werden, so der Plan. Dafür verlässt die russische Desinformation auch den virtuellen Raum. „Lass es uns nicht zu kompliziert machen“, schrieb Marsalek: „Es muss natürlich aussehen“.
Lass es uns nicht zu kompliziert machen
Es muss natürlich aussehen
Marsaleks Handlanger saßen vor allem in London, doch „Großbritannien ist nicht relevant in diesem Kampf“, schrieb Marsalek Ende März 2022 an Roussev: „Es ist wichtiger, Frankreich und Deutschland ins Visier zu nehmen, womöglich auch Italien und Österreich“. Und Marsalek erklärte Roussev auch, warum: „Das wichtigste Ziel ist Deutschland wegen der Gas-Exporte.“ Auch Österreich war damals noch von russischem Gas abhängig.
Großbritannien ist nicht relevant in diesem Kampf
Es ist wichtiger, Frankreich und Deutschland ins Visier zu nehmen, womöglich auch Italien und Österreich
Das wichtigste Ziel ist Deutschland wegen der Gas-Exporte.
„Die russische Desinformation verfolgt zwei Ziele, die sich je nach Thema und Inhalt unterscheiden“, sagt Dietmar Pichler, Gründer des Desinfo Resilience Networks und Head Analyst der Plattform INVED.eu, gegenüber profil: „Das erste Ziel ist die Spaltung und Schwächung politischer Gegner Russlands. Dafür wird die Polarisierung der Gesellschaft vorangetrieben.“ Russland erfinde dafür selten neue Konflikte, sondern nutze bestehende Bruchlinien, sagt Gerhard Mangott, Politikwissenschaftler an der Uni Innsbruck und Russland Experte: „Die russische Desinformation macht diese Konflikte stärker, damit sie einen zersetzenden, destabilisierenden Effekt haben.“ In Marsaleks Fall war die Bruchlinie die Frage, wie sehr Europa die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland unterstützen sollte.
Das zweite Ziel der Desinformation sei eine Verhaltensänderung, sagt Pichler: „Durch Beeinflussung der öffentlichen Meinung sollen sich konkrete politische Positionen im Westen verändern. Zum Beispiel, damit wir die Ukraine weniger oder gar nicht unterstützen. Oder, damit wir unsere Energiepolitik wieder im Sinne Russlands ändern.“
Marsalek ist Asow
Jan Marsalek dürfte beide Ziele verfolgt haben. Deutschland und Österreich sollten weiter russisches Gas beziehen und somit in Abhängigkeit bleiben. In ganz Europa sollte die Solidarität mit der Ukraine schwinden. Um das zu erreichen gründeten Roussev und Marsalek auch eine eigene Website, die sich als der EU-Ableger des damals klar rechtsextrem konnotierten ukrainischen Asow-Regiments ausgibt: „WeAreAzov.eu“. Dazu kamen lokale Ableger „NousSommesAzov.fr“ sowie „WirSindAzov.de“
Habe unser subversives Projekt mit dem FSB besprochen: Sie lieben es 😈
Sie schlagen auch vor, das Azov-Symbol überall in europäischen Städten zu sprayen
und ein paar Swastikas…
Die Websites sollten in europäischen Städten mit eigens angefertigten Stickern und Graffitis beworben werden. Im Idealfall sollten sich deutschsprachige Neonazis mit dem Asow-Regiment verbrüdern. Gleichzeitig sollte die Gesamtgesellschaft die vermeintlich rechtsextremen Ukrainer ablehnen. Marsalek lässt in den Chats keinen Zweifel daran, dass er für den russischen Geheimdienst FSB tätig ist. „Habe unser subversives Projekt mit dem FSB besprochen: Sie lieben es 😈“, schrieb der Österreicher am 28. März 2022: „Sie schlagen auch vor, das Azov-Symbol überall in europäischen Städten zu sprayen und ein paar Swastikas…“ (Anm. Hakenkreuze). Vor allem in Deutschland und Österreich hoffte Marsalek auf starke Reaktionen gegen die von ihm gestreute rechtsextreme Propaganda. „Es ist sehr direkt“, erklärte Marsalek Mitte April 2022: „Azow kommt nach Europa 🤩🧨“
Wie gefällt dir WeAreAzov.eu und auch die lokalisierten Versionen WirSindAzov.de und NousSommesAzov.fr?
Ich fange an, WeAreAzov zu mögen.
Wir können es für jedes Land, einschließlich der Ukraine, in der jeweiligen Landessprache bekommen.
Das sieht nach einer „Strategie” aus.
Okay... lass mich die Strategie entwickeln und auf verschiedene Registrare verteilen... denn wenn ich alle innerhalb von 1–2 Tagen bei nur einem registriere, könnte das verdächtig wirken...
und natürlich Azov.army für unsere Rekrutierungsseite
Ja und nein. Es ist sehr direkt: Azov kommt nach Europa 🤩🧨
Wie eine Unternehmensgründung 😂
...mit einem großen Knall 💪
Das Asow-Regiment kämpft seit 2014 auf Seiten der Ukraine gegen Russland. Asow ist mit der rechtsextremistischen „Nationalkorps“ verknüpft und rekrutierte Rechtsextremisten aus anderen europäischen Ländern. Bis in den Mai 2022 führte Asow das Symbol der „Wolfsangel“, das auch SS-Einheiten verwendeten, und das daher in Deutschland und Österreich verboten ist. Mittlerweile wurde Asow als Brigade in das ukrainische Heer eingegliedert, statt der rechtsextremen Wolfsangel tragen die Soldaten nun das Wappen der Ukraine.
Doch im März 2022 war die rechte Nähe des Asow-Regiments ein zentraler Teil russischer Propaganda. Dass Neonazis aus ganz Europa auf der Seite der Ukraine kämpften, passte in Putins Lügengeschichte einer angeblich faschistischen Ukraine, die Russland auslöschen möchte. Jan Marsalek sollte diese Erzählung in ganz Europa verbreiten. Er hoffte, vor allem in Deutschland und Österreich mit ihrer faschistischen Vergangenheit einen Nerv zu treffen. Ein besonders zynischer Spruch, den Marsalek für Deutschland vorschlug: „Nie wieder! Deutsche, erhebt euch! Asow“ Das Ziel laut Marsalek: „Die Leute müssen wissen, dass die Nazis wieder da sind.“
Lasst uns die ganze Stadt mit Azov-Graffiti besprühen. Die Leute müssen wissen, dass die Nazis zurück sind.
Marsalek und Roussev tauschten sich in nahezu unglaublichem Detailgrad über die Operation aus. Sie überlegten, unter wessen Namen sie die Website registrieren wollen. Roussev: „Nun ja... was die Identität angeht, hängt es davon ab, wie ungezogen wir sein wollen...😈“ Von der ukrainischen Botschaft in London über das rote Kreuz in Genf bis zum ukrainischen Premier Wolodymyr Selenskyj stünden ihnen alle Möglichkeiten offen. Am Ende wurde es wohl das Asow-Bataillon selbst.
Gibt es gute/ungezogene Ideen, unter welcher Identität man diese Domain kaufen und wo man sie hosten könnte?
Nun ja... was die Identität angeht, hängt es davon ab, wie ungezogen wir sein wollen...😈
Man kann sich beispielsweise unter folgenden Namen/Adressen registrieren: 1) Ukrainische Botschaft in London 2) UN-Flüchtlingsversammlung in Genf 3) Rotes Kreuz in Genf 4) vielleicht unter Zelenskis Namen 😜😂 5) Name/Adresse des AZOV-Bataillons...
Aber es gibt viele Lösungen... und wenn die Zielgruppe hauptsächlich außerhalb Russlands liegt, sollte das Hosting besser außerhalb Russlands erfolgen
Marsalek surfte im Frühjahr 2022 auf rechtsextremen Seiten, um Propaganda-Sprüche für die ukrainischen Kämpfer zu dichten. Und Marsalek suchte nach einem Gesicht für seine Fake-Asow-Seite – allerdings offenbar vergeblich: „Ich schaffe es immer noch nicht, einen Nazi-Führer zu rekrutieren“, schrieb Marsalek im Juni 2022: „Der eine sitzt im Gefängnis und der andere antwortet nicht mehr.“
„Azov glaubt an ein vereintes Europa, geeint durch den Glauben an eine Union freier Völker, frei von ausländischer Unterdrückung und Einflussnahme, angeführt von starken Führern, die eine Zukunft gestalten, in der unsere Frauen und Kinder sicher auf den Straßen gehen können, ... bla bla“
Ich surfe auf rechten Websites, um Textausschnitte zu finden
Propaganda nach Maß
Marsalek und Roussev wollten keinen Teil ihrer falschen Nazi-Kampagne dem Zufall überlassen. Vor allem auf das Design der Sticker achteten die beiden genau: „Die Schriftart ‚Fraktur‘ ist komplett nazi“, war sich Marsalek etwa im April 2022 sicher. Bei anderen Stickern macht der Österreicher Maßarbeit: „Ich denke, die Aufkleber ‚No Russians/Dogs‘ müssen nicht leuchten. Bei den Slava Evropi-Aufklebern (Anm. Ehre Europas) sollten wir vielleicht die Größe etwas ändern.“ Dabei soll eine Designerin 1200 Euro für die Sticker und für Graffiti-Schablonen erhalten haben. Die Aufkleber selbst sollen 2600 Euro gekostet haben. An einer Stelle schreibt Roussev: „Nur zur Info: Die Aufkleber wogen vor dem Verpacken und Zuschneiden 160 kg... 😂🙈🙈“ Eine beachtliche Menge.
Das wird in Deutschland massive Probleme verursachen
Ausgezeichnet...
Die Schriftart „Fraktur“ ist total nazi
Manche Pickerl will Marsalek nur an bestimmten Orten geklebt sehen, etwa Sticker, die sich vermeintlich gegen „russische Schweine“ richten: „Die Schweine waren hauptsächlich für Ladentüren gedacht. Wenn wir also die Möglichkeit hätten, sie dort öfter einzusetzen, wäre das cool, weil es die Besitzer wirklich nerven würde 😂“ Allgemein ist Marsalek wichtig, dass die Wiener Bevölkerung tatsächlich glaubt, die Sticker kämen aus der Ukraine, nicht gezielt aus Moskau: „Einige davon picken einfach sehr nah beieinander, was eher auf eine gezielte Kampagne hindeutet als auf zufällige Nazis.“
Russische Propaganda unter falscher Flagge mitten in Wien
Auf der Wiener Kaiserstraße brachten Marsaleks Gehilfen 2022 gelbe Sticker mit der „Wolfsangel“ an. Das Symbol wurde damals vom Asow-Regiment genutzt. Es ist in Österreich und Deutschland verboten, weil auch SS-Einheiten das Symbol nutzten.
Fotos, die profil, Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegen, zeigen die rassistischen und neonazistischen Sticker mitten in Wien, etwa auf Fahrradständern in der Kaiserstraße.
Ich habe am Mittwoch ein Treffen zum Thema Asow
Es wäre toll, wenn wir vorher ein paar Aufkleber und Graffitis verteilen könnten, damit ich Fotos habe
Die Bilder wurden von Marsaleks Spionen gemacht – offenbar, um sie in Moskau als Beweise einer erfolgreichen Operation vorweisen zu können. Und, um sie auf sozialen Netzwerken zu verbreiten und die Stimmung online weiter aufzuheizen. „Ja... ja... der PR-Effekt beträgt 60 %... die Arbeit selbst macht 40 % des endgültigen/gewünschten Effekts aus“, schrieb Roussev etwa.
Russische Propaganda unter falscher Flagge mitten in Wien
Auch an Fahrradständern auf der Wiener Kaiserstraße wurde die neonazistische „Wolfsangel“ angebracht. Daneben ein Sticker, der gegen „russische Schweine“ hetzt. In Wahrheit sollten beide Sticker Stimmung gegen die Ukraine machen.
In Wien fotografierte Tsveti D. – dieselbe Frau, die auch profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer beschattete und Teil der Bande ist. Sie ist mittlerweile geständig und hat gegenüber den Behörden auch Klebe- und Spray-Aktionen in anderen Städten bestätigt. Allerdings behauptet Tsveti D., dass sie nicht gewusst habe, dass sie in Wahrheit für Russland tätig war. Es gilt die Unschuldsvermutung.
O.K., ich werde mit den Leuten von Graffity sprechen, damit wir bis Freitag dieser Woche Trainingsmaterial und Videos bekommen.
Idealerweise hat der Designer eine gute Idee, wie man diese Liste etwas unheimlicher gestalten kann.
Ich werde mich darum kümmern, dass ein paar Musteraufkleber hergestellt werden.
Fantastisch 🤩
Ja... ich werde morgen mit dem Mädchen sprechen
und bitte die 1200 € für die Designerin bereitstellen... und 600 € für den Test von Graffitu.
Wenn wir das in Berlin machen, wird das ein riesiges Echo haben.
Taktik aus dem Kalten Krieg
Dass die Bande in Wien etwa auch Graffiti von Selenskyjs Gesicht mit rechten Botschaften gesprayt hat, wie von Marsalek und Roussev geplant, konnte profil nicht gesichert überprüfen. Die einzigen Fotos der Graffitis wurden laut Tsveti D. in ihrem Keller in Wien aufgenommen. Dieselbe Bande soll diese Motive aber auch in Deutschland gesprüht haben. Gegenüber Marsalek prahlt Roussev nach einer angeblichen Klebe- und Sprüh-Aktion in Wien jedenfalls: „😜😂 Sie ersetzen die Betonziegel, um die Graffiti zu entfernen... Es ist wie eine kleine Baustelle...“
Die grundlegende Vorgehensweise, wie sie in den Chatprotokollen beschrieben wird, sei nicht neu, sagt Desinformations-Experte Pichler: „Schon im Kalten Krieg ließ Russland Hakenkreuze in Deutschland anbringen, um die Annäherung von Deutschland und Frankreich zu sabotieren.“ Dieses alte Muster wende Russland nun wieder an, um die Unterstützung für die Ukraine zu schwächen, so Pichler: „Dazu kommt der digitale Raum als Multiplikationsfaktor. Und noch besser ist es für die Verbreiter von Desinformation, wenn sie es in die traditionellen Medien schaffen.“
Russische Propaganda unter falscher Flagge mitten in Wien
Auch direkt vor der profil-Redaktion ließ Jan Marsalek einen Sticker mit der rechtsextremen Wolfsangel angebringen
Tatsächlich hatten auch Marsalek und Roussev versucht, Journalistinnen und Journalisten auf ihre False-Flag-Aktion aufmerksam zu machen. Marsalek schickte die Adressen einiger Medien, darunter Qualitätsmedien wie „Die Presse“, „Der Standard“ oder profil, Boulevardblätter wie „Heute“ oder „Kronen Zeitung“, TV-Sender wie ORF und ATV. „Aber bitte seien wir vorsichtig es darf nicht künstlich wirken“, betonte Marsalek: „Die Journalisten sind zwar Ratten, aber nicht dumm.“ Tatsächlich klebte etwa auf einem Straßenschild unmittelbar vor der Redaktion von profil ein gelber Sticker mit der rechtsextremen Wolfsangel. Das erhoffte mediale Echo blieb bis auf vereinzelte Berichte aber aus.
ABER es könnte sogar Spaß machen, die Deutschland-Aufkleber in Österreich zu verwenden. Das würde die Österreicher ernsthaft verärgern.
Die Schweine waren hauptsächlich für Ladentüren gedacht. Wenn wir also die Möglichkeit hätten, sie dort öfter einzusetzen, wäre das cool, weil es die Besitzer wirklich nerven würde 😂
Einzigartige Einblicke
Die „WeAreAzov“-Websites dürften ein abruptes Ende gefunden haben: „Jemand innerhalb des FSB hat sich darüber beschwert, dass wir die tatsächlichen Bankdaten von Azov veröffentlichen und damit technisch gesehen gegen russisches Recht verstoßen 🙈“, schreibt Marsalek im August 2022 und ärgert sich sichtlich: „Verf**** Idioten 🤪Sie haben mehr Angst vor einer Formalität als davor, den Krieg zu verlieren.“
Könnte es sein, dass die Webserver von WeAreAzov ausgefallen sind? Ich kann ohne VPN keine Verbindung zu ihnen herstellen.
Ah, ich habe das Problem gefunden: Jemand innerhalb des FSB hat sich darüber beschwert, dass wir die tatsächlichen Bankdaten von Azov veröffentlichen und damit technisch gesehen gegen russisches Recht verstoßen 🙈
Wir haben die HTML-Seite für Spenden.
Wir können diese vorerst löschen, und ich werde heute Abend etwas anderes erstellen.
Verf**** Idioten 🤪
Sie haben mehr Angst vor einer Formalität als davor, den Krieg zu verlieren.
Ich weiß nicht, wie wir technisch gesehen gegen das Gesetz verstoßen ... da alles rechtmäßig von Azov bezahlt wird ...
Jede Überprüfung/Rückverfolgung führt zu dem Mann, der der Kommandant war.
Aber sie wissen, dass sie es sind / ich es bin.
Ich habe gerade beide Server ausgeschaltet ...
OK, danke!
Der Einblick, den diese Chats bieten, dürfte in seiner Tiefe einzigartig sein. „Ich kenne nur indirekte Quellen, die erläutern, wie die russische Desinformation funktioniert“, sagt Russland-Experte Gerhard Mangott: „Solche Chats habe ich noch nie gesehen.“ Normalerweise müsse man russische Einflusskampagnen mühselig mit ehemaligen Agenten rekonstruieren, sagt Desinformations-Experte Pichler: „Der Detailgrad dieser Chats ist höchst beeindruckend.“ Beachtlich sei vor allem, dass auch die Motive der Akteure deutlich werden: „Hier wird nicht nur gefühlskalt ein Befehl von oben ausgeführt. Die Akteure in diesem Chat agieren teils unprofessionell, emotional, locker. Dabei versuchen sie, im Westen tiefe Verachtung gegen das eigentliche Opfer, die Ukraine, zu züchten. Im vollen Bewusstsein, dass sie dafür Menschen anlügen.“
Wie kann sich Europa, wie kann sich jeder und jede Einzelne in einer Demokratie vor der russischen Desinformation schützen? „Möglicherweise könnten diese Chats ein Gamechanger sein“, sagt Pichler: „Wenn diese Skrupellosigkeit und Härte genügend Menschen bewusst werden.“ Denn die nötige Resilienz könne nur entstehen, wenn sich die ganze Bevölkerung gegen die Gefahr der Desinformation rüste, so Pichler: „Jede Person ist in diesem Verteidigungskampf wichtig. Sonst haben wir nicht mehr lange als demokratisches Europa.“
Max Miller
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und mag Grafiken. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.